Daimler-Chrysler gründet virtuelle Corporate University

Wer Manager schulen will, muß bei Multimedia Abstriche machen

05.11.1999
Von Gabriele Müller* Als eines der wenigen großen Unternehmen in Deutschland unterhält der Daimler-Chrysler-Konzern eine eigene Firmenuniversität. Doch das war deren Machern nicht genug. Sie suchten nach einem Partner, der ihre Ideen für eine virtuelle Corporate University umsetzte. Die Wahl fiel auf die Imc GmbH in Saarbrücken.

Vor rund anderthalb Jahren gründete Daimler-Chrysler eine eigene Firmenuniversität, um den Innovations- und Wissenstransfer innerhalb des Konzerns zu bündeln. Irgendwann entstand dann die Idee, den Informationsaustausch noch leichter und schneller zu ermöglichen. Der Zugang zu neuen Lerninhalten sollte den Führungskräften rund um die Uhr ermöglicht werden, ohne dafür zeitraubende und aufwendige Präsenzveranstaltungen organisieren zu müssen. Dabei heraus kam die erste interaktive Lern- und Wissensplattform für rund 7000 Führungskräfte weltweit, mit der, so Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp, das Unternehmen "die Spitzenposition in der Führungskräfte-Entwicklung" anstrebt.

Der Grund für den Entschluß: "Wir erreichen mit unseren bisherigen Präsenzveranstaltungen und Strategiedialogen vielleicht 20 bis 30 Prozent unserer Zielgruppe pro Jahr", klagt Michael Müller, beim Technologieriesen verantwortlich für den Bereich Innovations- und Wissenstransfer und Projektleiter der Virtual Corporate University. Doch das erschien dem Konzern zuwenig, um seine Manager regelmäßig mehrmals jährlich zu trainieren. Er entschied sich deshalb, die zeitlich und räumlich unabhängigen Möglichkeiten interaktiven Lernens über das Web zu nutzen.

Mit der Umsetzung wurde die Imc GmbH, die als Spinoff-Unternehmen aus dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Saarbrücken hervorging, beauftragt. Imc-Geschäftsführer Wolfgang Kraemer: "Wir haben den Auftrag bekommen, nachdem Daimler-Chrysler eine weltweite Benchmarking-Untersuchung über Distance Learning gemacht hatte." Den Zuschlag für das Drei-Millionen-Mark-Projekt erhielt Imc nicht zuletzt deshalb, davon ist Kraemer überzeugt, weil das Unternehmen schon einiges vorzuweisen hat. Nicht nur mit der "Winfoline", einem virtuellen Zusammenschluß mehrerer Universitäten, sondern auch mit der Gründung der ersten "Online-University" hat sich das junge Unternehmen einen Namen gemacht. Daimler-Chrysler-Projektleiter Müller ergänzt: "Für uns war nicht nur die Kompetenz beim Thema Web-basierte Universität wichtig. Wir schätzen auch das Know-how, Inhalte für eine virtuelle Corporate University multimedial aufzubereiten."

In einem Punkt waren sich die beiden Partner schnell einig: "Nur keine Internet-Blättermaschine produzieren." Das bedeutete für die Saarländer, den Konzern zunächst zu beraten, wie mögliche Elemente und Lerninhalte angemessen aufbereitet werden können. Dabei stellte sich schnell heraus, daß beim Einsatz von Multimedia und Video on Demand Abstriche gemacht werden mußten. Müller: "Wir hatten einen höheren Grad an interaktiven Möglichkeiten für unsere Führungskräfte erhofft, mußten dann aber auch erkennen, daß unsere Führungskräfte zum Teil mehr konsumieren als aktiv Inhalte einbringen."

So begann ein mehrmonatiger Prozeß, in dem es für Imc hieß, Bausteine für die Belange der Nutzer maßzuschneidern und mit Hilfe der Internet-Technologie umzusetzen. Zu den abrufbaren Inhalten zählt nun eine Übersicht über Programme und Veranstaltungen, die die Firmenuniversität mit internationalen Business Schools wie Harvard in Boston, Insead in Fontainebleau und IMD in Lausanne organisiert. Dazu zählen aber auch die Strategiedialoge zu relevanten Themen wie der Post-Merger-Integration oder dem Value-based Management. "Dazu sollen bald Foren, Chats oder weltweit arbeitende Projektgruppen kommen", ergänzt Müller. Sein Traum: "Wenn sich jemand mit Logistikfragen und der Standortplanung für die Einrichtung einer Fertigung in China beschäftigt, können in den gelben Seiten der virtuellen Universität sehr schnell die richtigen Wissensträger identifiziert werden."

Daß dieser Traum schnell Wirklichkeit wird, dazu sind die ersten Schritte schon getan. Nach der intensiven Beratungsphase entwickelte Imc auch die komplexe Lern- und Wissensplattform und beschäftigt sich zur Zeit mit verschiedenen Business Schools mit neuen Fallstudien. Kraemer gibt dazu einen Ausblick: "Zur Zeit testen gerade rund 100 Personen die Anwendungen, von denen wir uns noch Anregungen und Erweiterungsvorschläge erhoffen. Im Anschluß daran soll die Zielgruppe Schritt für Schritt erweitert und ab Jahresanfang 2000 nach und nach den gesamten Führungskräften zur Verfügung gestellt werden."

Daß die "reale" Firmenuniversität durch ihre virtuelle Ergänzung einmal ganz abgelöst werden soll, steht für Projektleiter Müller nicht zur Debatte. "Wir brauchen auch in Zukunft die bewährte persönliche Kommunikation, in der das Kennenlernen der Führungskräfte möglich ist.

*Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal.