Existenzgründungen am Standort Deutschland (Teil 2)

Wenn Banken die falschen Gesprächspartner sind

27.09.1996

Das Beispiel ist hinlänglich bekannt, trotzdem gibt es nichts, womit sich nach Ansicht von Kritikern die High-Tech-Feindlichkeit des Standorts Deutschland besser beschreiben ließe. Immer, wenn es also gilt, die Probleme der Wirtschaftsförderung hierzulande deutlich zu machen, muß Andreas von Bechtolsheim herhalten - einer der drei Gründer von Sun Microsystems. Bevor dieser nämlich seinen kalifornischen Traum - besser gesagt: den Bau leistungsfähiger Workstations verwirklichen konnte (mußte) - ging er seinerzeit noch als Student mit seinen damaligen Münchner Uni-Professoren in Klausur. Ohne Ergebnis, wie man weiß - was auch für die Gespräche mit einem renommierten Elektronikkonzern in München gilt. Dann wollte er eine eigene Firma gründen und ging zu einer Bank. Dort war die erste Frage die nach Sicherheiten. Bechtolsheim bot das Haus seiner Eltern am Ammersee an die Bank lehnte ab. Der Rest der Geschichte ist ebenfalls bekannt.

Das Schlimmste an den damaligen Erlebnissen des erfolgreichen Sun-Mitbegründers ist nun aber, daß sich allem Anschein nach hierzulande seit Anfang der 80er Jahre kaum etwas geändert hat. Noch immer gehen findige Ingenieure oder kleine High-Tech-Schmieden mit im Prinzip nichts als einer vermeintlich guten Idee zu ihrer Hausbank - und in der Regel um einige Illusionen ärmer wieder nach Hause. Dafür gibt es kein Geld - weil mit zu viel Risiko verbunden, lautet die Standard-Antwort der Banker. Risikokapital ist, wie man in deutschen Landen immer wieder feststellen mußte, Mangelware.

Stimmt das auch heute noch, und wenn ja, ist dies die alleinige Ursache dafür, daß man in Deutschland Gefahr läuft, die High-Tech-Zukunft oder was immer man für selbige hält, zu verschlafen? Wird innovativen Unternehmern und Firmengründern durch Banken, die nicht mitspielen wollen, letztendlich die Tour vermasselt?

Benötigen wir demzufolge eine neue "Gründerphase" nicht so sehr in der Industrie, sondern vielmehr im Finanzgewerbe - eine, wenn man so will, den Anfordungen moderner sowie globaler Wachstumsmärkte und den dort agierenden Unternehmen adä- quate Kapitalbeschaffungsmaschinerie? Fragen über Fragen, die sich da aufdrängen. Auch bei der vergangene Woche in Potsdam abgehaltenen 2. Konferenz für Technologie-Investition - einem Forum, das sich seit gut einem Jahr speziell den Problemen bei der Förderung junger High-Tech-Firmen widmet.

Heik Afheldt, Chairman der Postdamer Konferenz und Mitglied des Herausgeberrats der Verlagsgruppe Handelsblatt, war angesichts dieses Fragenkatalogs zunächst bemüht, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. "Es mangelt hierzulande nicht an Kapital, sondern an dessen zweckdienlicher Verwendung", lautete sein Eingangs-Statement. Afheldt, früher Chef des renommierten Schweizer Marktforschungsunternehmens Prognos und Mitbegründer einer Reihe von eidgenössischen High-Tech-Initiativen, meinte damit unter anderem die Tatsache, daß die milliardenschweren Spargroschen der Bundesbürger zu einem Großteil in (steuerlich) lukrative Schiffsbeteiligungen oder Immobilienfonds fließen. Und er sprach ein wenig süffisant von den jährlich rund 40 Milliarden Mark, die zwischen Flensburg und Berchtesgaden in Spielbanken sowie für Toto- und Lotto-Einsätze verjubelt werden.

Doch auch die von Afheldt ins Feld geführten objektiveren Tatsachen geben zu einem Stirnrunzeln Anlaß. Etwa der Umstand, daß die Selbständigenquote in Deutschland mit knapp neun Prozent geringer als der Durchschnitt aller OEC-Länder (elf Prozent) ist. Oder der verhängnisvolle Trend, daß hierzulande zwar die Zahl der Firmenneugründungen immens steigt, gleichzeitig aber auch eine "Hochkonjunktur" bei Konkursen zu registrieren ist. Allein wenn es gelänge, diese "untere Kurve" zu begradigen, die Bundesrepublik damit auf OECD-Niveau zu hieven, gäbe es 800000 deutsche Unternehmer mehr, schätzt der Handelsblatt-Repräsentant.

