Rekrutierungsmesse Akademika in Nürnberg

Weniger Geld für Einsteiger

01.06.2001
Von einem Rückgang am Arbeitsmarkt wollten die zirka 200 Aussteller in Nürnberg nichts wissen. Die Personaler räumten ein, dass die Gehälter in Zukunft weniger rasant ansteigen und die Chancen für Quereinsteiger in die IT-Branche zurückgehen. Spezialisten haben weiterhin gute Joboptionen. Von Michael Franz*

Die Deutsche Telekom sucht zirka 500 Nachwuchskräfte. Die recht junge Mobilcom-Tochter Mobilcom Multimedia GmbH braucht für den Aufbau ihres UMTS-Netzes 400 Fachleute, und Alcatel benötigt für seine Niederlassungen in Deutschland 60 hoch qualifizierte Netzwerkspezialisten. Allen Unkenrufen zum Trotz: Die auf der Messe vertretenen Firmen suchen weiterhin Fachkräfte. Eines jedoch ist klar: Die Gehaltsspirale scheint in der Vergangenheit überdreht worden zu sein. Der Nachwuchs muss sich auf weniger Geld einstellen.

IT-Krise? Na und!"Einstellungsstopp?", fragt Bernd Kemmer, Personalreferent bei Mobilcom Multimedia, verdutzt. Die GmbH wurde vor rund einem Jahr als Tochterunternehmen der Mobilcom AG gegründet, um das UMTS-Geschäft vorzubereiten und zu betreiben. 600 neue Leute wurden seitdem eingestellt. Allein 400 der ungefähr 800 Mitarbeiter, welche die Telekommunikationsfirma in diesem Jahr noch engagieren möchte, werden für diesen neuen Geschäftszweig benötigt.

Mobilcom ist eines von rund 200 Unternehmen, die auf der "Akademika" auf Nachwuchssuche gehen. An zwei Tagen boten dort Großkonzerne und Mittelstand nach Angaben des Veranstalters WiSo-Führungskräfte-Akademie Nürnberg (WFA) zirka 15000 Jobs feil und eröffneten die Möglichkeit, einen Einblick in die verschiedenen Unternehmenskulturen sowie Einstiegs- und Karrierechancen zu gewinnen.

Was Kemmer sucht, sind Elektro- und Nachrichtentechniker, IT-Fachkräfte wie Unix- oder NT-Administratoren oder auch Mitarbei-ter für den kaufmännischen Bereich. Besondere Berufserfahrung müssen die Bewerber nicht mitbringen. Ein abgeschlossenes Studium reiche, denn "was sie an Fachkenntnissen brauchen, bringen wir ihnen bei". Bei der Frage nach den Chancen für Quereinsteiger antwortet Kemmer mit einem entschiedenen: Kein Problem!

Das ist nicht überall so. Am Stand von D2 Vodafone ist von Peter Bänsch, Personalleiter des Telekommunikationsriesen in der Niederlassung Süd in München, genau das Gegenteil zu erfahren: Große Probleme sieht er für Seiteneinsteiger, weil sehr spezielle Kenntnisse erforderlich seien. Er hielt Ausschau nach 20 Diplomingenieuren der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik. Von der Zentrale in Düsseldorf weiß er, dass sie 150 IT-Spezialisten eingestellt hat, welche die dortige DV-Welt zu betreuen haben. 60 bis 80 weitere sollen noch dazukommen. Von einem sinkenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften will auch Bänsch nichts wissen.

Das Gleiche gilt für Alcatel. Das weltweit 130000 Mitarbeiter umfassende Unternehmen stellt Dienste rund um Internet, Netzwerk und Telekommunikation zur Verfügung und hat seinen deutschen Hauptsitz in Stuttgart. Personalreferentin Andrea Weck sucht 60 Mitarbeiter für hoch qualifizierte Tätigkeiten, beispielsweise für den Aufbau von Netzwerken. Ingenieure der Elektrotechnik, die im Netzmanagement bewandert sind, gehören zu ihrer bevorzugten Zielgruppe. Ebenso will sie Ein- und Umsteiger ansprechen.

