Wege aus der IT-Kostenfalle

30.05.2005
IT-Abteilungen verschwenden einen Gutteil ihrer Budgets. Das muss nicht sein.

20 Prozent der IT-Budgets sind für die Katz". Mit dieser Online-Meldung erntete www.computerwoche.de viel Aufmerksamkeit und - teils zustimmendes, teils kritisches - Feedback. Niemand bestritt den Wahrheitsgehalt dieser Überschrift: Einer Studie des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens A.T. Kearney zufolge halten etwa 60 von 200 befragten Topmanagern einen großen Teil der IT-Ausgaben für fehlinvestiert. Dirk Buchta, Vice-President und Mitglied der Geschäftsleitung bei A.T. Kearney, hält den in der Umfrage genannten Wert von 20 Prozent sogar für zu niedrig gegriffen. "Zählt man zum Beispiel die vielen technisch veranlassten Release-Wechsel sowie die klaren Doppelentwicklungen - weil die Business-Units alle ihr eigenes Finanzbuchhaltungs-System haben wollten - hinzu, so käme man wahrscheinlich eher auf über 30 Prozent."

Vielmehr stießen sich die Online-Leser vor allem an den Gründen für die angebliche Mittelverschwendung: Die internen IT-Abteilungen verharrten viel zu stark im operativen Geschäft, Innovationen seien von dort nicht mehr zu erwarten, so der Tenor. Einem offenbar persönlich Betroffenen gelang eine treffende Beschreibung des "klassischen Zielkonflikts", dem die IT-Leiter heute ausgesetzt sind: Solange das Ziel Budgetreduktion um jeden Preis heiße und alle IT-Kapazitäten, die "nicht niet- und nagelfest" seien, "veroffshort" würden, fehlten schlicht die Ressourcen, um Gestaltungsspielräume zu nutzen. Die viel beschworene "Anpassung an die Unternehmensziele" lasse sich kaum erzielen, weil sich aufgrund der Sparmaßnahmen die Leistungen auf Mindeststandards reduzierten. "Technologie und deren Weiterentwicklung sind nicht nebenbei und kostenlos zu haben", so das Fazit. Und wenn die Firmenleitungen das nicht einsähen, sei es nur möglich, "den Mangel bestmöglich zu verwalten".

Hebel statt Kostenfaktor

A.T.-Kearney-Geschäftsführer Buchta stellt das keineswegs in Abrede: "Häufig wird die IT nur als Kostenfaktor gesehen, nicht als Mittel zur Wertschöpfung", konstatiert er, "der Wert, den die IT erzeugt, fällt ja nicht dort an, sondern im Fachbereich." Die ausschließlich kostenbezogene Betrachtung der IT sei umso ärgerlicher, als die IT-Budgets ja zumeist nur 1,8 oder allenfalls einmal 2,3 Prozent vom Umsatz ausmachten, eine Senkung um zehn oder 20 Prozent also kaum ins Gewicht falle. Umso schwerer wiege hingegen die "strukturelle Hebelwirkung", die die IT ausüben könne.

Verantwortlich für das Dilemma - und den in der Studie nachgewiesenen schlechten Ruf - der IT sei, so räumt Buchta ein, auch ein gewisses Desinteresse des Topmanagements. Generell lasse sich beobachten, dass die IT in den Unternehmen schlecht posititioniert sei. Doch hierfür trügen die IT-Fachleute häufig selbst die Schuld: "Die IT darf sich nicht damit begnügen, die Vorgaben der Fachabteilungen einfach wegzuprogrammieren, das machen Ungarn oder Inder für deutlich weniger Geld."

Blick über den Tellerrand

Vom Tisch fegt der Berater auch den - ebenfalls online geäußerten - Einwand, für Innovationen sei die IT eigentlich nicht zuständig, sie müssten vielmehr in den Geschäftsbereichen entwickelt werden. "Selbstverständlich kommen Innovationen auch aus den Fachabteilungen, aber nur die Informatik weiß, wie sich solche Themen technisch umsetzen lassen," hält der A.T.-Kearney-Manager dem entgegen. Deshalb müsse die zunächst einmal technische Disziplin IT unbedingt ein Verständnis für das Geschäft "erwerben".

Wer jetzt fragt, wie die IT das anstellen soll, für den hat Buchta einen praktischen Tipp: "Die Anwendungsentwickler sollten nicht nur auf SAP-Schulungen gehen, sondern auch einmal eine Logistik- oder Vertriebskonferenz besuchen."

