Weiterbildung beim Mittelständler: Ärmel hochkrempeln und handeln

07.11.2002
Von Gabriele Müller
Wer zum Mittelständler arbeiten geht, kann sich die vielen Seminare und Kurse abschminken, die Konzerne ihren Einsteigern anbieten. Wegen knapper Kassen steht eine stark am Job orientierte Fortbildung im Vordergrund.

"Lieber eine gute Position mit Entscheidungsfreiheit in einem mittelgroßen Unternehmen, als eine kleine Nummer unter zigtausend anderen" - so scheinen nicht viele junge Leute zu denken, wenn es um ihre Karriere geht. Doris Wendt, 29, und Gerhard Knarr, 35, sehen das anders. Die Physikerin und der promovierte Biologe arbeiten beide als Anwendungsentwickler bei der DMC Datenverarbeitungs- und Management-Consulting GmbH in München, einem Unternehmen, das sich trotz Krise in der IT auch weiter aktiv um Young Professionals und Studenten bemüht.

Personalleiter Robert Harst nennt dafür einen Grund, den so oder ähnlich sicher viele Mittelständler unterschreiben würden: "Unsere Firmenphilosophie setzt auf solides Wachstum statt auf kurzfristige Gewinne." Und was bedeutet das im Arbeitsalltag? Gerhard Knarr, der zurzeit in einem externen SAP-Projekt bei einem Kunden mitarbeitet, berichtet: "Ich habe eine Einstiegsposition als Programmierer gesucht, bei der ich Abwechslung und ein breit gefächertes Themenfeld finde, um möglichst viel zu lernen."

Im Mittelstand sind Generalisten gefragt.
Im Mittelstand sind Generalisten gefragt.

So wie Knarr wollen die meisten Bewerber, die den Mittelstand im Visier haben, sich eher zum Generalisten als zum Spezialisten ausbilden lassen. Die Chancen dafür sind gut, wie seine Kollegin Doris Wendt bestätigt: "Hier bin ich nicht Einzelkämpfer, sondern in ein Team integriert, von dem ich viel lernen kann. Ich habe die Möglichkeit, in völlig verschiedenen Projekten mitzuarbeiten und unterschiedlichste Erfahrungen zu machen."

 

Die beiden beschäftigen sich als Anwendungsentwickler mit Datenbankprogrammierung im Bereich der Finanzdienstleistung mit Internet-Technologien und SAP. Beide schätzen an ihrem Unternehmen nicht nur die flachen Hierarchien, die den schnellen persönlichen Kontakt zu allen Kollegen erlauben, sondern auch die individuell geplante Weiterbildung und Karriereförderung: "Das gleicht durchaus auch aus, dass in Großunternehmen vielleicht bessere Gehälter gezahlt werden", glauben sie. "

Bis zehn Tage Schulung

Jeder Programmierer bekommt im Jahr sicher fünf bis zehn Tage Schulungen, bei akutem Bedarf für neue Projekte auch mehr", erzählt Knarr. DMC-Personalchef Harst denkt vor allem an die "Employability" seiner Mitarbeiter, wie er es nennt: "Vermittlung von Team- und Kommunikationsfähigkeit stehen bei uns ganz oben, gefolgt von Projekt-Management-, Verhandlungs- und Mediationstraining.

Können Mittelständler also, wenn nicht unbedingt über das Gehalt und die berühmten Zusatzleistungen, dann wenigstens über ihr Weiterbildungsangebot und damit über Chancen zur fachlichen und persönlichen Entwicklung qualifiziertes Personal finden und binden? Da stimmt Gerd Vorreiter, Personaldirektor der Firma Divine GmbH in Hamburg, einer Tochter der amerikanischen Divine Inc., nur bedingt zu. "Nicht die Masse des Angebots macht es aus, sondern die Individualität," stellt er klar. "Die Weiterbildung wird schnell und unkompliziert auf den einzelnen Mitarbeiter zugeschnitten."

Für seine rund 150 Mitarbeiter hat Vorreiter deshalb auch keine fertigen Weiterbildungslösungen von der Stange oder "Weiterbildungskomplettpakete" bereit. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen: "Was möglich ist, machen wir auch." Da treffen sich bei Divine mittelständisches Selbstverständnis mit hanseatischer Denkweise und der zupackenden amerikanischen Mentalität, ist er überzeugt. Flache Hierarchien, kurze Wege, Rückgrat im Management hält er für die Stärken seines Unternehmens, mit denen er auch auf vielen Rekrutierungsveranstaltungen wirbt.

"Karriere heißt bei uns Förderung durch gezieltes Training, aber auch Eigeninitiative, Ärmel hochkrempeln und erst mal zeigen, was man kann." Deshalb bekommen die Azubis - fünf haben gerade ihre Ausbildung als IT-Kaufmann oder Fachinformatiker begonnen - einen Grundsatz mit auf den Weg: "Selbst handeln, nicht andere fragen." "In einem eher kleinen oder mittelständischen Unternehmen zählt die Identifikation mit dem Team und der ganzen Firma," fordert er von seinen Kollegen. Das schließt zwar Offenheit, aber eben auch Zuverlässigkeit ein - und vor allem unternehmerisches Denken und Handeln. "Genau so betrachten wir auch das Thema Weiterbildung," sagt Vorreiter.