Wenn das Management sich interessiert zeigt

23.01.1976

Ing. grad. Peter R. Reimann, Unternehmensberater Hildrizhausen bei Stuttgart

Das Desinteresse der Top-Manager gegenüber der EDV wild seit Jahr und Tag diskutiert. In zahlreichen Anwenderfirmen scheint die Kommunikations-Kluft zwischen Top-Management und EDV-Ressort tatsächlich unüberwindlich. Die Firmenleitungen begreifen die Computer dort lediglich als datenverarbeitende Maschinen, nicht aber als hochwirksame Instrumente der Führung. Und die EDV-Teams betrachten sie als eigenwillige Kaste, deren Häupter - die Rechenchefs - man ab und zu in ihrem Techno-Fetischismus zurechtstutzen muß, damit die Dinge im betrieblichen Lot bleiben. Eben diese wiederum fühlen sich mißverstanden und isoliert: sie igeln sich mit ihren Mannen ein und kommunizieren mit dem Firmenolymp am liebsten nur noch übern kalten Draht.

Verständlich: Dem wachsenden Datenanfall steht ein konventionelles Spardenken der Geschäftsleitungen gegenüber, das eben jene Schaltstelle beschneidet, die dem Unternehmen den höchsten Rationalisierungs-Effekt bringen könnte. Was die EDV-Chefs in immer härteren Streß treibt und ihre Abwehrhaltung gegenüber anscheinend ignoranten Firmen-Führern anschwellen läßt.

Eine fatale Situation mit absurden Frontstellungen: Das betriebliche Entscheidungszentrum beeinträchtigt das Rechenzentrum und umgekehrt. Bildhaft dargestellt etwa so: Das Gehirn bekommt zu wenig Sauerstoff, weil die Lunge nicht genügend aufnehmen kann. Denn deren Aufnahmevolumen ist begrenzt, weil das Gehirn bestimmt, es nicht zu erweitern oder zusätzliches Ozon zuzuführen. Der entstehende Schaden trifft den gesamten Organismus!

Aus diesem schrumpfungsorientierten Regelkreis brechen aber hie und da einsichtige Chefs aus:

Sie besuchen EDV-Seminare für Top-Manager, um zu erfahren, wie sie ihre EDV besser nutzen können. So gut ihr auf den Computer gerichteter Bildungswille ist, so schlecht klingt jedoch ihre Meinung über ihre RZ-Leiter. Zum Beispiel: "Mit denen ist ja nur schwer ins Gespräch zu kommen. Wer nicht in der EDV arbeitet, muß ihnen erst mal beweisen, daß er trotzdem denken kann." Oder: "Die Jungs haben sich auf Konfliktstrategie eingeschossen. Kommt man ihnen mit Integrationsgedanken, so stößt man nicht selten auf Ironie oder Mißtrauen."

Tatsächlich zeigt sich häufig: EDV-Chefs begegnen den Spitzenbossen, die sich für die Datenverarbeitung interessieren, mit einer beinahe arroganten Distanz, die der häufig beklagten Gleichgültigkeit der Manager keineswegs nachsteht. Die ZR-Leiter mutmaßen dann nur zu oft - fast per bedingtem Reflex - ein ungerechtfertigtes Eindringen der Firmenleitung in ihr Revier. Sie befürchten unsachgemäße Eingriffe in EDV-Abläufe, Personalabbau-Pläne, Etatkürzungen oder Kontrollen; sie fürchten gar, man sei auf der Suche nach Abschuß-Argumenten, mit denen sie gekündigt werden sollen.

Mit solchen Reaktionen wird dann genau das bewirkt, was man eigentlich verhindern will: Progressive Absichten der betrieblichen Obristen werden so in autoritäre Aktivitäten umgewandelt. Stellen wir uns doch einen Top-Manager vor, der von einem EDV-Seminar zurückkehrt: Er hat mitbekommen, was eine Zentraleinheit ist, wie ein Betriebssystem funktioniert, wie man programmiert, wozu eine Datenbank dient - und durchaus noch einiges mehr. Er weiß im Prinzip, daß - und vielleicht auch wie - er die EDV betriebsweit, manageriell und damit effizienter einsetzen kann. Zunächst aber will er die EDV von unmittelbar praktischer Seite her näher kennenlernen - und wendet sich an den Leiter seines Rechenzentrums.

In einer solchen Situation zeigt sich leider, daß bei manchem EDV-Chef der natürliche Spürsinn von einer zu hochentwickelten Ratio schon erstickt wurde und nicht mehr ausreicht zu erkennen, daß sich für ihn und sein Ressort jetzt die seltene Möglichkeit bietet, den kalten Krieg mit der Firmenleitung friedlich zu beenden. Ein solcher RZ-Leiter sollte um einen späteren Boß-Besuch bitten und in der Zwischenzeit seine Menschenkenntnis und Diplomatie verbessern. Sonst ist eine hervorragende Chance vielleicht auf lange Sicht verspielt.

Gelingt es nämlich, die Brücke zum Management über einen interessierten Vorstand oder Geschäftsführer so direkt und hautnah zu schlagen, kann das für das EDV-Ressort fast nur angenehme Folgen zeitigen: Mehr Einfluß, größere Etats, mehr Personal, besseren Status, weniger Streß, mehr Verständnis, zunehmende Arbeitsfreude.