Salesforce, Oracle oder IBM

Wer gewinnt den Kampf um das IT-Budget des CMO?

18.11.2013
Von 
Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Die Abkürzung "CMO" scheint in der IT-Welt seit kurzem jedem geläufig zu sein. Der "Chief Marketing Officer" hat auf jeden Fall einen festen Platz in den verschiedenen Hype-Cycle- und Trendmodellen erobert, denn: Er hat großes IT-Budget!
Kampf_16zu9_klein
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Foto: Nicholas Piccillo - Fotolia.com

Wenn auch einige der derzeit kursierenden Prognosen (der CMO hat in drei Jahren mehr IT-Budget zur Verfügung als der CIO ) wohl noch etwas zu optimistisch sind, muss klar festgestellt werden, dass die Marketing-Entscheider in den kommenden Jahren die IT-Strategie- und die IT-Beschaffung deutlich stärker prägen werden, als dies derzeit abzusehen ist. So liegen die Entscheidungen und auch die Budgethoheit bei den Themen

  • CRM & Sales Automation

  • eCommerce

  • Firmen-Homepage

  • mobile Websites & Apps

  • Online Werbung

  • Social Media

klar bei den Marketing- und Vertriebsentscheidern. In einer Welt, in der die Kundenbeziehungen inklusive Service und Support nahezu vollständig digitalisiert werden, zählen Marketing und Vertrieb zukünftig also zu den wichtigsten Kunden des CIO - und natürlich auch der Anbieter von Digital Marketing-Lösungen.

Kampf um die Vormachtstellung in der Digitalen Welt hat begonnen

In das Zukunftssegment Digital Marketing wird kräftig investiert: Google hat die meisten Firmen gekauft, SAP hat am meisten bezahlt.
In das Zukunftssegment Digital Marketing wird kräftig investiert: Google hat die meisten Firmen gekauft, SAP hat am meisten bezahlt.
Foto: Crisp Research

Die meisten der Top-Vendoren haben die strategische Relevanz dieses Trends erkannt und entsprechend gehandelt. Um das eigene Portfolio zu ergänzen und zu einer "Enterprise Digital Marketing Platform" auszubauen, haben IBM, Oracle, Salesforce und Co. hauptsächlich Unternehmen akquiriert - nur in Einzelfällen haben die großen Anbieter frühzeitig und erfolgreich in eigene Produkte und Services investiert. Der Wettbewerb um attraktive Zielunternehmen hat in den letzten 24 Monaten die Preise für Unternehmen im Segment "Digital Marketing" drastisch steigen lassen.

Nach Analysen von Crisp Research wurden allein von den sieben führenden Anbietern (Adobe, Google, IBM, Microsoft, Oracle, Salesforce, SAP) in den Jahren 2011bis 2013 insgesamt 42 Unternehmen im Bereich Digital Marketing übernommen. Der kumulierte Transaktionswert beläuft sich auf rund 17,6 Milliarden Dollar.

Das Marktsegment "Digital Marketing" ist sicher eine der Wachstumshoffnungen im heutigen IT-Markt. Dies erklärt zumindest die hohen Transaktionsvolumina. So zahlte beispielsweise Oracle im Dezember 2012 für den cloud-basierten Marketing Automation Provider Eloqua stolze 810 Millionen Dollar. Salesforce gab im Juni 2013 für Exacttarget rund 2,5 Milliarden Dollar aus - und das bei einem Umsatz von rund 380 Millionen Dollar. Die durchschnittliche Transaktionssumme bei den 42 Transaktionen der sieben Top-Anbieter lag immerhin bei knapp 420 Millionen Dollar - eine gute Zeit für Venture Capital Investoren mit entsprechenden Unternehmen im Portfolio.

Die richtige M&A-Strategie - über Timing, Portfolio-Fit und Integration

Bei einem zweiten Blick auf die Übernahmeaktivitäten stellt sich heraus, dass die Käufer nicht nur aus sehr unterschiedlichen Marktsegmenten stammen, sondern auch sehr unterschiedliche Akquisitionsstrategien verfolgen. So nähert sich Abobe aus dem Bereich des Web Experience Managements, Google baut seine Online Werbeaktivitäten aus, während Oracle und Salesforce jeweils ihr CRM-Portfolio um Marketing Automation und Social Marketing erweitern.

