Wenn das Gehalt vom Kunden abhängt

06.10.2006
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Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Service-Level-Agreements regeln die Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister. Ob die vereinbarte Service-qualität erreicht wird oder nicht, bekommen die beteiligten Mitarbeiter am eigenen Geldbeutel zu spüren.

Von Winfried Gertz*

Wann es mehr Geld gibt

• Häufigkeit von Anrufen, die der Helpdesk beantwortet, ohne dass nachgefragt oder weiterverbunden werden muss;

• Quote von Fehlern, die aufgedeckt und gelöst werden, bevor Kunden eine Störung bemerken oder anzeigen;

• Verringerung oder Zunahme der Störfälle wegen schlechter Leistungen;

• Verringerung oder Zunahme von Service-Pausen und Stillstands- zeiten.

Wenn Anton Mayerhöfer von perfektem Service spricht, meint er nicht etwa die Bedienung im Biergarten, die bei 30 Grad Celsius im Schatten freundlich lächelnd sieben oder acht Maß Bier herbeischafft. Vielmehr muss der Service-Manager der Münchner Softlab GmbH rund um die Uhr darauf achten, dass die SAP-Systeme seines Kunden BMW störungsfrei funktionieren. "Die Servicequalität ist keine rosa Wolke", sagt Mayerhöfer, "sie ist konkret messbar."

Sobald Firmen sich entschließen, wichtige IT-Aufgaben einem Dienstleister zu übertragen, handeln sie dickleibige Verträge aus. Besonders viel Zeit investieren die Partner in die Frage, auf welche "Service Level" sich die Zusammenarbeit stützen sollte. Wie hoch ist die Systemverfügbarkeit, wie ausführlich müssen Anwender im Störungsfall telefonisch beraten, und wie schnell muss ein Problem behoben sein? Bis ins kleinste Detail werden "Service Level Agreements" (SLAs) festgeschrieben, die nicht nur den Projektumsatz bestimmen. Ob sie eingehalten oder verfehlt werden, schlägt sich auch im Gehalt der IT-Mitarbeiter nieder.

Übertriebene Messwut

"Unsere Mitarbeiter sind sehr zahlenorientiert", sagt Peter Meussen, Personalleiter der DDS Dresdner Direktservice GmbH in Duisburg. Besonders wichtig sei ihnen, dass die Arbeit im Team gut funktioniert. Dafür vereinbarten sie konkrete Ziele, beispielsweise die Gesprächsdauer von Telefonaten zu senken und zugleich die Reklamationsquote zu verringern. "Jeder Mitarbeiter weiß: Kunden am Telefon abzuspeisen ist kontraproduktiv", erklärt Meussen. Das Prinzip leuchtet ein: Wer herablassend auf Kundenanfragen reagiert, muss beim Gehalt ebenso Abstriche hinnehmen wie der Softwareentwickler, der unsauber programmiert oder seine Arbeit weit nach vereinbarter Frist abliefert.

Mit SLA vertraut sind auch die Softlab-Mitarbeiter im Anwendungs-Management, die für den Second Level Support verantwortlich zeichnen. Sie müssen knifflige Probleme lösen, etwa wenn eine Konfiguration nicht mehr stimmt oder es in einer Datenbank kracht. Da sie mehrere Kunden betreuen, für die unterschiedliche SLAs gelten, werden diese nicht auf einzelne Mitarbeiter heruntergebrochen.

Immer mehr Firmen entlohnen ihre Mitarbeiter nach erwiesener Servicequalität. Regelmäßig befragen Hardwarehersteller, aber auch Call Center ihre Kunden und nutzen die ermittelte Zufriedenheitsquote bis zu einem Drittel als Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung. Inzwischen verfügen Vorgesetzte über ausgereifte Performance-Management-Systeme, auf deren Grundlage sie die Leistungen ihrer Mitarbeiter regelmäßig definieren und messen können. Über ein Punktesystem werden zum Beispiel Mitarbeiter der Stuttgarter Topalis AG in ihrer persönlichen und sozialen Kompetenz beurteilt. "Entgeltrelevant sind auch typische SLA-Kriterien wie Kundenzufriedenheit, die Qualität der Arbeit oder der Kundenbetreuung", so Sprecherin Sabina Massa. Ein vergleichbares Verfahren, den "Performance Management Prozess", favorisiert der IT-Dienstleister Accenture. Wie Firmensprecherin Sonja Fink erläutert, stellen sich die Mitarbeiter jedes Jahr diesem Leistungs-Ranking, das den variablen Gehaltsanteil bestimmt. Bei Einsteigern sind es zehn Prozent, nach einigen Jahren kann das Zielgehalt sogar bis zur Hälfte leistungsabhängig sein.

Andere Beispiele zeigen, wie schwierig es ist, Leistung zu bemessen. Ein Vertriebs-Manager, der nur den schnellen Verkaufserfolg sucht, ohne die Bedürfnisse des Kunden zu berücksichtigen, läuft Gefahr, verbrannte Erde zu hinterlassen. Ein Netzwerkadministrator mag zwar fachlich höchsten Ansprüchen genügen, aber Kollegen aus Marketing oder Einkauf vergraulen, die sich als interne Kunden mit einem Problem an die IT-Abteilung wenden.

In vielen Firmen herrscht ein regelrechter Mess-Wahn, hat Stefan Wendt beobachtet. Der Jurist arbeitet für die Microfin GmbH in Frankfurt am Main, die Firmen im Service-Management berät. "Im Markt neigt man dazu, sich mit Kennzahlen zu überfrachten." Insbesondere Banken, die mehrere Hundert Applikationen einsetzen, würden es mit SLAs übertreiben. "Interne Kunden zwingen ihre IT-Abteilungen, ein differenziertes Preis-Leistungs-Angebot zu definieren."

Für Wendt ist es technisch kaum möglich, einen Fehler exakt auf das Verhalten einer Person zurückzuführen. Wenn das Telefon zu Hause mal nicht klingelt, kämen dafür viele Ursachen in Betracht. "Bei hochkomplexen IT-Infrastrukturen ist die Fehlerquelle noch schwieriger auszuloten." Es dürfe nicht sein, dass ein Mitarbeiter für ein System verantwortlich ist, das er nicht gänzlich beherrschen kann.

Diesen Rat beherzigt man auch bei Softlab. Obwohl seit 2005 die variable Vergütung für alle Mitarbeiter verbindlich vorgeschrieben ist, ziehe man "die Gesprächskultur einer Messkultur vor", sagt Personalchef Uwe Kloos. Sonst züchte man Egoismen heran und untergrabe den Teamgeist. Softlab-Service-Manager Mayerhöfer steckt sich jedes Jahr nur Ziele, "die anspruchsvoll, aber machbar sind". (am)