Der Telefax-Markt und seine Besonderheiten:

Wenn der Staat der größte Konkurrent ist

18.04.1980

Fernkopieren - das Übermitteln stehender Bilder, textlicher sowie graphischer Art, über gewöhnliche Telefonleitungen - ist in die Kategorie moderner Kommunikationsmittel wie Telefon, Fernschreiben und Datenübermittlung einzureihen. Fernkopiergeräte werden bereits seit einigen Jahren in der Bundesrepublik angeboten. Hiermit wird dem ständig wachsenden Kommunikationsbedürfnis der Anwender nachgekommen, dem steigende Kosten für Postabfertigung und Postbeförderung gegenüberstehen. Diese Situation macht den Fernkopiermarkt zu einem beratungsintensiven Geschäft. Der Anwender bedarf nicht mehr nur der Versorgung mit dem Übermittlungsmedium wie bei Telefon oder Telex, sondern verlangt vom Anbieter maßgeschneiderte Lösungen für Kommunikationsprobleme.

Bisher ist jedoch dem Fernkopieren der von verschiedenen Institutionen und Unternehmen prognostizierte Durchbruch nicht gelungen. Dies ist einerseits der großen Verbreitung des Fernschreibens - die Bundesrepublik besitzt das dichteste Telexnetz der Welt mit rund 120 000 Anschlüssen - andererseits der Inkompatibilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller, die lange Zeit bestand und zum Teil noch heute gegeben ist, zuzuschreiben. Mit letzterem Problem hat sich das CCITT - der Dachverband aller nationaler Postverwaltungen - befaßt, indem es Empfehlungen herausgegeben hat, nach denen die Fernkopierer in drei untereinander kompatible Gerätegruppen unterschieden werden (Tabelle). Momentan sind in der Bundesrepublik lediglich etwa 15 500 Fernkopierer der Gruppen 1 (rund 12 000), 2 (rund 3000) und 3 (rund 500) installiert.

Von der Einführung des offiziellen Telefaxdienstes seitens der Deutschen Bundespost am 1. 1. 1979 erhofften sich alle Beteiligten belebende Impulse für den Fernkopiermarkt. Die DBP kreierte als erste Postbehörde der Welt einen Dienst, der sich in dieser Art mit dem Fernkopieren befaßt. Das Dienstleistungprofil "Telefaxdienst" umfaßt Telefaxverzeichnis, Auskunftdienst, Garantie der Leitungsqualität, Entstördienst und Testmöglichkeit. Der Telefaxdienst gewährleistet weiterhin die Kompatibilität unter allen Teilnehmern, da vorerst nur Fernkopierer der CCITT-Gruppe 2 als Telefaxgeräte zugelassen werden. Bisher sind rund 3000 Fernkopierer im Telefaxdienst angeschlossen (Abbildung).

Auch hier haben verschiedene Anlaufschwierigkeiten die Realisierung optimistischerer Prognosen verhindert.

Zehn Anbietern ist es bisher gelungen, mit sieben unterschiedlichen Modellen die Hürden der Zulassung beim Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) zu nehmen. Hierbei hat sich als besonders problematisch erwiesen, daß das FTZ als Zulassungsvoraussetzungen zusätzliche deutsche Standards fordert, die von internationalen Normen abweichen und nach Meinung der Hersteller nicht unbedingt für eine ordnungsgemäße Funktion notwendig sind. Dies führt im Extremfall dazu, daß international tätige Unternehmen voneinander abweichende Geräte für den Telefax-Markt in der Bundesrepublik und den internationalen Fernkopierermarkt anbieten müssen. Auf jeden Fall wird durch eine solche Zulassungspolitik die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht gefördert.

Um Anteile am Telefax-Markt bemühen sich Anbieter von Büromaschinen oder nachrichtentechnischen Anlagen sowie die Deutsche Bundespost. Aus der Beteiligung der DBP am Endgerätemarkt für den Telefaxdienst ergibt sich durch die Verzahnung hoheitlicher und unternehmerischer Tätigkeiten eine problematische Situation.

Einerseits nimmt die Bundespost die Hoheitsrechte des Bundes für das Fernmeldenetz wahr. Hierbei handelt es sich um ordnungspolitische Tätigkeiten wie Zulassung, Kontrolle und Bereitstellung des Leitungsnetzes. Andererseits beteiligt sich das Unternehmen Bundespost am Endegerätemarkt mit dem Argument, eigene betriebliche Erfahrungen sammeln zu müssen. Die Bundespost tritt

entsprechend als Zulassungsbehörde, Netzträger und Anbieter auf. Sie bietet im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern "alles aus einer Hand" (Post-Werbeslogan) und ist damit im Wettbewerbsvorteil.

Die Bundespost als öffentlich rechtliches Unternehmen unterscheidet sich von den übrigen Mitbewerbern durch ihre langfristig auf Kostendeckung ausgerichtete Mischkalkulation, die es ihr ermöglicht, defizitäre Untemehmensbereiche durch im internationalen Vergleich überteuerte Bereiche zu subventionieren. Sie ist nicht wie Privatunternehmen gezwungen, eine Einzelkalkulation zu erstellen, die kurz- beziehungsweise mittelfristige Erlöse garantiert. Vielmehr ist sie in der Lage, auf dem Endgerätemarkt ohne Mindestüberlassungsdauer mit Niedrigstpreisen zu arbeiten.

* Günter Neumann, Fachbereichsressort Vetrieb und Marketing, Kopier- und Kommunikationssysteme der Olympia Werke AG, Wilhelmshaven