Auch haben die großen Player sehr unterschiedliche Einstiegszeitpunkte gewählt. Während IBM die Zeichen der Zeit früh erkannt und schon 2010 in die Marketing Automation-Firmen Unica und Core Metrics investiert hat, haben Microsoft (MarketingPilot) und Salesforce (Buddy Media, Exact Target) erst in 2012 beziehungsweise 2013 ihre maßgeblichen Akquisitionen getätigt. Und gemessen am Umsatz auch mehr gezahlt.

Erfolgsrelevant sind aber nicht nur die Einstiegspreise in den gerade expandierenden Markt. Viel wichtiger sind die Gestaltung der Post-Merger-Phase und die Integration in das bestehende Portfolio und die Technologien der großen Käufer. Denn nur wenn sich die CRM- und eCommerce-Module mit den neuen Marketing-Automation und Social-Marketing-Lösungen gut verbinden und die Daten problemlos migrieren und anbinden lassen, können die neuen Digital-Marketing-Plattformen wirklichen Nutzen stiften. Und hier ist bei den meisten Anbietern noch viel zu tun. Auch wenn man ehrlicherweise sagen muss, dass viele der akquirierten Lösungen bereits akzeptable Schnittstellen mitbringen - oder auch teilweise im Stand-alone-Modus funktionieren. Aber dies darf für den ambitionierten CMO und CIO natürlich keine Langfrist-Strategie sein.

Gemessen an den Transaktionsvolumina liefern sich Oracle (neun Übernahmen für 4,1 Milliarden Dollar) und Salesforce (vier Übernahmen für 3,6 Milliarden) ein Wettrennen um die besten Übernahmekandidaten. Beide verfolgen in den letzten 24 Monaten eine sehr aggressive aber auch erfolgreiche M&A-Strategie im Bereich "Digital Marketing". Auf den ersten Blick führt zwar SAP mit einem Akquisitionsvolumen von 5,6 Milliarden Dollar - davon entfallen aber rund 4,5 Milliarden Dollar auf die Übernahmen von Ariba, deren hauptsächlichen Umsätze dem B2B-eCommerce und -Procurement zuzurechnen sind. So hat sich SAP mit dem Kauf von Ariba und Hybris zwar im Bereich eCommerce und Multi-Channel-Commerce gut aufgestellt, aber bisher keine Zukäufe im Bereich Marketing-Automation und Digital-Marketing realisiert. Und hier ist das Angebot an attraktiven Übernahmekandidaten mittlerweile recht eng geworden.

Aus dem Rahmen fallen in der Gesamtschau Google und Microsoft. So hat Google insgesamt 16 kleinere Firmen beziehungsweise Startups mit sehr unterschiedlichen Services akquiriert, ohne dabei einen wirklich relevanten Player im Bereich Marketing Automation zu kaufen und zu integrieren. Microsoft dagegen hat in den vergangenen drei Jahren in nur zwei Unternehmen (Netbreeze und Marketingpilot) in diesem Bereich investiert. Eine Entscheidung, die es Microsoft in den kommenden Jahren schwer machen wird, sich als Komplettanbieter beim CMO zu positionieren.

Anbieter mit einem kompletten "Digital-Marketing"-Portfolio

Um als Anbieter für Digital Marketing-Lösungen für große Unternehmen zukünftig interessant zu sein, sind folgende Kriterien entscheidend:

  • Komplettes Portfolio (siehe Abbildung).

  • Hoher Integrationsgrad der einzelnen Module und Services.

  • Bereitstellung in hybriden Betriebskonzepten (Kombination von Cloud- und On-Premise).

  • Erfahrung und Transformations-Know-how auf Hersteller- und Partnerseite.

Hinsichtlich Portfolioabdeckung geben Salesforce, Oracle und IBM den Takt vor, wenngleich kein Unternehmen ein komplettes Angebote bereitstellen kann.
Hinsichtlich Portfolioabdeckung geben Salesforce, Oracle und IBM den Takt vor, wenngleich kein Unternehmen ein komplettes Angebote bereitstellen kann.
Foto: Crisp Research


Nach aktuellem Stand sind bisher nur wenige Anbieter in der Lage, den Anwendern für die komplette Bandbreite des Digital Marketing eigene Lösungen bereitzustellen. Hinsichtlich der Portfolioabdeckung geben derzeit Salesforce, IBM und Oracle den Takt im Markt an. Aber auch hier sind in Sachen Integration der größtenteils zugekauften Lösungen noch einige Schritte bis hin zu vollintegrierten und automatisierten "Enterprise Digital Marketing Platforms" zu gehen.

