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Nach Facebook-Trauma

Was Twitter zum Börsengang anders macht

07.10.2013
Twitter hat mit seinen 140 Zeichen langen Nachrichten die Welt verändert. Die Frage ist, ob es das junge Unternehmen auch schafft, damit Geld zu verdienen. Nur so lassen sich Anleger für die Aktie begeistern - und ein Debakel wie bei Facebooks Börsengang vermeiden.

Als im Januar 2009 ein Linienflugzeug mitten im New Yorker Hudson River landete, ging ein Bild um die Welt: Menschen drängeln sich auf den Tragflächen der aus dem Wasser ragenden Maschine. Das Foto machte der Passagier einer Fähre, die zu Hilfe eilte. Er schickte es über den Kurznachrichten-Dienst Twitter um die Welt - weit bevor Pressefotografen oder Fernsehkameras vor Ort waren.

Es war eine beeindruckende Demonstration des Potenzials von Twitter: Nachrichten, Bilder und Videos ohne Zeitverzug einer quasi unbegrenzten Zahl von Menschen verfügbar zu machen. Seitdem hat sich Twitter fest als Medium für "Breaking News" etabliert. Als in diesem Jahr ein südkoreanisches Flugzeug in San Francisco eine Bruchlandung machte und als Bomben beim Marathon in Boston hochgingen, liefen über Twitter schon nach wenigen Minuten Fotos und Informationsschnipsel. Zugleich macht ein Stimmengewirr den Nachrichtenfluss oft unübersichtlich.

Nun geht das junge Unternehmen an die Börse. Eine Milliarde Dollar oder umgerechnet rund 730 Millionen Euro wollen die Twitter-Verantwortlichen an der Börse einsammeln. Was sie dabei auf alle Fälle vermeiden müssen: So abzustürzen wie das weltgrößte Online-Netzwerk Facebook im vergangenen Jahr bei seinem Börsengang.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Sprung aufs Parkett stehen einerseits gut: Twitter ist zum Herzstück einer neuen Medienwelt geworden, in der sich Informationen schneller ausbreiten können als je zuvor. Der Online-Dienst hat den Alltag verändert.

Auf der anderen Seite ist auch über sieben Jahre nach dem Start eine entscheidende Frage unbeantwortet: Kann man daraus auch ein Geschäft aufbauen, das sich trägt? Bisher ist Twitter nicht einmal in die Nähe schwarzer Zahlen gekommen. Die Werbeumsätze stiegen zwar von gerade einmal 7,3 Millionen Dollar im Jahr 2010 auf stolze 221 Millionen alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres. Doch Betrieb und Entwicklung verschlangen gleichzeitig soviel Geld, dass unterm Strich trotzdem ein Verlust von 69 Millionen Dollar anfiel.

Die Börse folgt allerdings anderen Gesetzen. Hier werden Hoffnungen gehandelt, Erwartungen, Zukunftsprognosen. Das Hier und Jetzt zählt manchmal wenig. So war es auch bei Facebook, das im Gegensatz zu Twitter bei seinem Börsengang nicht nur viel größer, sondern auch hochprofitabel war: Fast eine Milliarde Mitglieder, vier Milliarden Dollar Umsatz, eine Milliarde Gewinn. Twitter ist mit gut 215 Millionen aktiven Nutzern pro Monat nicht nur wesentlich kleiner, sondern holt pro Kopf auch weniger Werbegelder rein.

Für Brian Blau vom renommierten IT-Analysehaus Gartner war eine zentrale Überraschung der nun veröffentlichten Zahlen, dass Twitter immer noch so viel Geld verbrennt. Ein Hauptgrund dafür ist, dass der Dienst bis heute nur sehr behutsam Werbeanzeigen in den Nachrichtenstrom streut, um seine Nutzer nicht zu verschrecken.

Doch die Basis für höhere Einnahmen in der Zukunft ist gelegt, denn Twitter-Chef Dick Costolo setzte beim Aufbau des Geschäfts vorausschauend gleich auf mobile Geräte: Zwei Drittel der Werbeeinnahmen kommen bereits heute von Smartphones und Tablets.

Facebook dagegen musste erst mit einer gewaltigen Anstrengung umsteuern: Zum Börsengang kam das Geld fast ausschließlich über die Website und damit über Abrufe vom PC herein. Das sorgte bei den Investoren für erhebliche Kopfschmerzen, denn die Nutzer zogen scharenweise auf mobile Geräte um.

Zwischenzeitlich verlor die Facebook-Aktie mehr als die Hälfte ihres Wertes. Mit einer komplett überarbeiten App und neuen Werbeformen stiegen auch die Einnahmen bei den mobilen Geräten - und die Investoren kamen zurück. Heute steht die Facebook-Aktie gut ein Viertel höher als zum Börsengang im Mai vergangenen Jahres. Twitter dürfte von der gedrehten Stimmung profitieren. (dpa/tc)