Existenzgründungen am Standort Deutschland (Teil 3)

Wenn Banken die falschen Gesprächspartner sind

11.10.1996

"Vertrauen ist der Anfang von allem." Wer kennt ihn nicht - den Slogan, mit dem die Deutsche Bank seit geraumer Zeit im Privatkundengeschäft die Werbetrommel rührt? Doch für Jürgen Werner, Venture-Capital-Spezialist beim Branchenprimus unter Deutschlands Geldhäusern, müßte diese Botschaft, längst auch zum Motto im Firmenkundengeschäft, insbesondere bei Existenzgründungen, geworden sein. Wenn sich, so Werner, etwa ein angehender Jungunternehmer im IT-Sektor mit einem Vertreter seiner Hausbank zwecks Gewährung eines Firmenkredits an den Tisch setzt, prallen zunächst geradezu zwangsläufig unterschiedliche Erwartungshaltungen aufeinander. Der eine hat nichts als eine Software-Idee, bestenfalls eine halbfertige Entwicklung anzubieten, der andere fragt nach Sicherheiten. So weit, so schlecht, so bekannt.

Ein in diesem Fall zu erwartendes Nein der Bank ist Werner zufolge jedoch vermeidbar, wenn einige Grundregeln beachtet werden. Besagtes Vertrauen zum Beispiel, gegenseitig natürlich. Was für den Banker schon damit anfängt, daß der Unternehmer in spe sein Produkt, dessen Perspektiven im Markt sowie zumindest Ansätze einer mittelfristigen Planung überzeugend darlegen kann. Dies muß nicht unbedingt in Form eines fertigen Business-Plans geschehen, sondern kann unter Umständen auch schon in einem zehnminütigem Gespräch geklärt werden. Doch daran scheitern, wie Werner vor den Besuchern der 2. Potsdam-Konferenz für Technologieförderung, ein Forum, das sich seit gut einem Jahr speziell den Problemen bei der Förderung junger High-Tech-Unternehmen widmet, berichtete, bereits 90 Prozent aller Existenzgründungen - gerade auch in der IT- Branche.

Weniger denn je wollen sich hiesige Kreditinstitute offenbar aber auch mit der Rolle des Prügelknaben abfinden, wenn es im Zusammenhang mit der vielzitierten Standortdebatte um spärlich fließendes Risikokapital für Firmenneugründungen geht.

Glaubt man dem Manager der Deutschen Bank, ist Venture Capital für deutsche Geldhäuser längst kein Fremdwort mehr. Man müsse sich nur an die erste "Welle" dieser relativ neuen Wachstumsfinanzierung in Deutschland erinnern, die erst 1989 durch die sich anbahnende deutsche Einheit vorübergehend an Bedeutung verlor, meint Werner. Nun sei Venture Capital hierzulande erneut en vogue - unter denselben Voraussetzungen allerdings.

Die Geldgeber müßten letztlich schon im Interesse des Kreditnehmers dafür Sorge tragen, daß dieser sich nicht mit einer fixen Idee verrenne betriebwirtschaftliche "Grundvoraussetzungen" müßten demnach erfüllt werden. Monatliches Reporting respektive Auditing also, wie es im Jargon der Wirtschaftsprüfer heißt. Im Klartext: Fließt Risikokapital von den Banken in ein neues Unternehmen, sitzen die Geldgeber quasi als stiller Gesellschafter mit am Tisch und wollen über alle positiven wie negativen Entwicklungen sofort und umfassend informiert werden. Keine sehr angenehme Vorstellung für einen Jungunternehmer in der IT-Branche, der, wie Werner hinzufügt, überdies oft nicht einmal weiß, wie eine Bilanz auszusehen hat.

