Welche Kriterien bestimmen die Systemauswahl?

24.02.1978

Vorbei die Zeit der Bit-Fummelei und Renommier-lnstallationen. Sollte man meinen. Den mündigen Anwender interessiert längst nicht mehr, was in seiner "Kiste" vorgeht, mit welcher Nanosekunden-Geschwindigkeit der Hauptspeicher-Zyklus abläuft. Wichtig ist, neben dem Preis, was eingegeben werden muß und was herauskommt, predigen die Software-Apostel. Überraschendes Ergebnis der CW-Umfrage zum Thema: EDV-Leiter orientieren sich nach wie vor hauptsächlich an den Leistungsmerkmalen der Maschine; wenn es darum geht, neue Hardware anzuschaffen. Das gilt insbesondere für "alte Hasen", die in puncto Software ohnehin von außen kaum beeinflußbar sind. hö

KIaus Brökelmann

Hauptabteilung Betriebswirtschaft und Organisation, Triumph International, München

Bei den Kriterien zur Systemauswahl muß man grundsätzlich unterscheiden, ob es sich um ein kleineres Unternehmen handelt oder ob bereits Groß-EDV mit entsprechend ausreichender Programmierkapazität im Hause ist. Beim kleineren Betrieb steht die mit der Hardware angebotene Anwendungs-Software als Auswahlkriterium an erster Stelle. Bei großen Unternehmen mit eigenen Abteilungen für Systemanalyse und Programmierung ist der wichtigste Punkt für eine Entscheidung die Hardware. Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß die Systemsoftware (das Betriebssystem) einen Teil dieser Hardware darstellt und nicht davon losgelöst betrachtet werden darf. Bei uns wird bei derartigen Entscheidungs-Prozessen her auch immer die Hardware das wichtigste Auswahlkriterium sein. Da wir über genügend Know-how in der Systemanalyse und Programmierung verfügen, kommt es bei uns darauf an, was die Hardware kostet. Den Preis für die Software können wir selbst bestimmen.

Bernd J. Holtbrügge

Leiter der Organisation und Datenverarbeitung PIV-Antrieb, Werner Reimers KG, Bad Homburg

Software-Kriterien gewinnen bei der Systemauswahl grundlegend an Bedeutung, ohne daß dabei Hardware-Kriterien vernachlässigt werden. Dies steht vernünftigen Einklang mit dem Vormarsch von System-und Standard-Software zur Dämpfung der Personalkostenexpansion im EDV-Bereich.

Mit steigendem Anteil der Software am EDV-Budget müssen geplante Software -Amortisationszeiten strenger als früher eingehalten werden. Bei nicht auf andere Hardware übertragbarer System-und Standardsoftware bedeutet dies eine ebenso lange Bindung an die von dieser Software abhängigen Hardware. In der Praxis wird diese Zeit der Bindung noch dadurch verlängert, daß im Laufe der Zeit weitere ergänzende Software hinzugekauft wird. Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß auch heute noch die Umstellung der eigengefertigten Software auf eine neue Hardware mit erheblichem Aufwand und Risiko verbunden ist, dann erkennt man, in welch weitem Maße die Systemauswahl von Gesichtspunkten der Software bestimmt wird.

Mit der Auswahl der Software wird die Leistungsfähigkeit der EDV entscheidend beeinflußt. Aus diesem Grunde und wegen der Schwierigkeiten, für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Software geeignete quantitative Kriterien zu finden, erfordert die Auswahl der Software mehr Zeit als die Auswahl der davon abhängigen Hardware, für die vergleichsfähige, quantitative Leistungsdaten von den Herstellern zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Software-Auswahl, insbesondere für Datenbank und TP-Monitore, sind folgende Kriterien zu beachten.