Auch die Deutsche Telekom sucht dringend Nachwuchskräfte, wie die interne Personalvermittlerin Rita Heibutzki betont. Bundesweit seien es zirka 500. Informatiker, Marketing-Fachkräfte, Wirtschaftsinformatiker oder Mathematiker werden von ihr anvisiert. Auf der Messe gilt ihr Blick vor allem Hochschulabsolventen, denn Berufserfahrung sei nicht notwendig. Viel wichtiger ist ihr ein hohes Maß an Mobilität, denn wir benötigen Fachkräfte im gesamten Bundesgebiet.

Unbeeindruckt von der Krisenstimmung zeigen sich auch die Kleinen auf der Messe. Michael Rader, technischer Direktor bei der AIG AG aus Stuttgart mit derzeit 40 Beschäftigen, erklärt: Wir stellen nach wie vor ein. Zwölf neue Mitarbeiter werden gesucht. Die eine Hälfte davon entfällt auf den Geschäftszweig E-Commerce, die andere auf die technische Softwareentwicklung. Räder wünscht sich in erster Linie erfahrene Leute, die wegen des nachlassenden Booms in der IT-Branche wieder leichter zu kriegen seien. Aber auch gegen Hochschulabsolventen mit Biss hätte er nichts einzuwenden. Zum Anforderungsprofil gehört aber auf jeden Fall das Beherrschen mindestens einer Programmiersprache.

Hochschulabsolventen begehrtBeim Thema Quereinsteiger runzelt Rader ein wenig die Stirn. Mit Umsattlern aus naturwissenschaftlichen Bereichen habe man recht gute Erfahrungen gemacht. Anders sei dies bei Leuten, die nur eine halbjährige Fortbildung vorzuweisen hatten: Da reicht die Qualität nicht aus.

Wesentlich entschiedener reagiert Stefan Häusl, Personalchef bei High Q aus Ottobrunn, auf den Begriff "Quereinsteiger". Die "sind für uns nicht zu gebrauchen". Das 100-Mitarbeiter-Unternehmen, das mit Beratung und Entwicklung im SAP-Umfeld sein Geld verdient, sucht "nach wie vor krampfhaft Leute". 20 Berater und Entwickler sollen eingestellt werden. "Es gibt eine regelrechte Schwemme an SAP-Beratern", meint Häusl, allerdings lasse die Qualität der Ausbildung oft zu wünschen übrig.

Kopfschütteln auch bei Suganda Sutiono, Geschäftsführer des Systemhauses Ipcas aus Erlangen. Mit Quereinsteigern habe er zu schlechte Erfahrungen gemacht - mit der Green Card umso bessere. Der klischeehafte Green-Card-Inder fehlt bei ihm. Seine fünf Spitzenkräfte kommen aus Palästina, Tunesien, Indonesien, Bulgarien und Russland. Zu den 55 Mitarbeitern sollen weitere fünf bis zehn hinzutreten, in erster Linie Programmierer mit Berufserfahrung.

Quereinsteiger gemiedenWas Sutiono noch anfügt, ist ein Trend, der sich auch allgemein abzuzeichnen scheint. Er spricht von utopischen Gehaltsvorstellungen, die es noch vor einem halben Jahr gegeben habe ("Wenn man das zahlt, ist man bald pleite"). Diese goldenen Zeiten sind wohl vorbei. Die Gehaltsspirale wird mittlerweile wieder nach unten gedreht. Es ist von Einstiegsgehältern von um die 80000 Mark die Rede. Die leistungsbezogene Spanne kann aber doppelt so hoch sein.

Allerdings suchen viele Messebesucher noch keinen festen Job. Die meisten angehenden IT- und Telekommunikationsfachkräfte nutzten die beiden Tage als Kontakt- und Informationsbörse. Viele fragten nach Praktikumsplätzen oder schauten sich nach Firmen um, die sie bei ihren Diplomarbeiten unterstützen können. Karsten S. aus Thüringen zum Beispiel, der in Hannover Vermessungstechnik studiert, möchte später ins Projekt-Management. Sein Problem ist, dass sein Studiengang keine Lobby habe: Ich muss die Leute erstmal davon überzeugen, was ein Vermessungstechniker alles kann. Sein Ziel auf der Messe ist es, Kontakte zu knüpfen, um sich später bewerben zu können. Die Vorstellungen der Nachwuchskräfte, was ihr Einstiegsgehalt betrifft, sind etwa gleich, liegen bei 75000 bis 80000 Mark und decken sich überraschend genau mit dem, was die Firmen zu zahlen bereit sind.

*Michael Franz ist freier Journalist in Rothenfels.