Welche Konsequenz hat totales Unbundling?

28.03.1978

Die Mainframer - und unter ihnen insbesondere IBM - gehen in letzter Zeit immer mehr dazu über, systemnahe Software zu berechnen. Das mag zwar im Interesse einer besseren Vergleichbarkeit der Angebote durchaus erstrebenswert sein (dann weiß man wenigstens, was die "nackte" Hardware kostet), ob kleinere und mittlere Anwender indes vom Know-how her in der Lage sind, sich die jeweils erforderliche Software zusammenzukaufen, darf mit Recht angezweifelt werden. Aber auch für Großanwender könnte es ein Bumerang werden, denn: An Systemsoftware kann nicht gespart werden, und so dürfte totales Unbundling zur Konsequenz haben, daß die EDV-Kosten - trotz Hardware-Preisverfall - zunehmen. hö

Thilo Steinbrinck

Vorsitzender des ADL-Verbandes, Kiel

Grundsätzlich ist zum Unbundling festzustellen, daß Hard- (und Betriebs-) Software eine Einheit bilden - sie sind notwendige, aufeinander abgestimmte Bestandteile einer DV-Anlage. Sie gehören zueinander, sie müssen gemeinsam funktionieren und müssen miteinander betrieben und für den Dauerbetrieb gewartet werden. Daraus folgert, daß nach deutscher Geschäfts- und Rechtsauffassung zumindest diejenigen Teile der Software, die zum unmittelbaren Betrieb der Hardware notwendig sind, unverzichtbare Bestandteile der Hardware sind und bleiben müssen. Das bedeutet weiterhin, daß betriebssystemnahe Software nicht zum Unbundling gehören darf - dies dürfte auch derzeit unumstritten sein, wenn auch gewisse ausländische (besonders amerikanische) Firmen zur Zeit versuchen, andere geschäftliche Methoden einzuführen. Hierzu ist zu bemerken: Andere Länder - andere Sitten. Anderer Länder Sitten brauchen bekanntlich nicht die besten zu sein...!

Wie weit jedoch Dienstprogramme - zum Beispiel Fast Dump Restore und andere Datenbank- und Fernverarbeitungsprogramme - zum unverzichtbaren Bestand einer Hardware-Anlage gehören, ist schon eher diskutierbar. Besonders die großen Hersteller sollten sich angelegen sein lassen, hier bestimmte Basis-Fernverarbeitungs- und Datenbank-Systemen den Benutzern kostenlos zur Verfügung zu stellen - dies gilt vor allem dann, wenn DV-Anlagen mit dem Zweck des Datenbank-Betriebes oder der Fernverarbeitung beschafft werden. Im übrigen ist die Frage der Angebotspolitik durch die Hersteller deren Angelegenheit, den Anwendern wird stärkstens geraten, sich bei der Angebotseinholung entsprechend zu erkundigen!

Die Unterschiede von einem Hersteller zum anderen sind signifikant und können die Angebotssituation wesentlich verändern, wie die Erfahrungen lehren!

Im übrigen sollten die Anwender prüfen, ob sie die standardmäßig vorgehaltene Software der Hersteller benutzen wollen, oder ob es günstigere Programme oder Programmsysteme der Software-Industrie gibt. Heute werden bereits auf vielen Gebieten erheblich günstigere (und kompatible!) Programmpakete angeboten wie zum Beispiel für Datenbanken, Datenfernverarbeitung, Dienstprogramme etc.! Der Anwender sollte also die Wahl haben zwischen der standardmäßig vorgehaltenen Software der Hersteller und den Software-Produkten der Software-Häuser.

Bei kleineren und mittleren Systemen ist die Situation etwas anders: In vielen Fällen sind die Anwenderprogramme so auf die Maschinensprache der Systeme zugeschnitten, daß keine Trennung nach den obengenannten Kategorien möglich und sinnvoll ist. Dadurch ist es jedoch noch unabdingbarer, daß die Software zusammen mit der Hardware angeboten wird und als Bestandteil des kompletten Systems "Maschine/Software" zu berachten ist. Als Anwender solte man immer darauf bestehen, ein vollständiges Angebot von Hard- und Anwendungssoftware mit einer entsprechenden Funktionsgarantie anzufordern und zu erhalten. Es geht nicht an, daß nur Hardware und Rudimente der Betriebssoftware geliefert werden und daß man dann vor allem die kleineren und mittleren Anwender (ohne entsprechende einschlägige Erfahrungen) dem Abenteuer eines "auf seine Belange zugeschnittenen" Programmsystems durch einen (dritten) Software-Hersteller überläßt, ohne daß man die Anforderungen, die Kosten und die Grenzen des Software-Paketes vorher im Ursprungs-Angebot und Auftrag ausreichend genau festlegen konnte. Hier schleichen sich derzeit von jenseits des großen Teiches ausgesprochen üble Unsitten ein!

