Wenn Chefs als Führungskräfte versagen

07.06.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
In vielen Unternehmen ist das Klima empfindlich gestört. Statt an einem Strick zu ziehen, blockieren sich Vorgesetzte und Mitarbeiter gegenseitig.

Helmut Adler kann Leute begeistern, fair entscheiden und die Kohlen aus dem Feuer holen. Chefs wie er sind der Traum jedes IT-Spezialisten. Kaum hat der erfahrene Projekt-Manager Adler den Auftrag erhalten, in knapp zwei Jahren sämtliche 1024 Niederlassungen mit neuer Hard- und Software auszustatten, trommelt er die besten Kollegen zusammen, schwört sie ein auf das gewiss nicht einfache Vorhaben und holt zur Moderation des Teams eine externe Beraterin ins Boot. Die kommenden Monate haben es in sich; sie sind gespickt mit kleineren Katastrophen, persönlichen Dramen und geschickten Winkelzügen. Um es vorwegzunehmen: Das Projekt wird ein voller Erfolg; mit einem nur geringfügig überschrittenen Budget sind alle Arbeiten zur Deadline abgeschlossen.

Hier lesen Sie ...

  • wie sehr der Arbeitsdruck in der IT gestiegen ist;

  • welchen Anteil Führungskräfte daran haben;

  • was zu tun ist, um ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen.

Sabine Niodusch, Projektleiterin und Buchautorin: 'Die Vergabe von IT-Projekten ist oft an Machstpiele geknüpft.'
Sabine Niodusch, Projektleiterin und Buchautorin: 'Die Vergabe von IT-Projekten ist oft an Machstpiele geknüpft.'

Leider ist Helmut Adler eine Romanfigur, und das Projekt ist eine Geschichte, die sich Sabine Niodusch auf rund 320 Seiten ausgedacht und niedergeschrieben hat. Als Informatikerin und langjährige Projektleiterin weiß die heute als Organisationsberaterin tätige Autorin gut, dass es in der Wirtschaft oft anders aussieht. Häufig mangelt es an der Kultur, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Obwohl sie wissen, dass schlechtes Benehmen von Führungskräften die Produktivität ihrer Mitarbeiter negativ beeinflusst, das Firmenimage ruiniert und Kunden verprellt, verhalten sich Vorgesetzte rüpelhaft. "Viele IT-Leiter", ärgert sich Niodusch, "strotzen vor beruflicher Arroganz und unterhalten sich nicht über Themen jenseits von Java, .NET und Co. Miese Bosse reden überhaupt nicht mit ihren Leuten." Stärke wird mit Arroganz verwechselt, Respektlosigkeit ungeniert zur Schau gestellt.

Mit ihrer Meinung steht Niodusch nicht allein. Andreas Glaser, seit sieben Jahren Projektleiter beim Software- und Beratungshaus Beck et al. Projects GmbH in München, nennt das Kind beim Namen: "In der IT ist es normal, dass der beste Techniker irgendwann Führungskraft wird." Und damit nehme das Unheil seinen Lauf. "Rekrutiert werden Projektleiter wegen ihrer technischen Qualifikation und ihrer Erfahrung in vergleichbaren Projekten", kritisiert auch Arbeitswissenschaftler Erich Latniak vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik (IAT). "Ob sie Mitarbeiter führen können, steht hingegen kaum zur Debatte."