SCHOLZ REPORT

Was verstehen Sie unter Auslastung?

11.12.1974

"Donnerwetter, Ihr System ist aber ganz schön ausgelastet, Herr Müller", äußert der EDV-Leiter Ungewiß zu seinem Kollegen Müller, als er hört, daß das neue System von Müller mit 480 Stunden im Monat ausgelastet sei. "Dasselbe System läuft bei mir nur rd. 300 Stunden, dabei habe ich ungefähr dieselben Anwendungen und unsere Firmen sind etwa gleich groß." Wirre Kriterien schwirren innerhalb der Computerwelt umher, was man unter Auslastung eines EDV-Systems zu verstehen habe.

Es wird endlich einmal Zeit, daß innerhalb der EDV ein einheitlicher Begriff für die Auslastung eines EDV-Systems geschaffen wird, damit eine Vergleichbarkeit nach und nach erreicht wird.

Sehr viele EDV-Systeme werden sowohl im closed shop als auch im open shop gefahren. Dadurch ergibt sich eine gewisse Problematik hinsichtlich der Ausnutzung, da die Effizienz der Nutzung im closed shop allgemein wesentlich höher als im open shop ist. Speziell bei Testzeiten kann eine Relation von 1:2 als eine Mindestgrößenordnung angesehen werden.

Bei kleinen und mittleren Systemen, die nicht im Multiprogramming gefahren werden, ist folgende Einteilung der Gesamtauslastung des Systems praktikabel:

1. Produktivarbeiten im open shop oder auch closed shop (bei derartigen Systemen bringt die Einführung eines strengen closed shop-Betriebes nur unwesentliche Vorteile, etwa die einer erhöhten Sicherheit);

2. Testzeiten im closed shop beziehungsweise open shop;

3. Arbeiten der Systemgruppe für Generierungen etc.;

4. Gesamtausfallzeit aus Hardwaregründen;

5. Gesamtausfallzeit aus Softwaregründen;

6. Blockzeitverkauf des gesamten Systems;

7. Wiederholzeiten;

8. Zeiten für vorbeugende Wartung werden meistens nicht anfallen, da diese nicht betrieben wird.

Nur die Zeiten unter 1 und 6 sind produktiv. Natürlich werden Testzeiten anfallen, weil man ja Projekte realisieren will. Man sollte diese Zeiten jedoch in einem vernünftigen Rahmen halten.

Betrachtet man dagegen größere Systeme, die im Multiprogramming und vorwiegend im closed shop gefahren werden, sollten die Produktivarbeiten und die Programmtests getrennt nach open und closed shop ausgewiesen werden.

Betrachtet man die Aussage von EDV-Leiter Müller einmal unter diesem Gesichtspunkt, so könnte die Systemauslastung etwa wie folgt aussehen:

1. Produktivarbeiten im closed shop = 240 Stunden (50 Prozent);

2. Leerzeiten innerhalb des closed shop-Betriebes = 40 Stunden (8,3 Prozent - diese Größenordnung sollte innerhalb des closed shop nach Möglichkeit erfaßt werden; dies ist die Zeit, in der alle Partitions inaktiv sind);

3. Produktivarbeiten im open shop = 20 Stunden (4,2 Prozent);

4. Testzeiten im closed shop = 10 Stunden (2,1 Prozent);

5. Testzeiten im open shop = 60 Stunden (12,5 Prozent);

6. Arbeiten der Systemgruppe = 20 Stunden (4,2 Prozent);

7. Gesamtausfälle aus Hardwaregründen = 20 Stunden (4,2 Prozent);

8. Gesamtausfälle aus Softwaregründen = 10 Stunden (2,1 Prozent);

9. Blockzeitverkäufe = 0 Stunden;

10. Wiederholzeiten = 45 Stunden (9,4 Prozent);

11. Zeiten für vorbeugende Wartung = 15 Stunden (3,1 Prozent) .

Analysiert man diese "Katastrophensituation" näher, so stellt man fest, daß nur 54,2 Prozent von 480 Stunden produktiv genutzt werden (Rubriken 1 und 3). Bezieht man die Testzeiten mit ein, so stellt man fest, daß insgesamt eine sinnvolle Ausnutzung dieses Systems von nur 68,8 Prozent vorliegt (Addition von 1, 3, 4 und 5).

Ohne Berücksichtigung der Testzeiten hat EDV-Leiter Müller sein System nur mit 260 Stunden (480 x 0,542) ausgelastet. Mit Anrechnung dieser Zeiten bringt er es auf 330 Stunden. Wenn man sich erst einmal klar gemacht hat, daß die gesamte Schichtzeit eigentlich alle elf Einzelzeiten umfaßt, wenn man die Zeiten alle in der Dimension der Verweilzeit mißt, ist der erste Schritt zur vernünftigen Computernutzung schon getan. Nicht derjenige ist König, der seine Anlage möglichst hoch ausgelastet hat, sondern der, welcher seine Anlage vernünftig nutzt und die verlangten Zielsetzungen seiner Geschäftsleitung erreicht.

Bestimmen Sie die einzelnen Verlustzeiten Ihrer Anlage, analysieren Sie die Ursachen und entwerfen dann ein gezieltes Programm zur Reduzierung dieser Zeiten. Vielleicht wird man Sie in einiger Zeit danach messen, wieviel Prozent effektive Computernutzung Sie innerhalb der Schichtzeiten nachweisen können.