Weiter Unklarheit ueber Compaqs RISC-Plaene Compaq-CEO Pfeiffer haelt sich die Option auf Power-PCs offen

18.02.1994

MUENCHEN (CW) - Vermutungen, die Compaq Computer Corp. werde in Kuerze eine auf dem Power-PC-Chip basierende Rechnerlinie in ihr Angebot aufnehmen, sind vom Geschaeftsfuehrer der Compaq Deutschland GmbH, Kurt Dobitsch, dementiert worden. Demgegenueber berichten sowohl das "Wall Street Journal" mit Bezug auf den obersten Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer als auch der britische Brancheninformationsdienst "Unigram X", Compaq wolle sich die RISC-Option auf alle Faelle offenhalten.

Man kann nicht behaupten, dass die RISC-Architektur des Power-PC- Chips von IBM und Motorola wenig Aufmerksamkeit in den Medien gefunden haette. Trotzdem wartet die Branche nach wie vor auf ein Schwergewicht aus der PC-Herstellerszene, das sich auf diese Plattform verpflichten wuerde. Bislang haben weder ALR, Dell, AST, NEC noch andere grosse PC-Hersteller entsprechende Erklaerungen abgegeben. Diese wuerden - so die einhellige Meinung unter Insidern - die Marktakzeptanz des Gemeinschaftsproduktes von Big Blue und Motorola erheblich befoerdern.

"Unigram X" berichtete in seiner juengsten Ausgabe von Spekulationen ueber Compaqs Interesse an der RISC-Architektur. Danach verdichte sich das Geruecht, der texanische Anbieter gehoere zu den ersten PC-Herstellern, die eine Systemlinie mit dem Power- PC-Chip verfuegbar machen wuerden.

Das "Wall Street Journal" zitiert in seiner Ausgabe vom 9. Februar 1994 Aeusserungen von Compaq-CEO Pfeiffer anlaesslich einer Pressekonferenz in London. Der deutsche Statthalter mit Sitz in Houston, Texas, glaubt zwar nicht, dass mit dem Power-PC-Chip ausgestattete Systeme sich schnell genug in ausreichender Zahl verkaufen, um einen Industriestandard zu kreieren. Trotzdem wolle man sich alle Optionen offenhalten. Die Wirtschaftszeitung gibt den Compaq-Boss mit den Worten wieder: "Momentan untersuchen wir, ob und wie wir PC-Systeme entwickeln koennen, die entweder mit Power-PC- oder Intel-Chips laufen."

In diesem Sinne aeusserte sich auch Compaqs Technologieverantwortlicher Gary Stimac. Er vertrat laut "Wall Street Journal" die Ueberzeugung, dass "die meisten Leute nicht von Intel- auf Power-PC-Systeme schwenken werden".

Compaq-Server soll bis 1995 unterschiedliche CPUs nutzen

Vordergruendig scheint der Vice-President Computersystems bei Compaq mit seiner zurueckhaltenden Einschaetzung der zukuenftigen Marktchancen von RISC-CPUs Flankenschutz aus der alten Welt zu bekommen: Digital Equipments Eintritt in den Massenmarkt der Intel-PCs mit Alpha-RISC-Systemen scheint - zumindest in Deutschland - ein wenig auf der Stelle zu treten.

Auf der Systems 93 in Muenchen verkuendete Vobis, man werde ein mit dem Alpha-Prozessor ausgestattetes System neben den Highscreen- und 08/15-PCs in die Produktpalette aufnehmen. Gut drei Monate spaeter sind die Alpha-Systeme entgegen anderslautenden Geruechten nicht aus den "Denkzettel"-Werbebroschueren der Marketiers aus Wuerselen bei Aachen verschwunden. Vielmehr senkte Vobis den Preis fuer den mit allen Schikanen ausgeruesteten Hochleistungsrechner sogar von knapp 10000 auf 8875 Mark.

"Unser erfolgreichstes Produkt", konstatiert Vobis-Sprecherin Janet Spacey-Rennings, "ist der Alpha-Rechner aber nicht gerade." Was bei einem traditionell an niedrigen Preisen orientierten Anbieter allerdings auch nicht verwundern sollte.

Nichtsdestotrotz, so Stimac, will Compaq bis 1995 oder 1996 ein multifunktionales Rechnersystem im Angebot haben. Anwender eines von Stimac als "Server"-PC bezeichneten Rechners seien in der Lage, ueber Prozessorkarten die unterschiedlichen CPU-Architekturen von Intel und IBM/Motorola, aber auch von Silicon Graphics (Mips- Architektur) zu benutzen.

Offensichtlich um die Geruechte nicht zu sehr ins Kraut schiessen zu lassen, malten Compaq-Offizielle in London die Zukunft der Power- PC-Architektur in dunklen Farbtoenen. Sehr verstaendlich fuer ein Unternehmen, das bislang voellig auf den Prozessorlieferanten Intel fixiert war.

Lange Zeit war es praktisch fuer alle bedeutenden PC-Hersteller der Welt tabu, fremdzugehen und neben Intel auch andere Prozessorhersteller als Hauslieferanten ins Auge zu fassen. Beispielhaft hierfuer war das Verhalten verschiedener PC-Anbieter auf der Herbst-Comdex 1990 in Las Vegas: Seinerzeit praesentierte AMD hinter dem Vorhang einen Rechner, dessen Intel-386-CPU mittels Chipaustausch durch einen AMD-386-Prozessor ersetzt wurde.

Ob Dell, Hewlett-Packard, AST, ALR, Toshiba - alle auf der US- Messe befragten PC-Produzenten gaben hinter vorgehaltener Hand zu, an aehnlichen Projekten zu arbeiten.

Keiner war jedoch bereit, dies oeffentlich einzugestehen. Uebereinstimmende Erklaerung: "Wir haben sehr gute Beziehungen zu Intel." Indirekt raeumten die Anbieter damit ein, dem fast monopolistisch auftretenden Halbleiterhersteller mehr oder weniger ausgeliefert zu sein.

Solche monotheistische Haltung gibt Compaq allerdings in Kuerze auf: Zu den im Maerz 1994 praesentierten neuen Rechnern wird auch eine PC-Linie gehoeren, die mit AMD-CPUs arbeitet. Auch dieser Seitensprung koennte ein Indiz fuer Compaqs Aufbruch zu neuen Ufern sein.

Demgegenueber versuchte Deutschland-Chef Dobitsch gegenueber der COMPUTERWOCHE, die entstandenen RISC-Geruechte abzuwehren: "Ich verstehe zwar, dass es eine grosse Sache waere, wenn mit IBM, Apple und Compaq die drei fuehrenden PC-Hersteller der Welt auch Power- PC-Systeme in ihrer Produktpalette fuehren wuerden. Diesbezuegliche Verhandlungen hat es aber nicht gegeben."

Die Produktplanung fuer 1994 und 1995 sehe kein Power-PC-Engagement seitens Compaq vor. Vor allem mit dieser zeitlichen Einschraenkung steht Dobitsch aber durchaus im Einklang mit Stimac.

Auch die Geruechte, Compaq stehe kurz vor einer Vereinbarung mit der Apple Computer Inc., derzufolge der PC-Hersteller fuer das Macintosh-Betriebssystem Lizenzrechte erhalte, wies Dobitsch zurueck.