FAQ

Was Sie über Product-Lifecycle-Management (PLM) wissen müssen

16.08.2009
Was verbirgt sich hinter dem Begriff PLM? Was kann PLM-Software leisten? Und warum reicht ein ERP-System nicht aus? Antworten finden Sie hier.

Produkte werden entwickelt, produziert und verkauft. Aber fast immer ändern sich die Anforderungen. Vor allem bei komplexen, aus zahlreichen Bauteilen bestehenden Erzeugnissen verlieren Firmen schnell den Überblick. Zumal nicht nur Ingenieure aus der Konstruktion, sondern auch die Produktion, der Vertrieb sowie der Service- und Ersatzteilbereich des Unternehmens von diesen Veränderungen betroffen sind. Änderungen müssen dokumentiert und verwaltet werden, um einen Wildwuchs zu vermeiden. Der Bedarf an Transparenz und Effizienz nimmt zu, da Produktinnovationen in immer kürzeren Abständen realisiert werden müssen. Lösungen für das Product-Lifecycle-Management (PLM) sollen eine gemeinsame Datenbasis für alle beteiligten Abteilungen schaffen und auf dieser Grundlage Funktionen bereitstellen, die es gestatten, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts zu begleiten.

1. Was ist PLM?

PLM organisiert die Produktentstehung und -optimierung. Zwar stützt sich PLM auf Software, doch die nutzt wenig, wenn die Strategie fehlt. Nur auf ihrer Grundlage kann die Technik die Firma dabei unterstützen, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Das Konzept selbst umfasst alle Phasen des virtuellen Produkts und wird durch spezialisierte Softwaresysteme unterstützt.

2. Welche Vorteile kann PLM bieten?

PLM ermöglicht einen unternehmensweiten und transparenten Zugang zu den Produktdaten. Viele Prozessschritte können Anwender statt am realen am "virtuellen Produkt" vornehmen. Hierzu zählen zum Beispiel Festigkeitsberechnungen, Zusammenbauuntersuchungen und Fertigungsabläufe bis hin zu Verpackungsdefinitionen.

Dadurch können Fehler und Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Firmen sparen so Zeit und Geld. Die enge Verzahnung aller am Prozess beteiligten Mitarbeiter verbessert den Informationsaustausch. So können Unternehmen Probleme umgehen, die durch Unkenntnis entstehen (siehe auch "Woran die digitale Fabrik oft scheitert").

3. Für welche Unternehmen ist PLM von Belang?

Aus der Vergangenheit heraus hat PLM seinen Schwerpunkt in der diskreten Fertigungsindustrie. Allerdings beschäftigen sich immer mehr Unternehmen außerhalb dieser Branche mit der Thematik. Daher ist PLM für alle Unternehmen relevant, die eigene Produkte entwickeln und herstellen.

4. Wie stehen CAD und PDM mit PLM in Beziehung?

Die Einbindung der CAD-Applikationen ist einer der zentralen Punkte einer PDM-Lösung. PDM steht für Produktdaten-Management (siehe "So nutzt Sennheiser PDM-Software"). Vergleicht man PLM mit PDM, so deckt PLM einen sehr viel größeren Bereich der Geschäftsprozesse ab. Dazu zählt beispielsweise, die Anforderungen an ein Produkt zu verwalten (Requirement-Management) und Fertigungsprozesse zu untersuchen. Möglich wird dies, weil PLM es gestattet, den kompletten Lebenszyklus eines Produkts zu dokumentieren.

5. Warum reichen die im ERP-System gespeicherten Artikelstämme und Stücklisten nicht aus?

Bei ERP- und PLM-Systemen handelt es sich um völlig verschiedene Lösungen. ERP-Systeme sind darauf ausgelegt, bestimmte Prozesse zu standardisieren und zu automatisieren. So löst unter anderem die Anlage eines neuen Artikels automatisch eine Vielzahl an Prozessen etwa in den Funktionsbereichen für Beschaffung und für die Logistik aus.

Java-Frontend der PLM-Software "Agile" von Oracle.
Java-Frontend der PLM-Software "Agile" von Oracle.

Im Gegensatz dazu müssen PLM-Systeme die "kreativen", individuelleren Prozesse der Produktentstehung unterstützen. Zu den Schlüsselfunktionen zählt das Management von häufigen Änderungen. Ein Artikel, der in einem PLM-System angelegt wird, durchläuft in der Regel mehrere Bearbeitungszyklen, in denen er geändert und im Zweifelsfall sogar wieder gelöscht wird. In einem PLM-System müssen Prozesse standardisiert werden, ohne dass die Kreativität der Anwender in ihrer Arbeit beschränkt wird.

