Vom Ausland ins Abseits

Wenn Rückkehrer keinen Anschluss finden

22.02.2002
MÜNCHEN - Misslungene Repositionierung, Neid der Kollegen und Gehaltseinbußen erwarten viele Mitarbeiter, wenn sie von einem Auslandseinsatz in das Unternehmen zurückkehren. Nur die wenigsten Expatriates haben klare Vorstellungen, wie sie die Wiedereingliederung meistern und aus ihrem Erfahrungsschatz für sich und die Firmen Kapital schlagen können. Von CW-Mitarbeiterin Katja Müller

Hartwig Steusloff, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Informations- und Datenverarbeitung IITB in Karlsruhe, hat ein Problem: Einer seiner Mitarbeiter nahm vor zwei Jahren einen Lehrauftrag an einer brasilianischen Universität an. Das immense Arbeitspensum ließ dem Wanderarbeiter kaum Zeit für Forschungsarbeiten, und mit der einschlägigen Literatur, die ihm das Institut sandte, konnte er seine fachlichen Defizite nicht ausgleichen. "Wir haben ihn gewarnt, als er wegging, aber er wollte einmal etwas anderes machen", erzählt der Professor. Zuvor arbeitete der Mitarbeiter im Bereich Softwareverfahren zur Produktionssteuerung. Um riesige Textilballen in einem mehrschrittigen Prozess zu färben, entwickelte er mit seinen Kollegen ein komplexes Rechenprogramm. Doch jetzt - nach zwei Jahren Auszeit vom Projekt - verfüge der Mitarbeiter nur noch über das methodische Rüstzeug. "Er kann dort nicht mehr einsteigen, und wir haben im Moment kein Projekt, wo wir ihn einsetzen können", klagt Steusloff.

Schwierigkeiten ergeben sich häufig bei der Reintegration sogenannter Expatriates. Programme, die die Mitarbeiter auf das Ausland vorbereiten, gibt es zuhauf. Schließlich legen international agierende Firmen großen Wert darauf, dass fähige Mitarbeiter sich auch in der ausländischen Niederlassung beweisen - eine Etappe, die auf dem Weg zur Führungsposition für angehende Manager oft Pflicht ist. Ein solcher Auslandseinsatz wird meist auch mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung und Erweiterung der Verantwortung der Aufgaben schmackhaft gemacht. Anders sieht es aus, wenn die Kandidaten zurückkehren. Nur selten denken die Unternehmen daran, Maßnahmen zur Wiedereingliederung zu bieten. Die Expatriates merken, wie wenig Interesse die Verantwortlichen an ihren neuen Erfahrungen haben. Durch den Auslandseinsatz erworbene Fähigkeiten werden in den oft starren Strukturen der Firma meist als störend empfunden. Dem Rückkehrer eine Stelle zu besorgen, auf der er seine gewonnenen Kenntnisse einsetzen kann, gelingt ebenfalls nur in den seltensten Fällen. Zudem denkt kaum ein Personalverantwortlicher daran, dass sich neben dem Entsandten auch die Firma und deren wirtschaftliche Situation innerhalb von zwei, drei Jahren komplett verändern können.

Aber der Rückkehrer muss noch mit anderen Problemen rechnen, auf die er möglicherweise keinen Einfluss hat. So bot die Stuttgarter Unilog Integrata AG ihrem Manager Eddi Storz an, für zwei Jahre nach Paris zu gehen. Er sollte dort für die Integrata Training AG, die vor vier Jahren von der französischen Unilog aufgekauft wurde, eine Firmenuniversität aufbauen sowie die Vertriebs- und Produktentwicklungsorganisation europäisch ausrichten. Als der Manager nach einem halben Jahr Paris in großen Projektschwierigkeiten steckte, bürdete ihm ein Kollege aus Deutschland bewusst noch mehr Aufgaben auf. Storz gelang es trotzdem, das Projekt durchzuziehen. Die Missgunst einiger Kollegen spürte er aber auch nach seiner Rückkehr.

