Welchen Nuten bringen DV-Fachverbände dem Anwender ?

14.08.1987

Ob Wissenschaftler oder Rechenzentrumsleiter - jeder Anwender, der sich organisieren will, findet eine passende Vereinigung. Der eine fühlt sich im ADI gut aufgehoben, der andere favorisiert vielleicht die Gesellschaft für Informatik oder eine herstellernahe User Group. "Für die Arbeit in Verbänden muß sehr viel Zeit investiert werden", argumentiert Günter Hagen vom Flughafen München dafür, sich andernorts fachlich zu informieren. Bürokratisierung befürchtet Harald Warmers vom Mainzer Getränkekonzern Peter Eckes für die Arbeit herstellerunabhäginger Fachverbände. Vorteile für seine Aktivitäten im Siemens-Informationstechnik Anwerderverein e. V. (Save) sieht er jedoch darin, daß er frühzeitig Informationen vom Hersteller über künftige Entwicklungen und neue Produkte erhält.

Unser Unternehmen arbeitet seit sechs Jahren bei Save mit, dem Benutzerkreis von Siemens-Anwendern. Dabei können wir auf die besten Erfahrungen verweisen sowohl in den einzelnen Facharbeitskreisen als auch in der Managementgruppe .

Ingesamt scheint wichtig zu sein, daß wir als Gruppe von Anwendern gegenüber dem Hersteller einen Teil unserer

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Harald Warmers DV-Leiter, Peter Eckes KGmbH, Nieder-Olm

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vorstellungen durchsetzen können, was dem einzelnen Anwender nicht so gut möglich ist. Zum anderen profitieren wir sehr stark davon, daß wir frühzeitig wichtige Informationen über künftige Entwicklungen vom Hersteller erhalten. Wichtig ist auch der Erfahrungs- und Ideenaustausch mit anderen Benutzern, besonders während der jährlich etwa dreimal stattfindenden Gruppentreffen.

Außerdem sehe ich einen Vorteil darin, daß der Hersteller deutliche Hinweise aus dem Benutzerkreis bekommt, wenn es um Lieferkonditionen oder -zeiten einzelner Produkte geht. Die im Save zusammengeschlossenen Benutzer haben diesbezüglich schon einige Erfolge erzielt.

Unsere Arbeit bei Save ist zwar spezialisiert auf das Produktfeld eines Herstellers. Entgegen manchen Vorurteilen werden wir aber nicht vom Hersteller finanziert. In der Vereinigung sind übrigens auch Anwender, die Systeme mehrerer Hersteller einsetzen und sich für Themen wie etwa Vernetzung von verschiedenen Systemen interessieren.

Herstellerunabhängige Fachverbände bergen die Gefahr in sich, daß die Arbeit zu stark bürokratisiert wird. Wenn man dieses Problem aus der Welt schaffen könnte gäbe es in einem Dachverband für Leute, die mit Informationsverarbeitung zu tun haben, ein weites Betätigungsfeld. Die Aufgabe übergeordneter, herstellerunabhängiger Verbände sehe ich darin, klare Berufsbilder der Datenverarbeitung zu schaffen, denn da gibt es nach wie vor reichlich Wildwuchs. Auf dem Feld der Normierung gibt es ebenfalls noch viel zu tun.

Von Benutzerverbänden, die ausschließlich auf die Systeme eines einzelnen Herstellers ausgerichtet sind, halte ich nicht sehr viel, weil die erzielbaren Ergebnisse für uns entweder nicht relevant oder im Vergleich zum Zeitaufwand zu mager sind. Da ist es schon lohnender, sich inner-

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Günter Hagen Leiter Organisation und DV, Flughafen München GmbH

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ halb der Branche mit Betrieben gleicher Problemstellung zu unterhalten. Für die Arbeit in Verbänden muß sehr viel Zeit investiert werden, und die haben wir kaum übrig. Wir müssen unsere Kräfte darauf konzentrieren, Verfahren zu entwickeln und in Gang zu halten.

Wir als Flughafen-GmbH gehören dem öffentlichen Bereich an. Wir haben über die BVB festgelegte Vertragsmuster, so daß uns eine standardisierte Vertragsregelung, wie sie von Verbänden gefordert wird, nicht betreffen würde.

