Grundwissen Arbeitsrecht, Teil 3

Wer ist Arbeitnehmer im juristischen Sinn?

18.02.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Wertende Gesamtbetrachtung

Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung entscheidet das Bundesarbeitsgericht, ob der betreffenden dem Typus des Arbeitnehmers oder des Selbstständigen zuzuordnen ist. Dabei haben nicht alle Indizien das gleiche Gewicht. Entscheidend ist für das Bundesarbeitsgericht die Einbindung in eine von einem Dritten bestimmte Arbeitsorganisation.

Für die Abgrenzung selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch die Art der Tätigkeit von Bedeutung sein. Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen, als bei gehobenen Tätigkeiten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend. Manche Tätigkeiten können nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienstverträge oder Werkverträge erbracht werden (beispielsweise Rechtsanwalt), andere regelmäßig nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen (beispielsweise Rechtsanwaltsfachangestellte).

Bezeichnung unerheblich

Es kommt nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechtes nicht eingeschränkt werden. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist in aller Regel die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung lässt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind.

Von praktisch größter Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und selbstständigem freien Mitarbeitertum im Arbeitsrecht für den Kündigungsschutz, darüber hinaus im Sozialversicherungsrechts für die Versicherungspflicht und die Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung sowie schließlich im Steuerrecht für die Lohnsteuer und die Haftung des Arbeitgebers auf nicht entrichtete Lohnsteuern. Sozialversicherungsträger und Finanzämter führen regelmäßig Außenprüfungen durch, die sich auch mit dem Status der Beschäftigten als Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter befassen.