Gehaltseinbußen in DeutschlandDass sein deutsches Gehalt nach seiner Rückkehr um die Incentives gekürzt wurde, schmerzt Storz dagegen nur wenig: "Die meisten Entsandten wissen, dass die Auslandszulagen an das entsprechende Land gekoppelt sind und zu Hause automatisch wegfallen." Ganz so problemlos sieht Eberhard Schenk des Kölner Trainingsanbieters Carl-Duisberg-Centren den Wegfall der Zulagen jedoch nicht. Dem in Deutschland am meisten praktizierten Gehaltsmodell für Expatriates, dem "Home-Country-Approach", liegt das ursprüngliche Salär des Mitarbeiters zugrunde. Dazu kommen Verpflegungsmehraufwand oder Boni und Prämien. Arbeitet der Expatriate allerdings in einem Niedriglohnland, wo die Lebenshaltungskosten deutlich geringer ausfallen, kann er einen Lebensstandard führen, der ihm nach seiner Rückkehr nach Deutschland nicht mehr möglich ist. Hier verfügt der Expatriate über weniger Kaufkraft und ist eventuell unzufrieden.

Die weniger populäre Methode, "Host-Country-Approach", legt das Vergütungssystem des ausländischen Arbeitgebers zugrunde. Große Differenzen zwischen den Salären in Deutschland und dem Ausland werden mit Hilfskonstruktionen wie Zusatzgehältern ausgeglichen. Mischmodelle, die das Gehaltsniveau vor Ort wie die Vergütung im Heimatland berücksichtigen, sind laut Schenk nicht vorteilhaft. "Die Unternehmen sind immer in der Zwickmühle. Deshalb ist es am besten, individuelle Gehaltsmodelle zu entwickeln", rät der Experte. In jedem Fall sollte das Unternehmen mit dem Mitarbeiter schon während der Vorbereitungsphase für den Auslandsaufenthalt über eventuelle Gehaltseinbußen nach der Rückkehr sprechen. Auch die von den Firmen beauftragten, externen Trainer müssten diese Themen in ihre Seminare einbeziehen.

Hätte Unilog seinem Mitarbeiter Storz einen solchen Kurs angeboten, hätte er jedoch abgelehnt: "95 Prozent der Anbieter von interkulturellen Trainings sind schwarze Schafe", sagt der Manager. So seien die Maßnahmen oft nicht an die Arbeitssituationen gekoppelt und dadurch zum Scheitern verurteilt. "Grundlegende Kenntnisse über Land und Leute sind zwar notwendig, aber dabei darf es nicht bleiben." Thomas Schifferdecker, Geschäftsführer des Essener Expatriates Consult & Relocation Service (ECR), sieht die aktuelle Situation aus dem Blickwinkel des Seminaranbieters: "Ob Auslandsvorbereitung oder Reintegration - bevor das Unternehmen überhaupt nichts unternimmt, ist es besser, den Mitarbeiter in eines unserer Coachings zu schicken." Nicht jede Firma sei bereit, sich bei der Reintegration zu engagieren oder sogar Einblick in die Business-Strategie zu geben. Letzteres wäre aber für eine fundierte Vorbereitung auf den Auslandseinsatz notwendig.

Die schwierige Situation für Expatriates lasse sich auch an einer Studie aus dem Jahr 1999 festmachen, wonach in den USA 75 Prozent der Rückkehrer ihre Firma verließen, erläutert der ECR-Chef. Seitdem habe sich nicht viel geändert, im Gegenteil: Die derzeitigen Konsolidierungen in den Unternehmen verringern den Spielraum für Reintegrationsprozesse, so dass die Anzahl der hilfesuchenden Expatriates steigt. "In der letzten Zeit kommen immer mehr Rückkehrer ohne Wissen ihrer Firma auf uns zu, weil sie Unterstützung brauchen", beobachtet Schifferdecker. Unternehmen und ihre Entsandte mit etwa dreijährigem Auslandsaufenthalt sollten ein Jahr vor der Rückkehr mit Vorbereitungen beginnen. "Firmen-Newsletter lesen, E-Mails nach Hause schreiben sowie Kontakt zu den Kollegen herstellen - das muss in diesem Zeitraum aufgebaut und intensiviert werden, sonst droht der zweite Kulturschock".

Unternehmen wie Bosch oder BMW, die ausgefeilte Wiedereingliederungsprogramme entwickeln, sind immer noch die Ausnahme. So gibt der bayerische Autobauer seinen Expatriates beispielsweise ein Return-Ticket mit auf den Weg, mit dem sie nach ihrer Rückkehr einen Anspruch auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen anmelden können. Mit Hilfe "jährlicher Reintegrations-Szenarien-Gespräche" sowie Mentoren wird der Kontakt zwischen Entsandten und Unternehmen aufrechterhalten. Eine Maßnahme, die noch aus der Zeit der Rover-Übernahme herrührt. Eine Garantie auf den früheren Job bedeutet das Ticket jedoch nicht, denn das läge weder im Interesse des Unternehmens noch der Arbeitnehmer, erklärt eine Firmensprecherin.