In bezug auf Standardisierungen im technischen Bereich kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Benutzerverband, der an Hersteller gebunden ist, Druck ausüben kann. Da müßten weltweit die Gremien beeinflußt werden, die die Normung voranbringen. Seitens der Anwender sollte niemand mehr ein Gerät oder ein System kaufen, das bestimmten Normen und Standards nicht genügt. Dazu müßten Standardisierungen in Ausschreibungen und beim Kauf konsequent durchgesetzt werden. Anwendervereinigungen könnten Nachfragerichtungen formulieren, indem sie den Anwendern und der Öffentlichkeit systematisierte Informationen über das Produktangebot und über Testergebnisse vermitteln. Ein wichtiger Bereich, in dem Anwenderverbände tätig werden könnten, wäre die Förderung der Ergonomieforschung. Obwohl wir in diesem Bereich in Deutschland bereits große Fortschritte gemacht haben, gibt es noch viel zu tun.

Eine andere Sache ist die immer noch unrationelle Entwicklung und Wartung von Programmsystemen. Die auf dem Markt angebotenen Werkzeuge sind noch nicht sehr effektiv.

Große einzelne Anwender, wie zum Beispiel G Automobilhersteller, sind in der Lage, Druck auf Hersteller auszuüben und Wünsche durchzusetzen. Über Anwendervereinigungen kann der einzelne kleinere Anwender auch Einfluß auf den Hersteller nehmen. Ziel der Arbeit der Anwendervereinigungen ist es, bei den Anwendern häufig auftretende Probleme aufzuzeigen und den Bedarf für besondere Hard- oder Software gegenüber dem Hersteller zu artikulieren. Außerdem geht es darum, Standardisierungen zu forcieren. Die Anwender haben häufig Rech-

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Dieter Brinkmann Körber AG, Bergedorf

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Wünschenswert wäre, daß der Anwender sich das Equipment aussuchen kann, welches für seine Problemlösung das beste ist. Technisch ist eine Kommunikation zwischen Produkten verschiedener Hersteller heute erst sehr schwer möglich. Anwender gleicher Hard- und Software haben oft sehr ähnliche Probleme, die sie aber unterschiedlich gelöst haben.

Der DV-Leiter alter Art befindet sich seit einiger Zeit schon in einem Umstellungsprozeß. Viele unserer gestandenen DV-Leiter ignorieren dies zur Zeit noch und sitzen wie eine Glucke auf ihrem hausgemachten DV-Nest.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Günther Hischer Bundesvorstand des ADI (Anwenderverband Deutscher Informationsverarbeiter e.V.), Herford

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Sie wundern sich, wenn sie schon bald einen Kommunikationsmanager" vor die Nase gesetzt bekommen, der auch den DV-Bereich mitgestaltet.

Hier sieht der ADI-Verband eine seiner Aufgaben: die Weiterbildung der DV-Leiter und Anwender in Seminaren und info-Veranstaltungen. Diese werden in den jeweiligen Landesverbänden durchgeführt unter dem Schwerpunktthema "Aus der Praxis für die Praxis". Sie umfassen aktuelle Themen (zur Zeit unter anderem ISDN, PC mit Host-Anbindung, Sprachen der vierten Generation, Bürokommunikation). Neuheiten aus dem Hardwarebereich werden oft von den Herstellern, selbst vorgestellt.

Ferner gibt es lebhafte Fachdiskussionen und auch Exkursionen zu großen Anwenderfirmen. Bei diesen regelmäßigen Verbandsveranstaltungen findet der DV-Profi zum jeweiligen Fachthema seinen kompetenten Gesprächspartner.

Der ADI ist der Fachverband der Experten in der Datenverarbeitung und Informationstechnologie. Zu seinen Aufgaben gehört nicht direkt die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer; die tarifvertragliche Bewertung von Arbeitsplätzen beispielsweise ist eine Angelegenheit der Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

Die Tarifvertragspartner haben vielfach relativ detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen formuliert, zum Beispiel im Bundesangestelltentarif (BAT); ähnliches gilt auch für die Banken. Für kleinere und mittlere Betriebe allerdings sind diese Stellenbeschreibungen oft nicht anwendbar, da hier die DV- oder Bürokommunikationsexperten Mädchen für alles sind. In Arbeitsplatz- und Stellenbeschreibungen läßt sich das gar nicht ausdrucken.

