Ausblick: Open Source oder doch lieber .NET?

Was wird aus Linux?

05.01.2001
Während Microsoft 2001 seine .NET-Strategie noch mit Leben füllen muss, hat die Open-Source-Fraktion den Beweis zu erbringen, dass sie tragfähige Alternativen zu kommerzieller Software bietet. Motor der Branche wird der Business-to-Business-Sektor sein. Einen Blick in die Zukunft riskieren CW-Redakteure der Ressorts Internet, Software, Hardware, Communications sowie Job & Karriere.

Eine für das Jahr 2000 prognostizierte Schlacht ist nicht entschieden worden: der Kampf zwischen Microsofts proprietärer Windows-Welt und dem Open-Source-System Linux. Das vergangene Jahr hat jedoch gezeigt, dass zwei wesentliche Grundannahmen von Open-Source-Befürwortern zunehmend auf wackeligen Beinen stehen. Zum einen wurde spätestens mit dem "Netscape Communicator 6" deutlich, dass ein offenes Entwicklungsmodell längst nicht automatisch zu hochwertiger Software führt. Zum anderen zeigt die Praxis, dass Services rund um quelloffene Programme nur wenig Wachstumspotenzial für neue Firmen bieten. Das belegt nicht nur der Katzenjammer bei deutschen Linux-Dienstleistern wie ID-Pro oder Innominate, sondern auch der rapide Kursverfall von Red Hat und der immer wieder verschobene Börsengang von Suse. Dennoch werden Vorzeigeprojekte wie Linux oder Apache weiterhin eine wichtige Rolle spielen, von Nutzen sind sie aber hauptsächlich für jene, die dafür ein plausibles Geschäftsmodell anbieten können: Dazu gehören vor allem Hardwarehersteller wie die IBM.

Doch auch für Microsoft haben sich die Erwartungen nicht erfüllt. Allerdings war der Branchenprimus vorsichtig genug, im Jahr der Einführung von Windows 2000 nicht gleich mit großen Migrationsmeldungen zu rechnen. Aufgrund der Komplexität der Projekte haben sich viele Unternehmen nur zögernd an das Thema herangetastet, so dass der Rollout von Windows 2000 erst in diesem Jahr eine hohe Priorität in zahlreichen IT-Abteilungen genießen wird.

Generell stand das Jahr 2000 für Microsoft vor allem im Zeichen einer Neuaufstellung des Gesamtgeschäfts. Vor diesem Hintergrund gewinnt die".NET"-Infrastruktur für verteilte Anwendungen im Internet an Bedeutung. Die Entwicklungs-Tools dafür - einschließlich der hauseigenen, als Java-Antipode diskutierten Sprache C# - befinden sich derzeit in der Betaphase und müssen ihre Marktreife in diesem Jahr beweisen. Interessant daran ist, dass Entwickler bei der Wahl ihrer Sprache nicht mehr festgelegt sind und ihnen im Zusammenhang mit der Common Language Infrastructure auch eine mit Java vergleichbare Plattformunabhängigkeit ihrer .NET-Anwendungen versprochen wird. Diese für Microsoft-Verhältnisse unerwartete und deshalb auch argwöhnisch betrachtete Öffnung wird sich erst noch beweisen müssen.

Hoffnung dafür lässt sich allerdings aus den Bemühungen von IT-Schwergewichten wie Microsoft und IBM schöpfen, im Bereich Internet-Infrastruktur Duftmarken zu setzen. Die Extensible Markup Language (XML) als neutrales Datenaustauschformat und das darauf basierende Simple Object Access Protocol (Soap) als Messaging-Spezifikation sind in diesem Zusammenhang die Schlagworte für 2001. Als B-to-B-Treiber soll Soap einen Kommunikationsstandard setzen, über den zum Beispiel ein in XML verpackter Funktionsaufruf verschickt und beim Empfänger unabhängig von dem dort verwendeten Komponentenmodell ausgeführt werden kann.

Für die derzeit im Fokus stehenden Anwendungen wie Customer-Relationship-Management (CRM), Supply-Chain-Management (SCM) sowie Marktplätze und Portale ergibt sich daraus eine wesentliche Vereinfachung der Integration. Parallel dazu wird sich allerdings der Kampf um Marktanteile im Applikationssegment verschärfen. Hier sind Tricks gefragt - und die scheint vor allem SAP zu beherrschen. Mit Mysap.com erhalten Anwender nun die R/3-Software inklusive CRM und SCM, so dass sich die Spezialisten in diesen Disziplinen warm anziehen müssen. Das Marktpotenzial steht und fällt mit der Frage, wie schnell die R/3-Klientel auf Mysap.com migriert. Neue, nicht mehr in R/3 unterstützte Funktionen oder auslaufende Wartungsgarantien für bestimmte R/3-Versionen wirken da katalytisch. Mit einer weiteren Konsolidierung des ERP- und CRM-Markts ist deshalb auch in diesem Jahr zu rechnen. Jüngster Beweis hierfür ist die Übernahme von Great Plains durch Microsoft und deren vermutlich weit reichende Auswirkungen auf das ERP-Geschäft im unteren Mittelstand.