Interessant wird in den kommenden zwölf bis 18 Monaten zu beobachten sein, ob sich eher die Akteure aus dem Lager der Public Cloud (Salesforce und Google) oder die klassischen Enterprise-Softwarehersteller wie Oracle und IBM durchsetzen. Letztgenannte haben den Vorteil, ihren Kunden hybride Betriebskonzepte anbieten zu können. So können beispielsweise eCommerce oder CRM in einer Private Cloud betrieben aber die angeschlossenen Social Marketing und Marketing-Automation-Services aus der Public Cloud geliefert werden. Denn in diesen Lösungsbereichen, machen lokale Implementierungen mittlerweile so gut wie keinen Sinn mehr.

Nach Einschätzung von Crisp Research wird Google in den kommenden zwölf bis 24 Monaten weiter in die Bereiche Content Marketing, Social Marketing und Marketing Automation vorstoßen. Dies ist von Nöten, um Wachstumspotenziale außerhalb der klassischen Suchmaschinen- und Display-Werbung zu erschließen. Zudem wird es für Google entscheidend sein, noch näher an den CMO als obersten Entscheider heranzurücken - und diesem nicht "nur" Suchwort-Marketing und Bannerwerbung anzubieten.

Microsoft hat zwar mit der Ausgliederung seines Commerce-Servers einen Trumpf aus der Hand gegeben und verfügt somit über keine eigene eCommerce-Lösung mehr. Die Akquisition von MarketingPilot in Kombination mit der neuen Version von Dynamics CRM bietet für Microsoft Partner jedoch eine gute Basis, um für Kunden integrierte und automatisierte Marketing- und Vertriebsprozesse zu implementieren - sofern diese die Möglichkeiten auch nutzen.

Zwar ist die Akquisition von Neolane durch Adobe noch recht frisch (Juni 2013) und die Integration noch lange nicht abgeschlossen. Dennoch spielt Adobe damit in der Top-Liga um die Gunst der CMOs mit. Die vielfältigen Lösungen und Services zur Optimierung von Webauftritten, mobilen und interaktiven Apps (Web Experience Management) und dem Management von digitalen Marketingkampagnen (Omniture) machen Adobe zum "Creative Leader" in der Gruppe der führenden Digital Marketing Softwareanbieter. Die Story und Möglichkeiten sind im deutschsprachigen Raum bisher nur wenigen IT- und Marketingentscheidern bekannt - viel zu tun also für die Erfinder des PDF-Reader und der Macromedia-Familie.

Ausblick - Wer hat in 2014 die Nase vorn?

Ein Enterprise Marketing Plattform umfasst umfangreiche. Funktionen.
Ein Enterprise Marketing Plattform umfasst umfangreiche. Funktionen.
Foto: Crisp Research

In den kommenden zwei Jahren erwartet Crisp Research auch im deutschsprachigen Markt einen deutlichen Sprung hinsichtlich der Anzahl und des Volumens der Projekte im Bereich Marketing Automation, Multi Channel eCommerce und Social Marketing. Größere Unternehmen justieren derzeit ihre Digital-Business-Strategien neu und entwickeln dabei auch erstmals durchgängige IT-Betriebs- und Sicherheitskonzepte für die zugrundliegenden IT-Infrastrukturen. Das ist jedenfalls ein großer Fortschritt. Die Relevanz des Themas wurde erkannt. eCommerce und digitales Marketing sind nicht mehr die Stiefkinder des CMO, der sich lieber auf die Gestaltung ganzseitiger Print-Kampagnen konzentriert. Tech is King! Und dies wird in den kommenden fünf Jahren auch so bleiben. Welcher der Anbieter sich zum Liebling der CMOs macht, untersucht Crisp Research derzeit in einem großangelegten Research-Projekt, dessen Ergebnisse Anfang 2014 vorgestellt werden (jha)