Wenn's hinten und vorne nicht passt

18.02.2004
Von Wolf-Rüdger Bretzke

Zum anderen ist es in einer wettbewerbsgetriebenen Gesellschaft mit wechselnden Wertschöpfungspartnern kaum möglich oder sinnvoll, überall das gleiche Integrationsniveau anzustreben. So wird nicht jeder Zulieferer dem Endfertiger die eigene Fertigungskapazitäten detailliert preisgeben wollen, auch wenn dies im Hinblick auf eine engpassorientierte Optimalplanung sinnvoll wäre. Zu groß ist die Angst, dass dieses Wissen bei Preisverhandlungen missbraucht werden könnte. Somit sind der Supply-Chain-Planung enge Grenzen gesetzt. Das Risiko verborgener Engpässe auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen bleibt also prinzipiell erhalten.

SCEM-Konzepte setzen genau an diesem Punkt an. Getrieben von der Erkenntnis, dass selbst hochmoderne APS nicht auf jede Störung mit einer Neuplanung der Ressourcen reagieren können, bilden sie einen zur Planung komplementären Ansatz. Sie ersetzen die Ressourcensicht im Sinne eines "Constraint-based Planning" durch die Prozesssicht: Dadurch, dass der Prozess beherrschbar wird, lässt sich auch die Reaktionsfähigkeit auf Planungsfehler verbessern.

Visibilität bedeutet hier nicht die Offenlegung zugeordneter Ressourcen, sondern das Wissen über den Prozessfortschritt innerhalb der Leistungserstellung - Abweichungen eingeschlossen. Eine Grundvoraussetzung für die Messung dieses Fortschritts ist allerdings die Fähigkeit der Prozesskette, Statusmeldungen zu generieren.

Von der Statusmeldung zum Event

Dazu ein Beispiel: Für die Veredelung von Blechen stellt der Zulieferer vor Schichtbeginn Vormaterialien (Rohbleche) bereit, die im Rahmen der industriellen Fertigung dem Teilprozess "Oberflächenbehandlung" zugeführt werden. In dieser Wertschöpfungskette lassen sich an zwei Stellen Statusmeldungen generieren: als Fortschrittszahlen in der Produktion und in Form von Tracking-and-Tracing-Signalen auf Seiten des Zulieferers.

Informationstheoretisch betrachtet, reduziert jede Statusmeldung die Unsicherheit auf dem Weg der Leistungserfüllung - auch dann, wenn sie im Hinblick auf die Zielerreichung den Erwartungen entspricht. Das Tracking-Signal, durch das der LKW permanent seine Geoposition aktualisiert, erhöht mit jedem gefahrenen Kilometer die Gewissheit, dass die Ladung ihr Ziel planmäßig erreichen wird. Dasselbe gilt für die Meldung des Produktionsfortschritts an den Leitstand: Es hätte ja auch anders kommen können!