Juristische Besonderheiten

Wer Praktikanten beschäftigt, muss aufpassen

28.03.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Was der Arbeitgeber aus arbeits- und aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht beachten muss, sagt Stefan Schlöffel.
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Häufig werden in Unternehmen Praktikanten beschäftigt, ohne zu wissen, wie das Praktikantenverhältnis rechtlich einzuordnen ist. Es stellt sich die Frage, ob es sich um ein Arbeits- oder ein Berufsausbildungsverhältnis handelt, ob eine Vergütungspflicht besteht und ob die Praktikanten sozialversicherungsrechtlich anzumelden sind. Der folgende Beitrag soll einen Überblick geben und macht insbesondere die Unterschiede zwischen Pflichtpraktika und freiwilligen Praktika deutlich.

Definition

Praktikant ist, wer sich für eine vorübergehende Dauer zwecks Erwerbs praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit und Ausbildung, die keine systematische Berufsausbildung darstellt, im Rahmen einer Gesamtausbildung unterzieht, weil er diese für die Zulassung zum Studium oder Beruf, zu einer Prüfung oder zu anderen Zwecken benötigt. Der Ausbildungszweck steht damit im Vordergrund. Die Vergütung ist der Höhe nach deshalb auch eher eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt.

Demgegenüber ist der Arbeitnehmer, aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Deshalb ist auch ein Praktikant wie ein Arbeitnehmer zu vergüten, wenn bei einem als "Praktikum" bezeichneten Arbeitsverhältnis die Arbeitsleistung den Ausbildungszweck überwiegt. Es gilt der all-gemeine Grundsatz: "Es ist nicht entscheidend was draufsteht, sondern was drin ist."

Zu unterscheiden sind Pflichtpraktika und freiwillige Praktika. Pflichtpraktika sind beispielsweise geregelt im Schul- oder Hochschulrecht oder auch in Studienordnungen. Freiwillige Praktika werden häufig in den Schul- oder Semesterferien absolviert.

Arbeitszeiten

Unabhängig von der Art des Praktikums sind allgemeine Schutzvorschriften wie das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz zu beachten. Danach gelten für Kinder und Jugendliche folgende Arbeitszeiten:

  • unter 15 Jahre: maximal sieben Stunden täglich, maximal 35 Stunden pro Woche

  • 15 bis 18 Jahre: während der Schulzeit: maximal 7 Stunden täglich, maximal 35 Stunden pro Woche, während der Schulferien: maximal 8 Stunden täglich, maximal 40 Stunden wöchentlich

Pflichtpraktika in der Schule

Die Ausgestaltung der Praktika wird durch die jeweilige Schule im Rahmen der Schulordnung oder durch Landesrecht festgelegt. Es kommt kein Ausbildungs- und schon gar kein Arbeitsverhältnis zustande. Der Einsatz der Schülerpraktikanten dient in erster Linie der persönlichen Information über einen Teil der sozialen Wirklichkeit, um den Schülern ihre Ausbildungs- und Berufswahl zu erleichtern. Die Betriebspraktika sind Schulveranstaltungen, die in einem Betrieb als Unterrichtsort durchgeführt werden. Gleiches gilt für Pflichtpraktika von Berufsfachschülern und Berufsfachschülerinnen.

Pflichtpraktika im Studium

Studenten, die im Rahmen ihres Studiums aufgrund der Studien oder Prüfungsordnung in Betrieben eine dem Studienziel dienende praktische Ausbildung erhalten, sind keine Auszubildenden im Sinne des Berufsbildungsgesetzes. Sie haben demgemäß keinen Anspruch auf Urlaub, auf Arbeitsentgelt und auf Einhaltung der besonderen Kündigungsschutzbestimmungen nach dem Berufsbildungsgesetz.

Eine schriftliche Vertragsniederlegung ist nicht vorgeschrieben, aber hilfreich und nützlich. Bei vorzeitiger Lösung des Praktikantenverhältnisses nach Ablauf der Probezeit kann kein Schadensersatz verlangt werden. Nach einem Pflichtpraktikum ist als Nachweis des Praktikums gegenüber der Schule oder Hochschule eine Praktikumsbescheinigung auszustellen; ein qualifiziertes Zeugnis ist nicht erforderlich aber möglich.

Freiwillige Praktika

Ein freiwilliges Praktikum ist jederzeit möglich. Wie oben bereits erwähnt, sind Praktikanten keine Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern lediglich im betriebsverfassungsrechtlichen bzw. personalvertretungsrechtlichen Sinn. Auch hier ist ein schriftlicher Praktikumsvertrag nicht vorgeschrieben, aber empfehlenswert. Ebenfalls empfehlenswert ist ein Praktikumsplan, der die einzelnen Phasen des Praktikums widerspiegelt. Die Dauer des Praktikums ist vom spezifischen Ausbildungszweck abhängig und dementsprechend zu vereinbaren.

Eine angemessene Vergütung ist zu zahlen, gegebenenfalls sind diesbezüglich Tarifverträge einschlägig. Wie oben bereits erwähnt ist eine angemessene Vergütung eine Beihilfe zum Lebensunterhalt. Ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung kann entfallen, wenn der Praktikant beispielsweise sehr kurz im Betrieb ist oder lediglich passiv tätig ist ohne Einbindung in den Arbeitsprozess und keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag leistet. Anhaltspunkte für angemessene Vergütungen sind die jährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung herausgegebenen Ausbildungsvergütungen.

Es besteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche). Sofern der Praktikant weniger als einen Monat tätig ist oder lediglich passive Betriebsbesuche absolviert, scheidet ein Urlaubsanspruch aus. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Der Arbeitgeber kann das Praktikumsverhältnis nur aus wichtigem Grund kündigen, der Praktikant ebenfalls nur aus wichtigem Grund bzw. mit einer Frist von vier Wochen. Bei Beendigung des Praktikums ist ein qualifiziertes schriftliches Zeugnis auszustellen.