Web2CAD AG: Internet-Bauhelfer für Konstrukteure

02.11.2001
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Schnitt bestehen 50 Prozent einer Maschine aus am Markt verfügbaren Teilen. Entsprechend interessant ist es daher für Konstrukteure, schnell und einfach auf mechanische Komponenten zugreifen zu können und Produkt- und geometrische Daten einzusehen. Auf dieser Erkenntnis basiert das Geschäftsmodell der Web2Cad AG: Das Startup bietet eine Datenbank mit Bestell- und Recherchefunktion für über 35 Millionen Maschinenteile an.
   Web2Cad-Gründer und Vorstandsvorsitzender Dr. Georg Baumann  
   Web2Cad-Gründer und Vorstandsvorsitzender Dr. Georg Baumann  

Web2Cad-Gründer und Vorstandsvorsitzender Dr. Georg Baumann hat den Unternehmergeist quasi bereits mit der Muttermilch eingesaugt. Der Spross einer Amberger Industriellenfamilie ging nach absolviertem Maschinenbaustudium und einem kurzem Wirken in der Emaillefabrik seiner Eltern eigene Wege und rief 1983 die Baumann GmbH ins Leben. Dort beschäftigte sich der Oberpfälzer zunächst mit dem Bau von Industrierobotern, um dann 1987 mit der Maschinenbau-Applikation "Genius" ein Servicekonzept für das CAD-System AutoCAD zu entwickeln. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und führte schließlich dazu, dass der AutoCAD-Hersteller Autodesk 1998 die Software samt Entwicklungsteam übernahm. Baumann ging aber bereits mit einem neuen Plan schwanger: Hinter "Powerparts", der Offline-Version des späteren Web-Dienstes web2cad.de, verbarg sich die Idee, Konstrukteuren zur Arbeitserleichterung Zeichnungen von Maschinenbauteilen und Erläuterungen anzubieten - und die

Hersteller für die Dienstleistung zur Kasse zu bitten. Die Anbieter sind nämlich daran interessiert, ihre Produkte in den Konstruktionen unterzubringen. Zwar stellen manche Hersteller ihren Kunden selbst CAD-Datenbanken auf CD-Rom und teilweise auch online zur Verfügung. In der Praxis arbeiten Konstrukteure aber mit einer Vielzahl verschiedener CDs - fast jede davon hat ihre eigene Bedienung und ist häufig inkompatibel zu anderen. Als Beweis dafür sind mittlerweile Zeichnungen von mehr als 35 Millionen mechanischen Teilen von über 70 Herstellern auf drei CD-ROMS untergebracht. Einzige Bedingung für die Anwender ist dagegen eine Registrierung.

Das Service-Konzept war mit den CD-Roms aber noch nicht ausgeschöpft: Im Oktober 1999 startete Baumann seine Website www.web2cad.de, zwei Monate später gründete der Maschinenbauer mit einer Finanzspritze von 3i die gleichnamige Firma. Zusätzlich zu "Powerparts on Web", das im Gegensatz zur CD-Version eine größere Palette von Dateiformaten unterstützt, bietet der Amberger online auch verschiedene Dienstleistungen an: So hilft etwa eine Berechnungsfunktion dem Konstrukteur bei der Dimensionierung und Auswahl wichtiger Maschinenkomponenten. Auch an die ortsübergreifende Zusammenarbeit - neudeutsch Collaborative-Engineering genannt - wurde gedacht: Mit Hilfe des Engineering-Service "Xbrioso von Tecoplan können sich die Kooperationspartner einen virtuellen Projektraum reservieren und ortsunabhängig 3D-Modelle gemeinsam analysieren. Der Service "Projectshare" ermöglicht wiederum den schnellen

Austausch von Zeichnungen, Grafiken und ähnlichem von Bildschirm zu Bildschirm.

Im Juni diesen Jahres erhielt Web2Cad von 3i und neuen Kapitalgebern im Rahmen einer zweiten Finanzierungsrunde 13,15 Millionen Euro. Das Geld will das Startup zur Einbindung weiterer Dienste verwenden Auch die seit Anfang geplante, weltweite Präsenz nimmt langsam Formen an: Mittelweile verfügt der Dienstleister über Websites und entsprechende Niederlassungen in Australien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Portugal und Tschechien. Außerdem unterhält die Firma seit August diesen Jahres eine Zweigstelle in der traditionellen Maschinenbau-Nation Schweiz.

Von der alten Emaille- zur modernen E-Mail-Fabrik

Stießen die Gebrüder Baumann Ende des 19. Jahrhunderts mit der Emaillierung von Töpfen oder Kasserolen auf eine Marktlücke, so fand ihr Urahn parallel dazu mit Internet-Dienstleistungen für Konstrukteure seine Nische. Der Wandel der Zeit macht sich auch optisch bemerkbar: Vor einem Jahr kaufte Baumann junior einen Teil des ehemaligen Firmengeländes der Amberger Emaillier- und Stanzwerke zurück und bezog mit seinem Team die dort hochgezogene "E-Mail-Fabrik".