-Antwortzeit und durchsatzbeeinflussende Faktoren

-langfristige Verträglichkeit verschiedener Softwarepakete und ihrer Weiterentwik- klung

-Leistungs-und Lebensfähigkeit des Softwarelieferanten

- Anpassung der Software an neue Hardware-Spezifikationen

- Letztendlich geht es um die langfristig gesicherte Ausgewogenheit von Soft-und Hardware. Wichtige Hardware-Kriterien sind:

-Antwortzeiten und durchsatzbestimmende Faktoren

- Zuverlässigkeit der Hardware und Wartung

-Austauschbarkeit einzelner Geräte innerhalb der Mindestmietzeit

-hoher Wiederverkaufswert bei vorzeitiger Ablösung (Leasingvertrag)

-Hersteller-Unterstützung (Tuning)

-Mix-Fähigkeit

-Vernünftiges Verhältnis von Preis und Leistung

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Wilhelm B. Koch

Hauptabteilung Datenverarbeitung und Informatik, Industrieanlagen -Betriebsgesellschaft mbH, München

Um ein Kriterium für die Systemauswahl zu finden, darf man heute Hardware und Software nicht voneinander trennen . Wichtig ist, was man für den Preis, den man bezahlen muß, an Computerkapazität geliefert bekommt. Soll ein Großrechner ausgewählt werden, kommt es selbstverständlich auf den Systemdurchsatz, auf die Turn Around-Zeiten und die Antwortzeiten an. Allerdings sind das nur Teilprobleme, die bei der Auswahl mitberücksichtigt werden, jedoch nicht ausschlaggebend sein sollten.

Bei unserer letzten Entscheidung über die Anschaffung neuer Hardware wurde in einer ersten Grobauswahl zunächst die Leistungsdaten die Betriebssicherheit untersucht. Als es jedoch darum ging, zwischen zwei Herstellern zu wählen, war als Auswahlskriterium einmal der Gesamtpreis-also Hardware plus Wartung und Software-und zudem das

insgesamt mögliche Leistungsspektrum des Systems wichtig. Dies konnten wir nur durch umfangreiche Benchmarks bei unterschiedlichen Herstellern feststellen. Dabei sind wir zu

verblüffenden Ergebnissen gekommen: Wenn Rechner mit den üblichen Vergleichswerten (zum Beispiel den Auerbach-Angaben) gegenübergestellt werden, überrascht es sehr, wenn eines dieser Systeme bei Hinzuziehen des Betriebssystems weitaus schlechter abschneidet. Speicherzykluszeiten und ähnliche Kriterien sagen heute einfach nicht mehr viel aus. Bei sehr langen Speicherzyklen kann durchaus ein großer Durchsatz erzielt werden, wenn beispielsweise zehn parallel arbeitende Prozessoren angeschlossen werden können.

Dr. H. G. Hegering

Leiter Abt. Rechnersysteme, Leibnitz-Rechenzentrum, München

Steht bei uns die Anschaffung eines neuen EDV-System ins Haus, halten wir uns ganz strikt an die ReihenfoIge unserer vier Auswahlkriterien: Am wichtigsten erscheint uns, das eine ausgewogene Leistung des Gesamtsystems für unser Betriebsbild vorliegt. Dieses Betriebsbild erarbeiten wir durch intensive Benchmarks, die sowohl Stapel -, Dialog-und gemischten Betrieb umfassen. Das Benchmark-Profil ist das Resultat umfassender Betriebsbeobachtungen, Stichproben von Programmen, ferner Beratungstätigkeiten sowie Benutzerumfragen.

Das zweitwichtigste Auswahlkriterium sehen wir in der Einzelheit der Benutzervorschriften des Systems. Darunter verstehen wir einmal die Benutzerschnittstelle,

also die Operatorschnittstelle: Die Kommandosprache muß eigentlich sein für den Stapel -,

Dialog -, und Remote-Job-Entry-Betrieb. Wichtig ist auch eine klar definierte Rechenzentrum-Schnittstelle. Es muß leicht möglich sein, etwa Anforderungen, die sich aus dem Accounting ergeben oder das Bilden bestimmter Sammeldienste oder Job -Klassen. Das dritte Kriterium für die Systemauswahl ist die Fehlersicherheit und das Recovery der AnIage und zuletzt - als vierten Punkt - betrachten wir den Preis des Systems.