SAP in "Matrix der Welt"

Weit mehr als IT

04.08.2009
Von Buxton Ima
Anzeige  "Matrix der Welt" beschreibt mit der Entwicklung von SAP eine beispiellose Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte im Technologie-Zeitalter. Da passt es ganz gut, dass der "SAP-Club" TSG Hoffenheim immerhin mal daran geschnuppert hat, das fußballerische Pendant zum IT-Spitzenreiter SAP zu werden. Achtung: Ein feine Analyse mit einer Menge Weitsicht.

Wieso Fußball? Hat sich der Weltkonzern SAP da nicht vergriffen? Stehen sich Traditionsbewusstsein und Weltgewandtheit, Ball-Technik und Hochtechnologie, Stammtischgerede und Wirtschafts-Know-how nicht eher gegenüber? Die Kritik am SAP-Engagement bei der TSG 1899 Hoffenheim aus den eigenen Stadionreihen reißt trotz sportlicher Erfolge nicht ab. "Retortenklub" schimpfen die Fans, die ihren Verein schon als Spielball der Walldorfer Software-Milliardäre wähnen. "Wenn der Hopp mal die Lust verliert", so tönte es den Autoren Ludwig Siegele und Joachim Zepelin aus den Stadien entgegen, "dann wird Hoffenheim schon wieder dorthin absteigen, wo der Klub hingehört, nach ganz unten".

Frank Biel, TSG Hoffenheim, Fußballbundesligist: "Wir wollen in der Buchhaltung best of class sein"

Ludwig Siegele und Joachim Zepelin "Matrix der Welt. SAP und der neue globale Kapitalismus", Campus, Frankfurt am Main 2009, 288 Seiten; 24,90 Euro
Ludwig Siegele und Joachim Zepelin "Matrix der Welt. SAP und der neue globale Kapitalismus", Campus, Frankfurt am Main 2009, 288 Seiten; 24,90 Euro
Foto: Campus Verlag

Bei genauer Betrachtung jedoch wirkt das SAP-Engagment in den einstigen Regionalligisten geradezu salomonisch. Denn die kurze Erfolgsgeschichte des Herbstmeisters 2008/09 lässt sich als konzeptionelles Double des eigenen Erfolges im Zeitraffer betrachten. Wie SAP stieg Hoffenheim zunächst steil auf, um später einen herben Rückschlag zu erleiden. Wie bei SAP pflegt Gründer Dietmar Hopp beim Klub einen Management-Stil mit den größten Freiheiten. Auch Technik spielt hüben wie drüben eine große Rolle: "Wir wollen innovative Themen aufgreifen", wird Hoffenheims kaufmännischer Leiter Frank Biel zitiert. "Wir wollen sogar in der Buchhaltung best of class sein." Der Einsatz von IT-Technologie geht dabei längst über die Grenzen des reinen Geschäftes hinaus, wie die Autoren statuieren. Die klassische Videoanalyse gehört ebenso zum Fußballalltag wie die Entwicklung einer individuellen Webseite, die über die Leistung eines jeden Spielers umfassend Auskunft gibt. Digitalisieren, Prozesse und Entwicklungen transparent machen: Das sei schließlich auch die Mission von SAP, so die Autoren.

Fußball ist also auf frappierende Weise exemplarisch für das Software-Haus. Verein wie Unternehmen haben das Umfeld, in dem sie sich entwickelten, aufgemischt. Deshalb hat der Vergleich mit dem Ballsport im Prolog des Buches einen trefflichen Platz gefunden. Wie es bei Hoffenheim nicht nur um Fußball geht, geht es im vorliegenden Buch nicht nur um Informationstechnologie. Es handelt vielmehr von Umbrüchen und Einbrüchen, die durch diese Technik erst verursacht , und von Märkten und Regionen, Unternehmen und Branchen, die maßgeblich von ihr beeinflusst wurden.

Ausgangspunkt des Buches wie des Konzerns SAP ist der Franziskanermönch Luca Pacioli, der die bis heute berühmte Methode der "doppelten Buchhaltung" erstmals beschrieb. 500 Jahre später hat SAP ein System zur Verarbeitung dieser betriebswirtschaftlichen Informationen im Sinne, lediglich unter zur Hilfenahme innovativer Technologien. Doch sie ist nur die Initialzündung der inzwischen über 30-jährigen SAP-Geschichte. Das Unternehmen musste zwischenzeitlich gesellschaftliche Umbrüche wie die Globalisierung, Wirtschaftskrisen wie die Dotcom-Krise und die aktuelle Finanzmarktkrise sowie technologische Herausforderungen wie Cloud-Computing verdauen.

Siegele und Zepelin gelingt in ihrer Darstellung der SAP-Geschichte mit all ihren Begleitumständen ein Blick in die Vergangenheit, frei von Bits und Bytes, der die Entwicklungen in Beziehung zum gesellschaftilchen und wirtschaftlichen Geschehen setzt. Auch schwierige Themen wie der Weggang des Vorstandes und Plattner-Ziehsohnes Shai Agassi 2007 oder der turbulenten Betriebsratsgründung 2006 nehmen Siegele und Zepelin sich an. In zweieinhalb Jahren haben die Autoren mit 50 Mitarbeitern von SAP gesprochen, darunter der gesamten Führungsebene, und haben langjährige Erfahrung als Technologie-Korrespondenten, was der Tiefgründigkeit und Lesbarkeit des Buches zu Gute kommt.