Leserbrief

Weder Mythos noch Dogma

01.11.1996

Ihrer These "Der Mythos GUUG ist zerstört" muß ich insofern widersprechen, als man schwerlich etwas zerstören kann, was nicht existiert. Die GUUG ist weder Mythos noch Dogma, sondern schlicht ein eingetragener Verein, der die Interessen der Unix-Anwender in Deutschland vertreten soll. Solange es in Deutschland eine große und immer noch wachsende Zahl solcher Anwender gibt, ist die Existenz eines derartigen Vereins sinnvoll.

Dies gilt grundsätzlich auch vor dem Hintergrund, daß es in den letzten zwei Jahren zu bedauerlichen, aber immer noch korrigierbaren Fehlentwicklungen gekommen ist. Es steht außer Zweifel, daß die Einrichtung getrennter Veranstaltungen in Leipzig und Wiesbaden aus heutiger Sicht ein solcher Mißgriff war. Das Kind nun sprichwörtlich mit dem Bade auszuschütten, wie Sie es mit der abschließenden Behauptung Ihres Kommentars ("In Wirklichkeit will niemand ernsthaft eine Unix-Messe zurückhaben") getan haben, ist allerdings nicht sinnvoll. Eine gezielte, wenn auch keineswegs repräsentative Befragung ehemaliger Besucher und aktueller Aussteller in Leipzig und Wiesbaden zeigt durchaus, daß auf beiden Seiten weiterhin ein latentes Interesse an einer Konferenzmesse im Stile der GUUG-Offene-Systeme-Veranstaltung der Vergangenheit besteht. Die erfreulich hohe Anzahl von Konferenzteilnehmern in Leipzig verdeutlicht das ebenso wie die Tatsache, daß Trends wie zum Beispiel Objektorientierung, Java oder Internet ihren Ursprung und ihre Hauptpräsenz im Unix-Umfeld haben.

Es ist jedoch auch an der Zeit, sich neuen Themen zu widmen. So wird zwar in vielen Organisationen die SAP-R/3-Einführung federführend von dedizierten Fachbereichen betrieben. Dennoch ist es letztlich wieder das klassische DV-Management, das für die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur und die reibungslose systemtechnische Einführung verantwortlich gemacht wird. Hierzu kann die GUUG eine sinnvolle Hilfestellung sowohl im Kongreß- wie auch im Ausstellungsbereich geben. Sie muß dazu Themen wie Benchmarking, Server-Skalierung, System- und Netz-Management oder Verfügbarkeitsplanung im R/3-Umfeld gezielt behandeln. Ebenso sollte man eine Chance darin erkennen, die Unix-Fahne nicht dogmatisch gegen NT zu schwenken, sondern sinnvolle und mehrwertorientierte Möglichkeiten der Integration beider Welten vorzustellen. Dieses muß selbstverständlich auch eine kritische und an Fakten orientierte Darstellung der Vor- und Nachteile beider Welten umfassen.

Es ist durchaus Platz und Bedarf für eine Konferenzmesse, die sich mit aktuellen IT-Themen im Umfeld standardisierter Systeme befaßt. Und auch der Begriff Unix sollte weder zur Bezeichnung einer solchen Veranstaltung noch als Bestandteil des Vereinsnamens GUUG aufgegeben werden. Zumal Unix schon seit Jahren, auch und gerade im Rahmen der GUUG-Veranstaltungen, nicht als reines Betriebssystem, sondern als tragfähiges Fundament für unterschiedlichste Bestandteile moderner Client-Server-Konzepte verstanden wird.Konrad Sommer, Mitglied des Programmkomitees und des Ausstellerbeirats der GUUG