Neuronales Netz

Wenn das System die Nachricht versteht

08.10.2013
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Beziehungen statt Wortklauberei

Aber das ist noch nicht alles. Clueda arbeitet - gemeinsam mit den Spezialisten der Baader Bank - an einer weit interessanteren Entwicklung: Der "Clueda.ResearchClient" soll erkennen, was eine Nachricht für das betroffene Unternehmen und seine Aktien tatsächlich "bedeutet". Die Software zählt also keine Wörter, sondern zerlegt Sätze in ihre Bestandteile, kategorisiert diese und stellt Beziehungen her.

"Herkömmliche Concurrency-Systeme machen Fehler, beispielsweise wenn Begriffe im Zusammenhang mit Negationen auftauchen", so Stümpflen. Sätze wie "Unternehmen A, B und C haben gute Gewinne gemacht, Konkurrent D aber nicht", könnten diese Systeme nicht sauber interpretieren, sie würden im Zweifelsfall aus der räumlichen Beziehung von C und D folgern, dass es D ebenfalls gut gehe. Die Clueda-Software hingegen sei in der Lage, die Negation zu erkennen.

Immer nah am User

Sogar Satzzeichen könne das Program interpretieren, ergänzt Baader. "Der Mensch denkt, Gott lenkt", bedeutet schließlich etwas anderes als "Der Mensch denkt: Gott lenkt". Lediglich Ironie bleibe dem System verborgen, räumt Stümpflen ein. Aber Börsennachrichten enthielten sich dieses Stilmittels in den meisten Fällen ohnehin.

In dem Clueda-Team gibt es kaum Informatiker. Die meisten Mitarbeiter kommen aus der Naturwissenschaft; ein paar Linguisten sind auch darunter. Die Software wird zusammen mit den designierten Anwendern entwickelt. Dafür kommen agile Methoden zum Einsatz, so dass das System immer nah an der Realität der User bleibt.

Die Anwender wissen schließlich am besten, wo die Entwicklung hingehen soll. Beispielsweise sei es aus ihrer Sicht wichtig, dass neben den Blomberg- und Reuters-Nachrichten auch andere Quellen einbezogen werden können, sagt Thomas Lendle, Handlungsbevollmächtiger im Aktienhandel der Baader Bank.

Darüber hinaus werden die Anwender ja auch gebraucht, um das System "anzulernen". Zunächst müsse es auf ein initiales Vokabular trainiert werden, erläutert Stümpflen. Dann lerne es, selbständig damit umzugehen.

Neuronales Netz

Eines der Pfunde, mit denen Clueda wuchern kann, ist die Nutzung maschinenbasierender Lernprozesse, vor allem eines neuronalen Netzes. Dank dessen könne die Software aus den gewonnenen Informationen auch "Wissensnetzwerke" aufbauen, so Stümpflen. Die einmal identifizierten Beziehungen dienten als Grundlage, auf der sich weitere Assoziationen schaffen und verarbeiten ließen. So entstehe allmählich ein auf den jeweiligen Händler zugeschnittenes Informationssystem.

Nur handeln kann das System noch nicht. Bislang ist allenfalls geplant, dass es eine Handelsanwendung aufruft, sobald die jeweilige "Stimmung" einer Nachricht einen An- oder Verkauf von Papieren angeraten erscheinen lässt.

Stümpflens Andeutungen zufolge denken Clueda und Baader Bank über ein selbständig handelndes System aber durchaus schon nach. Das sei jedoch eine hochsensible Anwendung, die höchst sorgfältig abgesichert werden müsste. Oder wie der Clueda-Geschäftsführer es formuliert: "Dazu müssen noch eine ganze Reihe von Plausibilitätsprüfungen eingebaut werden."