Was tun, wenn der Lieferant fusioniert?

25.07.2005
Unternehmen, die schnell schalten, haben die stärkste Verhandlungsposition.

Auch wer kein IT-Zwölfender ist, kann schon zwei oder drei Anbieterfusionen am eigenen Leib gespürt haben. Ein Lied davon singen können vor allem die Anwender der J.D. Edwards-Software, zwischenzeitlich im Besitz von Peoplesoft, aktuell Eigentum von Oracle. Waren diese Unternehmen auch noch Kunden der Meta Group, die heute zu Gartner gehört, konnten sie in den vergangenen beiden Jahren reichhaltige Erfahrungen auf dem Merger-and-Acquisitions-Gebiet sammeln.

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www.computerwoche.de/go/

*58795: Peoplesoft profitiert von J.D.Edwards- Lizenzen;

*62424: Kunden nach der Fusion verärgert;

*70013: Oracle-Chef Ellison verspricht Kontinuität;

*76878: Analyse der Meta-Group-Übernahme;

*39754: Sinn und Zweck von Escrow-Verträgen.

Dale Kutnick, Gründer der Meta Group und derzeit Forschungsdirektor bei Gartner, mahnt alle Anwenderunternehmen, auf die Fusion oder Übernahme ihrer Softwarelieferanten vorbereitet zu sein: "Wenn man den Lebenszyklus eines wichtigen Softwareprodukts mit acht bis zehn Jahren ansetzt, so kann man davon ausgehen, dass 30 bis 40 Prozent der betreffenden Anbieter während der Laufzeit fusionieren." Die CW-Schwesterpublikaton "Computerworld" hat sich unter IT-Veteranen umgehört und zehn Tipps zusammengetragen.

Versuchen Sie, Ihren neuen Partner zu verstehen!

Gehört er zu denen, die Maintenance-Umsatz aus einer starken, aber stagnierenden Kundenbasis abzapfen wollen? In diesem Fall dürfte der Anbieter großes Interesse daran haben, diese Basis zu erhalten. Oder ist es eher so, dass hier ein direkter Mitbewerber geschluckt wurde, um dessen Kunden auf die eigene Produktlinie umzulenken? Dann dürften wohl kaum beide Systeme überleben. Vielmehr wird der Anbieter starke Anreize für eine Migration bieten.

Holen Sie eine zweite, dritte und vierte Meinung ein!

Nur wer viele kompetente Leute nach ihrer Ansicht zu einer Fusion fragt, wird so viele Teile des Puzzles bekommen, wie er braucht, um den Erfolg des Vorhabens einschätzen zu können.

Vertrauen ist gut,

Überprüfen besser:

Am besten lassen Sie sich jedes Versprechen schriftlich geben! Vor der Fusion von Oracle und Peoplesoft haben viele Kunden darauf bestanden, Oracle-Chef Lawrence Ellison persönlich zu sprechen. Erst dann waren sie bereit, zu glauben, dass ihre Software bis 2013 unterstützt würde.

Verhandeln Sie so schnell wie möglich!

Vor allem Unternehmen, die viel Geld in die Systeme eines Anbieters gesteckt haben, haben nach einer Fusion keine Zeit zu verlieren. Der Anbieter wird sich vor allem in der ersten Zeit bemühen, seine Umsätze zu stabilisieren. Deshalb sitzen die Kunden jetzt am längeren Hebel.

Seien Sie im Zweifelsfall

konsequent!

Bedingungen, die ein Kunde direkt nach der Fusion nicht durchsetzen kann, sollte er getrost vergessen. Jetzt kann er sagen: "Das sind meine Forderungen, andernfalls suche ich das Weite." Allerdings muss er eine solche Drohung notfalls in die Tat umsetzen.

Kalkulieren Sie das Risiko im Detail!

Um erfolgreich pokern zu können, muss ein Spieler sein Blatt kennen. Der Anwender sollte sich also genau darüber im Klaren sein, welche Bedeutung die betreffende Software für sein Unternehmen hat. Wenn er nur 20 bis 30 Prozent der Features braucht, sollte er exakt wissen, welche das sind.

Schaffen Sie beizeiten Alternativen!

Kluge Anwender setzten test- weise ruhig einmal eine Open-Source-Version der Anwendung ein. Auch wenn sie kein voll- wertiger Ersatz wäre, reicht es manchmal schon, ihren Einsatz zu simulieren, um einen kommerziellen Anbieter unter Druck zu setzen.

Übernehmen Sie

die Kontrolle!

Gerade in dieser Situation ist ein sorgfältig erstellter IT-Bebauungsplan hilfreich. Er erlaubt es nicht nur, technische Lücken zu identifizieren, sondern auch die zwei oder drei Anbieter zu finden, die sie füllen könnten. Nur wer weiß, was er hat und was er braucht, um weiterzukommen, kann schnell entscheiden, welcher Anbieter ihm das geben könnte.

Prävention beginnt lange vor dem Merger.

Jeder, der einen Softwarekontrakt aushandelt, sollte versuchen, Garantien für Service-Levels und Maintenance-Kosten zu bekommen - einschließlich definierter Preisnachlässe im Falle einer Firmenübernahme, rät Gartner-Manager Kutnick. Bei kleineren Unternehmen empfiehlt sich eine Codehinterlegung ("Escrow").

Halten Sie die

Augen offen!

Meist gibt es Anzeichen für eine nahende Firmenübernahme: Wenn ein Unternehmen seiner Produktsuite keine Neuerungen mehr gönnt, bereitet es sich möglicherweise darauf vor, geschluckt zu werden. (qua)