Vinod Bahl

Aerea-Manager Westinghouse, Düsseldorf

Grundsätzlich begrüßen wir es, daß sich IBM für die Einführung des Unbundling-Systems entschieden hat! Dem Benutzer von Systemsoftware kommt es zugute, wenn sich der Kreis der Software-Anbieter erweitert und auch wir sehen für uns im Hinblick auf das von uns angebotene Preis-/Leistungsverhältnis im Vergleich zu unseren Mitbewerbern nur Vorteile. Es ist allerdings zu wünschen, daß IBM "echtes" Unbundling durchführt. Wir verstehen darunter, daß die IBM die Preise für ihre Software auch tatsächlich den Marktverhältnissen anpaßt. Nur so kann fairer Wettbewerb stattfinden.

Franz X. Müller

SDI DEUTSCHLAND, München

Bisher haben die Hersteller das Betriebssystem und zusätzliche Komponenten kostenlos abgegeben. Es gibt Anzeichen dafür, daß sich dies jedoch ändert, das heißt, daß auch Betriebssystemkomponenten auch in Zukunft Geld kosten (IBM REL. 34 - ADVANCED FUNCTIONS).

Die Politik der Hardware-Hersteller ist seit Jahren auf eine verbilligte Preisgestaltung auf dem Hardware-Sektor und dafür auf eine erhöhte Preisgestaltung im Bereich der Software ausgelegt.

Diese Politik ist schon deshalb notwendig, um kartellrechtliche Folgen abzuwenden.

Die Situation auf dem Softwaremarkt war bisher denkbar einfach. Herstellersoftware war kostenlos, Software eines Softwarehauses kostete Geld. Die Entscheidung konnte man sich einfach machen. Sie fiel fast immer zugunsten der kostenlosen Software aus.

Daß Herstellersoftware allerdings indirekt, auch wenn sie kostenlos ist, sehr viel Geld kosten kann, weiß der EDV-Anwender, der durch Vergleichsläufe auch den Softwarehäusern jene Chance gegeben hat. In der Regel machen dann nämlich die das Rennen.

Gründe hierfür sind, daß die Software des Herstellers zwar die an sie gerichteten Mindestanforderungen erfüllt, aber auch gleichzeitig dazu dient, Hardware zu verkaufen und die durch billigere Hardwarepreise entstehenden Umsatzrückgänge über die Software wieder hereinzubekommen.

Für den Anwender hat dies mehrere Konsequenzen. War bisher die Hardware der Hersteller fast konkurrenzlos, so entsteht den Hardware-Herstellern auf der Software-Seite eine starke Konkurrenz in Form von Softwarehäusern. Für den Anwender heißt das, daß er hier die Möglichkeit besitzt, durch einen Benchmark die für seine Anlage optimale Software einkaufen zu können. Er wird jetzt also verstärkt auf geeignete Instrumente zur Entscheidungsfindung zurückgreifen müssen (zum Beispiel ISIS-Software-Report, Referenzen, Seminare, Aufbau oder Vergrößerung der Systemprogrammierung).

Der Anwender wird jetzt also noch stärker in die Verantwortung genommen. Für mündige und moderne Anwender ist das allerdings nichts Neues.

Werner H. Wiesehahn

Geschäftsführer der CAP Gemini GmbH, München

Als IBM vor Jahren mit dem Unbundling begann, hießt die offizielle Begründung etwa: Sonderentwicklung für komplexe Software-Systeme können nicht mehr über den Hardware-Preis finanziert werden.

Heute, im Zeichen eines permanenten Preisverfalls als Ergebnis der Miniaturisierung der Elektronik und des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes, haben alle Hersteller keine andere Wahl mehr, als nach Ersatz für die Umsatz- und Ergebnisschmälerung beim Hardware-Vertrieb zu suchen.

Die Lösung heißt für sie: Unbundling.

Die Konsequenz für den Anwender lautet daher: Preisvergleiche zwischen verschiedenen Hardware-Anbietern müssen heute die Kosten für Basis- und Anwendersoftware einbeziehen. Ebenso werden die Honorare für personelle Unterstützung von Bedeutung.

Wie die Beispiele Datenbanken, Sort, TP Software etc. zeigen, treten die Hardware-Hersteller mit dem Unbundling in Konkurrenz zur unabhängigen Software-Branche und der Anwender hat die Möglichkeit, auf unabhängige Software-Anbieter auszuweichen.

Neben dem Begriff Mixed-Hardware wird damit auch die Mixed-Software bald zur Selbstverständlichkeit in der EDV werden. Übrigens eine interessante Herausforderung an die Software-Branche.

Ob das Unbundling finanzielle Vorteile für den Anwender bieten wird, muß bezweifelt werden. Allein schon deshalb, weil die Software noch bei weitem nicht die Möglichkeiten der Hardware ausnutzt und deshalb immer komplexer und teurer wird. Der Tag, an dem die Software in der Anschaffung insgesamt kostspieliger sein wird, als die Hardware, ist sicher nicht mehr fern.