6. Wie kann PLM mit ERP-Software integriert werden?

Die Art der Integration von ERP-Systemen ist eine zentrale Frage in allen PLM-Projekten. Direktschnittstellen zwischen beiden Systemwelten sind oft unflexibel und damit nur schwer an Veränderungen in den Unternehmen anpassbar. Daher sollten Firmen diese Integrationsaufgaben mit standardisierten SOA-Plattformen erledigen.

7. Überwiegt heute die PLM-Neueinführung oder die Migration von veralteten PLM-Systemen auf neue Architekturen?

Im klassischen PLM-Bereich der Fertigungsindustrie hat der Großteil der Unternehmen bereits die erste Systemgeneration implementiert, so dass hier die Migration auf neue Architekturen überwiegt. Für diesen Wechsel wird eine eigene Methodik benötigt.

Firmen aus anderen Industrien, die das Thema PLM für sich neu entdecken, entscheiden sich vermehrt für eine Ersteinführung.

8. Welche Abteilungen eines Unternehmens sollten an einem PLM-Projekt beteiligt werden?

Die Einführung eines PLM-Systems ist eine Unternehmensentscheidung. Somit muss das Topmanagement hinter dem Projekt stehen. Wie bei anderen IT-Projekten auch müssen Fachabteilungen und die IT eng zusammenarbeiten. Ein häufiger Fehler bei der Einführung eines PLM-Systems ist, das Projekt alleine der IT zu überlassen. Wenn Firmen ein PLM-System etablieren, verändern sich auch immer die Prozesse. Aus diesem Grund müssen die Fachabteilungen sich in das Projekt einbringen.

9. In welchen Stufen lässt sich ein PLM-System einführen?

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein PLM-System im Unternehmen kontinuierlich wachsen und somit immer wieder in neuen Bereichen Nutzen bringen kann. Die Kunst ist es, zu Beginn des Projekts aus einer PLM-Vision einzelne Projektstufen zu definieren. Jede Stufe sollte innerhalb von sechs Monaten realisierbar sein. Dabei ist die Definition der ersten Stufe entscheidend. In der Praxis hat es sich bewährt, für die erste Stufe einen einfachen Funktionsumfang zu wählen, der möglichst viele Anwender einbindet. Damit hat man eine gute Basis, um die komplexeren Themen gemeinsam angehen zu können. Meist handelt es sich hierbei um ein einfaches Dokumenten-Management mit unkomplizierten Freigabeprozessen.

10. Welche Vorbereitungen müssen Firmen treffen, damit sie reif sind für die PLM-Einführung?

Zunächst muss es eine klare Zieldefinition geben, die mit allen Ebenen im Unternehmen, einschließlich des Topmanagements, abgestimmt ist. Soll tatsächlich eine komplette PLM-Lösung etabliert werden, müssen die internen Ressourcen sowohl auf der Ebene der Fachabteilungen als auch auf der IT-Seite bereitgestellt werden. PLM ist mehr als die Einführung eines neuen Tools. Daher ist es wichtig, dass man zu einer Beschreibung der Anforderungen kommt, bevor ein System ausgewählt wird.

11. Wie lassen sich externe Firmen (Kunden, Entwicklungspartner und Lieferanten) an eine PLM-Umgebung anbinden?

Über das Internet lassen sich externe Partner mittlerweile entweder mit eingeschränkten Zugriffen direkt oder indirekt über ein gespiegeltes PLM-System anbinden. Besonders interessant sind Anbindungen, in denen die Partner komplett in den Prozessen mit einem eingeschränkten Zugriff mitarbeiten. Hierzu ist ein gut vorbereitetes Rollen- und Rechtesystem notwendig.

12. Wie wird eine effiziente Nutzung des PLM-Systems durch die unterschiedlichen Anwender gewährleistet?

Ein PLM-System ist für viele unterschiedliche Anwender gedacht. Jeder Nutzer hat im Kontext seiner Rolle bestimmte Aufgaben in der PLM-Software und eventuell in anderen IT-Systemen zu erledigen. Da sich aus den Rollen verschiedene Anforderungen an die Systemoberfläche ergeben, kann eine Software diese Unterschiede nicht mehr bis ins Detail unterstützen: Für den Benutzer stellt die Oberfläche immer einen Kompromiss dar. Effizienter ist es, die Gestaltung der Oberfläche vom PLM-System zu trennen. Auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass jedem Anwender genau die Funktionen und Informationen zur Verfügung stehen, die er zur Erledigung seiner Aufgabe braucht. Im Zweifellsfall wird dazu zwar eine zusätzliche Lösung benötigt, die aber unter Nutzen- und Effizienzaspekten sinnvoll ist. (fn)

Der Experte

Die Antworten zu den Fragen dieses FAQ lieferte Peter Teckentrup, Chief Operation Officer bei ECS Engineering Consulting & Solutions, einem Spezialisten für PLM-Prozesse und -Software.