Davon, dass Auslandserfahrungen zwar hilfreich, aber schon lange keine Garantie mehr für eine Repositionierung oder sogar den Aufstieg im Unternehmen sind, ist Schifferdecker überzeugt. Andreas Bittner, Leiter des Instituts für Interkulturelles Management (IFIM), Rheinbreitbach, geht noch einen Schritt weiter: "Kaum eine Personalabteilung wird sich heute noch zu verbindlichen Aussagen über die Repositionierung des Rückkehrers bereit finden. Niemand kann garantieren, dass es die versprochene Position in ein paar Jahren noch gibt." Zudem vergrößerten sich die Probleme der Reintegration, je höher der Mitarbeiter in der Hierarchie des Unternehmens stehe. Schließlich sei aber auch der fehlende Kontakt oft Ursache für Schwierigkeiten, Expatriates gut unterzubringen: "Es liegt doch nahe, dass sich ein Fachvorgesetzter im Inland lieber für einen Inlandsmitarbeiter entscheidet, den er kennt, als für einen Rückkehrer, der ihm von der Auslandspersonalabteilung empfohlen wird", so Bittner.

Aber auch diese Schwierigkeiten ließen sich reduzieren, erklärt der Institutsleiter. Wie bei BMW sollten die Unternehmen beginnen, ein Mentorensystem einzurichten, in dem der Betreuer zum Auslandsmitarbeiter Kontakt hält, über Veränderungen im Stammhaus informiert und in einigen Fällen sogar für die Wiedereingliederung des Rückkehrers verantwortlich ist. Dass dieser zwangsläufig Wissensdefizite aufweist, die ihm in einigen Firmen als persönliches Manko ausgelegt werden, zeigt, wie schwer es manchen Verantwortlichen fällt, mit der Situation der Expatriates umzugehen, und welche Ressourcen verschenkt werden. "Die Unternehmenszentrale müsste sich glücklich schätzen, mit dem Rückkehrer einen Mitarbeiter zu erhalten, der über ein paar verlässliche Beziehungen in das Partnerland verfügt", konstatiert Bittner.

Auch Cornelia Martin, Unternehmensberaterin und Autorin, verweist in ihrem Fachbuch "Interkulturelle Kompetenzen und deren Vermittelbarkeit durch Repatriates", erschienen im Rainer Hampp Verlag, (29,65 Euro), auf die exklusiven Fähigkeiten der Rückkehrer. Diese Mitarbeiter kämen nicht zuletzt auch als Trainer für künftige Expatriates in Frage. "Der Entsandte kennt die betrieblichen Zusammenhänge und zugleich die typischen Problembereiche im Gastland. Damit kann er den Qualifizierungsbedarf besser beurteilen als ein externer Coach", sagt Martin. Inwieweit die oft in Führungspositionen tätigen Rückkehrer Zeit für solche Trainingsmaßnahmen finden, muss sich in jedem Unternehmen individuell entscheiden.

Arbeitsrecht: Das Wichtigste in KürzeNach Einschätzung des Rechtsanwalts Alfred Gerauer, Pocking, wählen die meisten Unternehmen bei einem mittelfristigen Auslandseinsatz ihrer Mitarbeiter die Form der Delegation oder Entsendung. Der Arbeitnehmer unterschreibt danach keinen eigenständigen Arbeitsvertrag mit der ausländischen Niederlassung. Er schließt lediglich eine Zusatzvereinbarung über die Entsendung ab. Der Arbeitgeber ist dem Entsandten gegenüber verpflichtet, die Dauer der Tätigkeit im Ausland, die Währung des Gehalts, zusätzliche Geld- und Sachleistungen sowie die Rückkehrmodalitäten festzuschreiben, wenn sich dieser länger als einen Monat im Ausland aufhält (Paragraf 2, Absatz 2 Nachweisgesetz). Der Fachanwalt für Arbeitsrecht empfiehlt Delegierten, auf die Reentry-Garantie oder Weiterverwendungsklausel zu bestehen. Hier sollte mindestens Position und Gehaltsgruppe festgelegt werden, die der Mitarbeiter vor dem Auslandseinsatz hatte. Lässt sich das Stammhaus darauf nicht ein, kann auch eine vertraglich fixierte Abfindung in den Zusatzvertrag aufgenommen werden.