Aufgabe des Anwender-Fachverbandes dagegen ist es, neue Berufsbilder, neue Ausbildungswege und neue Prüfungsordnungen zu initiieren, zum Beispiel für

-Datenbankmanager,

-Informationsmanager,

-Systemkoordinatoren,

-Telekommunikationsexperten oder

-CAD-Experten.

In einigen Teilen der Bundesrepublik bietet der ADI ein aktives Forum für den Gedanken- und Erfahrungsaustausch der Datenverarbeiter. Aus Seminaren, Kursen und Diskussionen kennen sich die Fachleute mehrerer Ebenen und tauschen ihre Erfahrungen aus.

Weiterhin muß der Fachverband sich für die freie Kommunikation von Terminal zu Terminal einsetzen. Hierfür ist eine herstellerneutrale Standardisierung unumgänglich. Alle generellen Interessen der Standardisierung werden deshalb vom ADI aufgenommen und vertreten.

Es ist wichtig, einen Rahmen für die Standardisierung aus der Sicht der Anwender zu schaffen. Die Einzelheiten müssen den Experten in den zuständigen Gremien, zum Beispiel DIN oder ISO/OSI, überlassen werden. Das setzt voraus, daß die Anwender von ihrer Denkweise her nicht in die Herstellerwelten eingebunden sind. In der Büro- und Telekommunikation ist es wichtig, daß sie mit der EG-Kommission, den Postverwaltungen und den Herstellerverbänden, den Standardisierungsgremien und den Repräsentanten der Standards MAP und TOP Meinungen austauschen. Vertreter der Anwenderverbände sind deshalb auch in die europäischen Standardisierungsverbände für funktionale Standards, Emug (für MAP) und Ositop (für TOP), eingebunden.

Der deutsche Anwenderverband ist aktives Mitglied in der europäischen Dachorganisation CECUA (Confederation of European Computer Users As-

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Tilo Steinbrinck Datenzentrale Schieswig-Hoisteing Kiel-Altenholz

------------------------------------------------------------------------------------------------------------- sociation). Die CECUA verfolgt Themen wie:

-herstellerunabhängige Modellverträge,

-länderübergreifende Handhabung des Datenschutzes,

-Copyright und Qualität von Software,

-Bürokommunikations-Probleme,

-Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit von Bildschirmen und Workstations,

-Probleme der mittleren und kleineren Anwender,

-Aus- und Fortbildung, Berufsbilder, Prüfungsordnungen gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen,

-europäische Forschungsaktivitäten in den Programmen Esprit und Race.

Damit können sich durch Hersteller gesponserte Anwenderverbände wie Guide, Save oder Decus nur teilweise beschäftigen. Sie sind an der Welt ihrer spezifischen Lieferanten orientiert. Allerdings sind viele aktive Mitglieder des ADI gleichzeitig aktive Mitglieder in diesen herstellerorientierten User-Gruppen.

DV-Leiter und -Experten sind oft beruflich so stark beansprucht, daß sie nicht die Zeit haben, sich in die notwendigen Diskussionen um die genannten Themen einzuschalten. Hier vertritt sie der Fachverband. In der Fachpresse findet auch die öffentliche Auseinandersetzung mit den Herstellern - manchmal auch mit der Post und Regierungsstellen - statt.

Der ADI wünscht sich eine stärkere Teilnahme von Experten an seinen Arbeitskreisen

-Standardisierung,

-Telekommunikation,

-Verträge,

-Datenschutz und Datensicherung,

-Ausbildung.

Weiterhin ist wünschenswert, daß sich die einschlägigen Vereinigungen - wie in den meisten Staaten der Europäischen Gemeinschaft auch in der Bundesrepublik in einer Dachorganisation zusammenschließen. Hierzu müssen sich alle Datenverarbeiter an einen Tisch setzen: Wissenschaftler mit DV-Leitern mittelständischer Betriebe, Telekommunikations-Experten mit Anwendern an PCs und mit PC-Freaks.