Fehlende Netzeffekte, Enterprise-Software, Compliance, Hierarchie

Welche Faktoren das Enterprise 2.0 ausbremsen

04.06.2009
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Ungeeignet für das öffentliche Web

Die geringe Reichweite der Firmensoftware ist teilweise durch die Art der Implementierung bedingt, etwa wenn sie an ein internes Directory gebunden ist. Dann können externen Benutzern keine Rechte erteilt werden, ohne für sie ein internes Konto anzulegen. In anderen Fällen ist das Design der Produkte von der Annahme geprägt, dass sie in der relativ geschützten Umgebung des Firmennetzes laufen.

So besitzen etwa Blogs unter Sharepoint keinen Filter, der sie gegen maschinell erzeugten Kommentarspam schützt. Es gibt zwar Behelfsmaßnahmen, mit denen sich die größte Flut abwehren lässt, sie beschränken aber den Komfort des Besuchers und wären für die ohnehin nicht unterstützten Trackbacks nicht ausreichend. Ein weiteres Beispiel ist das Rechte-Management von Lotus Connections. Bei einer Installation im öffentlichen Internet kann ein Benutzer zwar sein Blog für jeden Besucher öffnen, aber gleichzeitig nicht verhindern, dass seine persönliche Profilseite allgemein einsehbar ist.

Compliance als Bremse

Im Unterschied von Privatpersonen, die sich mit Hilfe von Web-Tools für Projekte oder in Online-Communities zusammenschließen, müssen Firmen strengeren rechtlichen Anforderungen und Richtlinien genügen. Allerdings sind die Regeln nicht immer so verfasst, dass sich daraus klare Handlungsanleitungen ableiten lassen. Dies belegt etwa die in vielen Unternehmen herrschende Unsicherheit, welche digitalen Informationen tatsächlich archiviert werden müssen.

Für Anbieter von Enterprise-Content-Management-Software (ECM) ist das Thema Compliance daher ein willkommenes Verkaufsargument, das bei Bedarf mit drastischen Beispielen aus der (amerikanischen) Rechtsprechung gestützt wird. Bei der Einführung von Collaboration-Tools aus dem Web 2.0 stellen sich viele Verantwortliche die Frage, welche rechtliche Pflichten etwa mit der Nutzung von Wikis oder Weblogs einhergehen. Als noch problematischer erweist sich natürlich, wenn Mitarbeiter Dienste aus dem öffentlichen Web in der Arbeit einsetzen, etwa soziale Netzwerk wie Xing oder den Microblogging-Service Twitter.

Bookmarks ins Content-Repository

Die überall lauernden Compliance-Konflikte tragen dazu bei, die Reichweite von Social Software möglichst auf das Firmennetz einzuschränken. Opentext beispielsweise kommt Anwendern in diesem Anliegen entgegen, indem es unter dem Codenamen "Bloom" Tools entwickelt, die den Vorbildern aus dem Web hinsichtlich Bedienung und Anmutung möglichst nachempfunden sind. Sie beruhen aber auf einem komplexen ECM-System und können daher zentral kontrolliert werden, sogar jedes Bookmark eines Nutzers landet in einem zentralen Repository.

Das Beschneiden von Collaboration-Tools bringt diese nicht nur um mögliche Skaleneffekte, sondern läuft dem Konzept des Enterprise 2.0 entgegen, weil dieses durchlässigere Unternehmen propagiert, die sich stärker mit Partnern und Kunden vernetzen. Freilich hängt dieser Austausch nicht nur von unabänderlichen Rahmenbedingungen und den Eigenarten von Corporate Software ab, sondern auch davon, wie weit sich eine Firma öffnen möchte.