Anwender des Jahres: Berliner Stadtreinigungsbetriebe

Wenn der Kunde einmal klingelt

17.11.2005
Wissen ist Macht - der Ausspruch stammt von Francis Bacon. Warum Wissen auch ein Geschäftsmodell zur Kundenbindung darstellt, können die IT-Experten der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) ganz genau erklären.

Mit ihrem Projekt "Reorganisation des Kundenbetreuungsprozesses" haben die IT-Fachleute der BSR um ihren CIO Martin Urban das gesamte Wissen um und über ihre Kunden quasi an vorderster Front ihres Unternehmens konzentriert.

Seit Martin Urban (Mitte), Uwe Hofmann (links), Christian Barthélémy und ihr Team in der BSR-IT ein Großreinemachen veranstalteten, können 3,5 Millionen Berliner mit dem Entsorger ganz unkompliziert reden.
Seit Martin Urban (Mitte), Uwe Hofmann (links), Christian Barthélémy und ihr Team in der BSR-IT ein Großreinemachen veranstalteten, können 3,5 Millionen Berliner mit dem Entsorger ganz unkompliziert reden.

An dieser Stelle, nämlich dem Frontend des zentralen Helpdesks der BSR, können jetzt deren Mitarbeiter jedem Anrufer aus der deutschen Bundeshauptstadt genau sagen, warum es etwa bei der Müllentsorgung an einem bestimmten Wochentag zu einer bestimmten Uhrzeit zu Problemen gekommen ist. Manchmal können die BSR solche Informationen sogar schon geben, bevor ihre Kundschaft gemerkt hat, dass sie vielleicht Grund für eine Beschwerde hat. Heute muss ein BSR-Kunde nur noch einmal anrufen, um von einem Mitarbeiter im Helpdesk der Anstalt öffentlichen Rechts punktgenau informiert zu werden. So viel Kundennähe gab es früher nie. Und Kunden hat die BSR viele: Zur Klientel gehörenHausverwaltungen genauso wie Wohnungs- und Hausbesitzer, letztlich sogar viele Mieter in der 3,5-Millionen-Stadt.

Außerdem stellen die BSR ihren größeren Kunden Abfallwirtschaftsdaten in einer Form zur Verfügung, die diese direkt in ihre hausinternen Informationssysteme einfließen lassen können. So werden beispielsweise die Abrechnungsdaten der BSR-Entsorgungsleistungen in einer Weise elektronisch aufbereitet, die eine effiziente Weiterverarbeitung bei den Großkunden ermöglicht. Konkret bedeutet dies: Aufgrund der durch die BSR gelieferten Daten können die Betriebskosten bei den Wohnungs- und Hausverwaltungsgesellschaften deutlich schneller abgerechnet werden.

Wie alles anfing

Geboren wurde das Projekt aus dem Chaos. Die kaufmännischen Kernprozesse des Unternehmens auf Basis eines ERP-Systems waren, wie Insider höflich ausdrückten, suboptimal. Erratische Einzelprojekte, die dem Missstand ein Ende zu bereiten versuchten, hatten ins Leere geführt. Ein Machtwort aus der Vorstandsetage entschied dann, dass Abhilfe her müsse - und das im großen Stil. Das war der Anfang von Urbans Tätigkeit als Verantwortlicher für die BSR-IT vor drei Jahren.

In der Folge haben Urban und seine Crew die kaufmännischen Kernprozesse der BSR völlig neu definiert. Gleichzeitig nutzten sie die Gelegenheit, um das alte ERP-System, das aus dem Jahr 1997/98 stammt, weitgehend zu modernisieren.

Berliner Stadtreinigungsbetriebe

Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe sind einer der größten kommunalen Entsorger Europas.

  • Umsatz 2004: 445 Millionen Euro;

  • Anzahl Mitarbeiter 2004: 5954;

  • Anzahl IT-Mitarbeiter 2004: 37.

Die BSR schufen im Rahmen dieses Projekts eine für die Entsorgungswirtschaft bemerkenswerte, hoch integrierte IT-Lösung. Dabei verschmolzen sie die aktuellste Version der SAP-Branchensoftware "Waste and Recycling" mit der bestehenden Mysap-Enterprise-Landschaft. Sagt Urban: "Die Integration der SAP-Branchenlösung Waste and Recycling mit Mysap-CRM 4.0 als Frontend ist in dieser Form noch in keinem anderen Projekt realisiert worden."

Als Frontend für kundenorientierte Prozesse setzen die BSR das aktuelle Mysap-CRM-System, Version 4.0, ein. Dabei mussten sie - ebenfalls im Rahmen des Gesamtprojekts - zunächst einen Release-Wechsel von SAP 4.6c auf Mysap Enterprise 4.70 vornehmen. Nur so ließ sich die Integration der anderen Lösungsbestandteile im jeweils aktuellsten Release-Stand ermöglichen.

Für die logistischen Prozesse wurde eine Telematiklösung unter Einsatz von GPS-, GSM- und WLAN-Techniken eingebunden. "Das ist ein technisches Highlight unserer Lösung. Die BSR müssen ja gemäß der Verkehrswegeversicherungspflicht im Winterdienst minutengenau nachweisen, wo sie gestreut haben. Da wurden früher Bücher drüber geschrieben, wann wo wie viel gestreut wurde", erklärt Urban. Heute geschieht das auf Basis von GPS. Die Fahrtroute hält ein Navigationssystem fest, am Streuer wird genau die Streumenge abgelesen. Die Daten lassen sich über WLAN-Anbindung in das System einspeisen.

Projektsteckbrief

Die Reorganisation der Kundenbetreuung dauerte zwei Jahre. Die wesentlichen Technologien des BSR-Projekts sind:

Die wesentlichen Technologien des BSR-Projekts sind:

  • "Mysap Enterprise" (alle betriebswirtschaftlichen Standardprozesse);

  • "Mysap CRM" (integriertes Frontend für alle kundenspezifischen Prozesse);

  • SAP-Branchenlösung "Waste and Recycling" (Standardprozesse der Entsorgungswirtschaft);

  • "AWision" (eine SAP-basierende Eigenentwicklung zur Abbildung entsorgungsspezifischer Logistikprozesse wie etwa Container- und Winterdienst, Waageanbindung von Deponien, gesetzlich gefordertes Entsorgungsnachweisverfahren, Tourenplanung und Routenoptimierung etc.);

  • "Mysap BW" 3.5(Schwerpunkt Reporting, Data Mining);

  • Open-Source-Portal "Apache Axis" als B-to-x-Lösung (Auskunfts- und Transaktionsfunktionen);

  • Telematiklösung unter Einsatz von GPS/GSM/WLAN-Techniken (Container- und Winterdienst, Übermittlung von Tour- und Leistungsdaten an Fahrzeuge und Rückmeldung nach Leistungserbringung sowie Tourenoptimierung).