Gleichzeitig aber ließe sich auch über das bei den deutschen Banken immer noch vorherrschende Verständnis von Risikokapital streiten. Und in diesem Zusammenhang auch über den Unterschied zwischen Existenzgründung und Wachstumsfinanzierung. Jedenfalls wird hierzulande die Liste junger IT-Unternehmen immer länger, die mit Hilfe massiver Eigenleistungen - sei es durch Gehaltseinschränkungen bei den Mitarbeitern, sei es durch finanzielle Hilfen aus dem Freundes- und Familienkreis - die Entwicklung und Markteinführung eines Produktes längst erfolgreich bewältigt haben, nun aber vor dem Problem der gesunden Finanzierung ihres weiteren Wachstums stehen. Auch hier sagen die meisten Banken oft schon bei einer befristeten Erhöhung des Kontokorrentkredits nein - aus unerfindlichen Gründen, wie viele Zeitgenossen meinen. Nicht umsonst macht daher im deutschen IT- Mittelstand die Klage die Runde, daß man zwar für einen Autokauf quasi jede Kreditlinie bewilligt erhält, für Investitionen in ein DV-Unternehmen jedoch stets die rote Karte gezeigt bekommt.

Halten wir uns aber an die Fakten. Warum sind Banken in Deutschland so zurückhaltend bei der Finanzierung innovativer Unternehmen? Stimmt doch gar nicht, sagen die Geldhäuser und verweisen auf diverse Aktivitäten. So etwa die Deutsche Bank auf ihre Kooperation mit der Fraunhofer Gesellschaft, wo es um eine qualifiziertere Beurteilung von Technologieprojekten geht. Aber auch bei anderen Banken und Sparkassen schießen sogenannte Technologiefonds wie Pilze aus dem Boden. Und der scheint fruchtbar zu sein: Immer noch beziehen nach einer internen Statistik des deutschen Kreditgewerbes 40 Prozent der mittelständischen Unternehmen ihre Bank in ihre Innovationsüberlegungen mit ein, 34 Prozent erwarten Hilfestellung bei der Finanzierung weiterer Investionen und immerhin zwölf Prozent erbitten sich Unterstützung bei der Kostenplanung.

Gleichzeitig muß man jedoch auch andere Zahlen im Auge behalten: Das (von der Deutschen Bank) geschätzte Marktvolumen für Risikokapital im klassischen Sinne, also die Beteiligung fremden Eigenkapitals an einem Unternehmen, betrug 1995 in Deutschland sechs Milliarden Mark, in den USA indes mehr als das Zehnfache. Immer mehr scheint sich in diesem Zusammenhang unter Experten, aber auch bei den betroffenen Existenzgründern und Jungunternehmern daher die Erkenntnis durchzusetzen, daß die Banken aufgrund ihrer vermeintlichen Unflexibilität eigentlich zu Unrecht gescholten werden - weil sie schlichtweg die falschen Partner sind.

Bankenfinanzierung bedeute in aller Regel Kreditvergabe nach den üblichen Kriterien, und die sind sehr rigide ausgelegt, weil die Banken damit nicht am Wachstum einer Firma partizipieren könnten, heißt es dazu in Fachkreisen. Inbesondere auch in solchen, denen ein gewisses Eigeninteresse an dieser Argumentation unterstellt werden muß - den sogenannten Venture-Capital-Firmen. Nur eine Handvoll dieser Beteiligungsgesellschaften gibt es derzeit hierzulande, und dort würde man es natürlich am liebsten sehen, wenn die Banken die Finger von diesem (künftig) lukrativen Geschäft lassen würden.

Falk Strascheg, Geschäftsführer der in München ansässigen Technologieholding, und sein Kollege Waldemar Jantz von der ebenfalls in München angesiedelten Techno Venture Management (TVM) GmbH machten vor den in Potsdam anwesenden Jungunternehmern und solchen, die es werden wollen, jedenfalls deutlich, worauf es ihrer Ansicht nach jetzt ankommt. Etwa darauf, daß durch Initiativen wie dem "Neuen Markt", ein sich am Vorbild der US- Computerbörse Nasdaq orientierender High-Tech-Ableger der Deutschen Börse AG, der 1997 seine Premiere feiern soll, die Voraussetzung für eine, wie sie es nennen, "Eigenkapitalindustrie in Deutschland" gegeben sind.

