Weniger Marktplätze machen mehr Geschäft

12.03.2002
Von Christian Zillich
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Obwohl die Konsolidierungswelle unter den Betreibern elektronischer Marktplätze weiter rollt, müssen sich die Zulieferer etlicher Branchen verstärkt mit dem Thema befassen: Spätestens wenn wichtige Großkunden mitteilen, ihren Einkauf künftig über eine elektronische Handelsplattform abzuwickeln, besteht Handlungsbedarf.

Seit dem Gründungsboom im Jahr 2000 geht die Marktbereinigung unter elektronischen Marktplätzen unaufhaltsam weiter: Während sie im letzten Jahr vorwiegend technologisch und finanziell unzureichend ausgestattete Startup-Plattformen dahingerafft hatte, schließen mittlerweile auch Marktplätze ihre Pforten, die mit Branchen-Know-how und größerem Startkapital angetreten waren.

Fast jeder Lieferant ist Teil mehrerer Lieferketten. Zulieferer, die in die elektronische Organisation dieser Supply Chains eingebunden waren, standen in der Vergangenheit nicht selten vor dem Problem, spezielle EDI-Verbindungen zu den einzelnen Kunden aufzubauen. Das Gleiche droht den Lieferanten nun bei der Teilnahme an elektronischen Marktplätzen, denn auch trotz XML ist keine Lingua franca für den elektronischen Geschäftsverkehr in Sicht. In einzelnen Branchen zeichnet sich zwar der zunehmende Gebrauch von Industriestandards und XML-Dialekten ab, von einer wirklichen Standardisierung kann alllerdings keine Rede sein (siehe „Zahlreiche B-to-B-Standards konkurrieren“).

Besonders unabhängige Marktplätze sehen sich einem starken Druck ausgesetzt: Einerseits verfügen sie nur über beschränkte Einnahmen, andererseits fordern die Plattformnutzer immer mehr Funktionen wie Logistik- und Finanzdienstleistungen. Ronald Bogaschewsky, Professor für Betriebs- und Informationswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), beobachtet drei Grundmuster, mit denen Betreiber auf das Dilemma reagieren: Aufgabe, Spezialisierung, Zusammenschluss mit anderen Marktplätzen.

„Im Prinzip können offene Marktplätze nur eine Basisstruktur aufbauen, die von allen Nutzern Kompromisse fordert. Deshalb gibt es immer mehr Einkaufsmarktplätze von Großunternehmen, weil diese dort ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen können“, so Bogaschewsky, der neben seiner akademischen Tätigkeit zusammen mit dem BME auch den „B2B Marktplatzführer - Virtuelle Handelsplattformen für Deutschland“ herausgibt.

Konzerne haben sich so ein erweitertes Einkaufsinstrumentarium geschaffen und öffnen ihre Plattformen oftmals auch für andere Nachfrager. Das Modell ist im Vergleich zu öffentlichen Marktplätzen relativ risikolos, wenn mit dem Einkaufsvolumen des Gründungsunternehmens eine kritische Masse an Transaktionen sichergestellt ist. Zu dieser Kategorie zählen beispielsweise T-Mart(Deutsche Telekom), Click2procure(Siemens) oder Emaro(Deutsche Bank und SAP).