800000 kleine sowie allenfalls mittelständische Firmen benötigen indes Kapital für Entwicklung, Markteintritt und Wachstum - womit man wieder beim eingangs geschilderten Problem wäre. Was nützen steuerliche Vorteile und sonstige Fördermaßnahmen, wenn es keine Investoren gibt, die zumindest die kritische erste Phase nach der Firmengründung überbrücken helfen? Rund 100 Milliarden Mark an Risikokapital wären nach Schätzung von Experten notwendig, um besagten 800000 Unternehmen auf die Beine zu helfen. Doch woher nehmen und nicht stehlen?

Jedenfalls nicht von den Banken, meinen diejenigen, die sich in dieser Frage nicht nur selbst immer öfter ins Spiel bringen - die sogenannten Venture-Capital-Firmen. Nicht umsonst würden in den als Vorzeigeland gepriesenen USA die Banken von der Finanzierung junger High-Tech-Firmen die Finger lassen, heißt es dort. Und die Vertreter von Gesellschaften wie Technologieholding oder Techno Venture Management (TVM) GmbH setzen noch einen drauf: Risikokapital bedeute eben Risiko 20 Prozent der Firmen in einem Venture-Capital-Fonds gehen durchschnittlich baden, scheitern also - mit allen Konsequenzen für die Geldgeber. Für die Kalkulation der Banken bei der klassischen Kreditvergabe also (eigentlich) kein Thema. Vielleicht erklärt dies auch die Zurückhaltung der meisten Geldhäuser bei der Finanzierung junger, innovativer Firmen.

Was heißt schon innovativ, und welche Garantien gibt es dafür, daß aus einer innovativen Idee auch ein marktfähiges Produkt wird? Fast ein jeder, der mit seiner Hausbank zwecks eines Firmendarlehens verhandelt hat, kennt diese Frage. Insbesondere gilt dies, wie sich mittlerweile herumgesprochen hat, für die hiesige Software-Branche. Teilweise wird daher hinter vorgehaltener Hand schon von einer "schwarzen Liste" bei den bundesdeutschen Geldhäusern gesprochen, die den Kreditberatern dringend ans Herz legt, bei Gebrauchtwagenverkäufern, Videothekenbesitzern aber vor allem auch "Turnschuh-Unternehmern", die nichts als eine (Software-)Idee zu verkaufen haben, von vornherein den Daumen zu senken.

Selber schuld, meinte im Prinzip hierzu TVM-Consultant Waldemar Jantz vor den Konferenzteilnehmern in Potsdam. Die Banken hätten (momentan) gar nicht das Know-how, um die Tragfähigkeit einer innovativen Idee und die Marktchancen eines High-Tech-Produkts zu beurteilen. Venture-Capital-Firmen wie die seine natürlich schon, wie einige in der jüngsten Vergangenheit erfolgreiche Beispiele zeigen sollen. Den Verkauf von Spea Software führt Jantz hier im weiteren Sinne an oder das Beispiel Micronas, ein kleiner deutscher Hersteller von Chips für Mobiltelefone, den Jantzs Kollegen von der Technologieholding vor kurzem mit Erfolg an die Züricher Börse gebracht haben.

Noch gibt es allerdings zu wenig Beteiligungsgesellschaften in Deutschland und damit auch zu wenig Venture-Capital-Fonds - eine Handvoll Firmen sind es, bei wohlwollender Schätzung, die jungen High-Tech-Firmen durch "fremdes Eigenkapital" auf die Sprüge helfen können.

Deutschland - Quo vadis?

Was ist dran an der Besorgnis, die Bundesrepublik würde die High-Tech- respektive IT-Zukunft verschlafen? Die COMPUTERWOCHE wird diesem Vorwurf vieler Zeitgenossen in den kommenden Monaten in unregelmäßigen Abständen auf den Zahn fühlen. Die diversen Förderinitiativen staatlicher wie privater Organisationen kommen dabei (wie in Teil 1 in CW Nr. 38 vom 20. September 1996, Seite 45, zum Teil bereits geschehen) ebenfalls auf den Prüfstand wie sich andeutende Strukturveränderungen in der hiesigen Finanz- und Kapitalwirtschaft. Last, but not least werden wir über mehr oder weniger erfolgreiche Firmenneugründungen in der IT-Branche berichten.(wird fortgesetzt)