Benedetti: Keine Flucht Olivettis aus Europa

Weltweite Kooperationsabkommen wichtig

19.04.1984

LONDON (VWD) - Das Kooperationsabkommen zwischen AT&T und Olivetti darf nicht als Flucht Olivettis aus Europa und noch weniger aus Italien mißverstanden werden. Es werde im Gegenteil eher zum Abschluß innereuropäischer Abkommen, primär mit französischen Unternehmen, beitragen. Dies unterstrich Olivetti-Präsident Carlo de Benedetti auf der Konferenz über Multis in der "europäischen Integration".

Eine stärkere Internationalisierung und Integration der europäischen Industrie im EDV-Bereich sei eine dringende Notwendigkeit für Europa. Die Initiativen der nationalen Regierungen und der EG zur Schaffung des gemeinsamen Marktes kämen leider nur zögernd, erklärte Benedetti.

Der geringe Anteil der innereuropäischen Kooperationsabkommen beruhe darauf, so Benedetti, daß die technologischen Kenntnisse der Europäer sich nicht immer gegenseitig ergänzen und die europäischen Unternehmen auf den gleichen kleinen Märkten konkurrieren müßten. Deshalb seien weltweite Kooperationsabkommen für europäische EDV-Unternehmen absolut lebenswichtig und eine rein auf Europa beschränkte EDV-Entwicklung völlig unrealistisch.

Laut de Benedetti können die einzelnen multinationalen Konzerne ihre internationale Dimension nicht mehr nach dem für Multis traditionellen Schema der Auslandsinvestitionen erreichen. Sie müßten sich vielmehr durch grenzüberschreitende Kooperationsabkommen, durch Joint-ventures oder durch Produktions-, Vermarktungs- und Finanzabkommen internationaler ausrichten. Im Gegensatz zu früher würden nicht die Firmen als solche, sondern das Management und die Produktion international.

Europa hat nach de Benedetti in den siebziger Jahren bereits zuviel Zeit mit verfehlten innereuropäischen Projekten vergeudet und drei Viertel seiner Haushaltsmittel für die Landwirtschaft eingesetzt Wenn jetzt 750 Millionen Ecu (eine Ecu ist 2,24 Mark) für das Esprit-Programm eingesetzt würden, so sei das in fünf Jahren nur ein bescheidener Betrag. Er sei jedoch deshalb so wichtig, weil er zur Intensivierung der Zusammenarbeit europäischer Unternehmen führen werde, die bisher keine ausreichend breite Grundlage angesichts der Aufteilung der nationalen Märkte gehabt hätte.

Der Berater der EG-Kommission für das Esprit-Programm, Andre Danzin, ließ offen, ob und inwieweit die Mittel des Programmes vorzugsweise rein europäischen Unternehmen zukommen sollten. Eine rein auf solche Unternehmen beschränkte Mittelvergabe sei ebensowenig wahrscheinlich wie eine Orientierung auf Projekte, an denen in erster Linie außereuropäische Multis interessiert seien.