Zudem empfiehlt Buchta ein internes "Key-Accounting" als Mittel, um die IT kundenorientiert aufzustellen. Am "Front-end" zu den Anwendern bedürfe es eines Vermittlers, idealerweise eines Wirtschaftsinformatikers, der "auf Augenhöhe" mit dem Fachbereich spreche. Investitionsanträge dürften nicht mehr unter technischen Gesichtspunkten ("Wir brauchen neue Server, ein neues CRM-System etc.") formuliert werden, sondern im Hinblick auf den Nutzen ("Wir müssen mehr Umsatz pro Kunde generieren.").

Darüber hinaus hat A.T. Kearney vier Handlungsempfehlungen formuliert, die den CIOs helfen sollen, ihr Tagesgeschäft in den Griff zu bekommen und Freiräume für neue Ideen zu schaffen.

Asset-Portfolio überprüfen

Zum einen muss die IT ihre Denkrichtung umkehren - in Richtung auf den Wertbeitrag für das Unternehmen. Dass sie weiterhin versuchen wird, ihre Kosten zu senken, steht dabei außer Frage. Nichtsdestoweniger sollte sie zunächst die Asset-Portfolios daraufhin überprüfen, was die einzelnen IT-Bestandteile eigentlich zum Unternehmenserfolg beitragen. Anschließend sind die Fachbereiche zu fragen, welche Anforderungen sie konkret an die IT stellen, und zwar nicht im Hinblick auf die technische Ausstattung der Arbeitsplätze, sondern auf die Unterstützung ihres Geschäfts. Beide Aspekte zusammen liefern die Antwort auf die entscheidende Frage: Welche Werte kann die IT schaffen, und wo soll das Unternehmen folglich investieren?

Zweitens muss die IT ihre Komplexität verringern, um den maximalen Ertrag aus ihren begrenzten Ressourcen zu gewinnen. Denn ihre Daseinsberechtigung bezieht die interne IT nach wie vor aus ihrer Leistungsfähigkeit. Weniger Komplexität lässt sich in der Regel durch Standardisierung erzielen. Es ist also für die IT überlebensnotwendig, die Architektur und die Produkte daraufhin zu untersuchen, wo sie sich stärker vereinheitlichen lassen. Die beste Alternative sind Komponenten, die unternehmensübergreifend eingesetzt werden können.

Zum dritten darf die IT vor der Anbindung von Lieferanten und Endkunden nicht Halt machen, wenn sie das Unternehmensgeschäft als Ganzes im Auge behalten will. Ein gutes Beispiel dafür sind Tracking-and-Tracing-Systeme im Internet, wie sie die Transportdienstleister seit einiger Zeit anbieten. Voraussetzung für solche wertsteigernden Lösungen ist jedoch, dass die IT-Abteilung alle neuen technischen Möglichkeiten verfolgt und erkennt, wann sie übernommen, wie sie gebündelt und auf welche Weise sie genutzt werden sollten.

Viertens und letztens managen viele Unternehmen die Personal-Ressourcen falsch: Für neue Aufgaben holt man externe Kräfte, für die eigenen Mitarbeiter bleibt die eher langweilige Pflege der technisch ausgereiften Anwendungen übrig. Dabei wäre es anders herum viel sinnvoller, erläutert Buchta. So gebe es beispielsweise für das Desktop-Management heute standardisierte Serviceangebote, mit denen die eigenen Ressourcen kaum konkurrieren könnten. Die frei werdenden Inhouse-Kapazitäten ließen sich - soweit möglich - für neue, Wert generierende Lösungen einsetzen. In die innovative Bereiche gehören eigene Leute, nicht teuer von außen eingekaufte, rät der A.T.-Kearney-Manager: "Sonst steht über kurz oder lang die Frage im Raum, warum sich das Unternehmen überhaupt noch eine eigene IT leisten soll."

Diese vier Handlungsempfehlungen lassen sich innerhalb herkömmlicher IT-Organisationen nur schwer befolgen. Die von A.T. Kearny skizzierte "IT-Organisation der Zukunft" orientiert sich deshalb nicht mehr an technischen Funktionen und Asset-Typen (Anwendungen, Hardware etc.), sondern an Geschäftsbedürfnissen und technischen Reifezyklen. Nach diesen Gesichtspunkten betreibt sie auch ihr Asset-Management.

Letztlich könnten sogar die CIO-Gehälter - zumindest teilweise - vom Beitrag der IT zum Unternehmenserfolgs abhängen. Sicher sei die Messbarkeit ein heikler Punkt, konzediert Buchta: "Aber das gilt für die meisten Incentivierungssysteme." Auf jeden Fall sei diese Art der Leistungsbewertung sinnvoller als die übliche Messlatte: "Das Budget einzuhalten bedeute im Grund überhaupt nichts. 1,8 oder 2,3 Prozent vom Umsatz kann ich mehr oder weniger intelligent ausgeben. Und die einfachste Möglichkeit, die IT-Kosten zu senken, besteht darin, die IT ganz zu schließen, dann habe ich null Kosten, aber auch null Nutzen."