Firmen müssen hohem Anforderungsprofil genügen

Her mit den Venture-Capital-Fonds also, und her mit geeigneten Kandidaten! Diese müssen sich allerdings Strascheg und Jantz zufolge, wollen sie in den Genuß fremden Eigenkapitals kommen, durch ein gewisses "Portfolio" auszeichnen. Anders formuliert: Wachstum soll quasi vorprogrammiert, die Perspektive einer 100- Millionen-Dollar-Company gegeben sein. Nur dann sei ein mittelfristig in jedem Fall zu erwägender (eventuell auch internationaler) Börsengang sinnvoll, und nur dann könne die jeweilige Beteiligungsgesellschaft Renditen erwirtschaften, die die institutionellen Anleger veranlassen, erneut in einen Venture- Capital-Fonds zu investieren. Ein mehr als harter Ausleseprozeß geht da also vonstatten, wie TVM-Consultant Jantz ohne Umschweife zugibt: "In maximal drei Prozent der Firmen, die wir uns ansehen, investieren wir."

Was bleibt also festzuhalten? Die Option eines Börsengangs scheint für junge deutsche High-Tech-Unternehmen unabdingbar. Jantz wörtlich: "Die Anleger müssen die Phantasie haben, daß daraus eine zweite Microsoft- oder Net- scape-Geschichte werden könnte." Und deutsche Existenzgründer sollten sich von ihren im Vergleich zu US-Wettbewerbern offensichtlich etwas antiquierten Vorstellungen in Sachen Unternehmertum (siehe Abbildung S. 73) verabschieden. Vor allem, auch darin sind sich Venture-Capital-Experten wie Strascheg und Jantz einig, von ihrem Herr-im-eigenen-Haus-Denken - was in den USA längst gang und gebe ist. Will heißen: Der Gründer ist dort in vielen Fällen zwar längst Millionär, gleichzeitig aber nur noch Entwicklungschef im ehemals eigenen Unternehmen, weil sich die externen Geldgeber, respektive die Beteiligungsgesellschaft, durch entsprechende Firmenanteile absichern. Für Technologieholding-Chef Strascheg eine mehr als logische Konsequenz: "Wer die Zusage einer Beteiligung in Höhe von 20 Millionen Mark hat, kann nicht erwarten, daß er noch die Mehrheit an seinem Unternehmen hält.

Serie

Was ist dran an der Besorgnis, die Bundesrepublik würde die High- Tech-respektive IT-Zukunft verschlafen? Die COMPUTERWOCHE wird diesem Vorwurf vieler Zeitgenossen in den kommenden Monaten in unregelmäßigen Abständen nachgehen. Die diversen Förderinitiativen staatlicher wie privater Einrichtungen kommen dabei ebenso auf den Prüfstand wie sich andeutende Strukturveränderungen in der hiesigen Finanz- und Kapitalwirtschaft. Last, but not least werden wir auch über erfolgreiche (deutsche) Firmenneugründungen in der IT-Branche berichten.

Venture Capital in USA

Risikokapital via Venture-Fonds sucht und findet in den USA weiterhin vorrangig den Weg zu jungen Technologie-Unternehmen. Nach Angaben von Kirk Walden, Direktor des renommierten Wirtschaftsprüfungs-Unternehmens Price Waterhouse, dürften allein im zweiten Halbjahr 1996 rund drei Milliarden Dollar an im High- Tech-Sektor aktive Jungunternehmer fließen. Auf die übrigen Industriebereiche entfallen hingegen lediglich knapp zwei Milliarden Dollar. Besonders hoch im Kurs stehen, wie Walden gegenüber der US-Zeitung "Investors Business Daily" erklärte, nach wie vor Softwarefirmen mit Bezug zum Internet. So seien im dritten Quartal 1996 mehr als 60 derartige US-Software-Companies mit Risikokapital unterstützt worden.