Web-Services: Im Netz droht das Chaos

17.08.2005
Von Dieter Masak
Funktionen einer bestehenden Anwendung lassen sich so einfach als Web-Service auslegen, dass eine unkontrollierte Flut solcher Dienste zu befürchten ist.

Langsam, aber sicher halten Web-Services Einzug in die Unternehmen. Sie werden jedoch derzeit fast ausschließlich für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen genutzt, das heißt, der Web-Service-Consumer hat die Adresse des Web-Service-Providers mehr oder weniger "hart" codiert. Eine Registry mit den technischen Servicebeschreibungen und den Adressen der Provider wird indes nicht eingesetzt.

Dies hat zwei Gründe. Zum einen ist es relativ einfach, in bestehenden Anwendungen mit Hilfe von Tools Web-Service-Interfaces zu erzeugen und die so gewonnenen XML-Definitionen an den Web-Service-Consumer direkt zu übermitteln. Zum anderen ist es unklar, was eine Registry über die technischen Informationen hinaus enthalten sollte, denn es fehlt an geeigneten Taxonomien im Umfeld von Web-Services. Diese können aber nur aus fachlicher Sicht gewonnen werden.

Fehlende Taxonomien

Der Rückzug auf die blanke Technik führt zwar zu aufrufbaren Interfaces, jedoch nicht zu einer irgendwie sinnvoll einsetzbaren Registry. Die allgemein anerkannte fachliche Strukturinformation, die es ermöglicht, Taxonomien zu bilden, ist heute nirgends vorhanden.

Es ist damit zu rechnen, dass aufgrund der Werkzeuge, die aus bestehenden Schnittstellen Web-Services produzieren, innerhalb der nächsten Jahre der Großteil der Anwendungen durch Web-Services "veredelt" wird.

Eine einfache Hochrechnung ergibt, dass sich bei etwa vier Web-Services pro Anwendung und etwa 500 Anwendungen in großen Unternehmen in einiger Zeit bis zu 2000 Web-Services einstellen. Eine solche Zahl ist für einen einzelnen Menschen nicht mehr überschaubar. Außerdem haben Web-Services aufgrund ihres öffentlich bekannten Protokolls die Eigenart, dass sie allen jenen zugänglich sind, die über die entsprechende IP-Adresse verfügen. Die Einfachheit der werkzeuggestützten Produktion von Web-Services trägt ein Zusätzliches zur Proliferation von Services bei. Unterstellt man die etwa 2000 möglichen Aufrufkandidaten, aus denen sich der Web-Service-Consumer beliebige aussuchen kann und dies üblicherweise auch tun wird, so ist die Idee eines Mikrokosmos aus vagabundierenden Web-Services geboren! Ein solcher Mikrokosmos ohne jede Kontrolle, ohne eine Idee für einen methodisch gestützten Lebenszyklus, ist für einen RZ- Betrieb oder eine Entwicklungsleitung ein blankes Horrorszenario. (ue)