Tom Enders

Was Manager vom Airbus-Chef lernen können

12.10.2014
Von Rüdiger Kiani-Kreß und Karin Finkenzeller

Für Außenstehende steht über allem, dass Enders einen Managementstil entwickelt hat, der militärische Attribute wie schnelle Entscheidungen geschickt vereint mit vermeintlich weichen Fähigkeiten, wie Verantwortung zu delegieren, offen zu diskutieren sowie menschliche Umgangsformen zu pflegen, statt sturen Gehorsam zu verlangen.

"Enders ist das Beste, was Airbus passieren konnte", sagt Heinz Schulte, Chef des Branchen-Informationsdienstes Griephan. Und Brent Scowcroft, ehemals Sicherheitsberater von drei US-Präsidenten und heute Berater in Washington, assistiert: "Mit seiner Art zu führen ist Tom ein Vorbild für die ganze Branche - und auch weit darüber hinaus."

Viele Startprobleme

Danach sah es am Beginn der Regentschaft des Deutschen bei EADS, wie die Airbus Group damals noch hieß, nicht aus. Im Sommer 2012, gleich nach Enders Antritt, rappelte es fundamental im Konzern. Die Auslieferung des Langstreckenflugzeugs A350, das gegen den Dreamliner 787 von Boeing anfliegen soll, verspätete sich beträchtlich, der Aktienkurs sank. Die Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE, von Enders als großer Wurf gegen die US-Konkurrenz gepriesen, scheitert nach einer medialen Schlammschlacht mit der Bundesregierung. Weitere Fehler hätte Enders sich nicht leisten können.

Das hat er auch nicht. "Seitdem gab es fast keine Schlagzeilen mehr - und wenn, dann nur davon, wie Enders den Konzern umbaut", lobt Cay-Bernhard Frank von der Beratung A.T. Kearney.

Enders beherzigte, was er in Management-Büchern hätte finden können, jedoch aus eigenem Antrieb richtig machte. Als Erstes gelang ihm, die Eigentümer zu befrieden und den lähmenden Einfluss der Regierungen Deutschlands und Frankreichs zu minimieren. Dazu überzeugte er die Mächtigen beider Länder, dass sie sich künftig mit jeweils rund elf Prozent der Aktien begnügen und keinen direkten Abgesandten in den Aufsichtsrat hieven. Um die Regierungsferne zu betonen, verlegte er die Konzernzentrale nach Toulouse, für die Mächtigen in den Metropolen die totale Provinz.

Erfolg ohne Eigenlob

In der Außenwirkung stärkte Enders den Luft- und Raumfahrtgiganten wiederum, indem er den sperrigen Konzernnamen EADS durch die wohlklingende Bezeichnung für die zivilen Flugzeuge des Konzerns, also Airbus, ersetzte.

Trotz des Erfolgs fliegt Enders zeit seines Cheflebens konsequent tief und bekämpft jede aufkeimende Champagnerlaune. Im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Managern verzichtet er auf Eigenlob in Form bunter Hochglanzbroschüren, Imagevideos und Presseinterviews, mit denen sein Vorgänger Gallois fast im Wochentakt selbst bescheidene Fortschritte vortrug. "Für Dinge wie Pomp und Personenkult ist Enders angesichts der vielen ungelösten Probleme wohl die Zeit zu schade", so Scott Hamilton, Inhaber der US-Beratung Leeham.

Vielmehr hat der Sohn eines Schäfers offenbar den langen Atem als Verhaltensmaxime ausgegeben. Die Armeen Europas ordern weder neue Jagdflieger noch unbemannte Drohnen oder Raketensysteme. In der Raumfahrt graben Billiganbieter wie der US-Elektroauto-Pionier Elon Musk mit seinen Space-X-Raketen Airbus Geschäft ab. Bei den großen Langstreckenjets bringt derzeit nur eines von drei Airbus-Modellen Geld. Und bei den kleineren Maschinen beenden neue hoch subventionierte Wettbewerber aus China, Japan oder Russland in spätestens zehn Jahren das einträgliche Duopol mit Boeing. Da wäre Jubel fehl am Platz. "Unser Wandel steht erst am Anfang und wird wohl nie richtig zu Ende gehen", sagt Airbus-Personalvorstand und Enders' Altvertrauter Thierry Baril stellvertretend für seinen Chef.

Konzernumbau mit filigraner Strategie

Flüchtigen Betrachtern erscheint Enders' Offensive beim Umbau wie ein konventionelles Standardsparprogramm inklusive massiven Jobabbaus. Doch die Strategie des Airbus-Chefs ist viel filigraner. "Herr Enders agiert trotz aller lauten Töne wesentlich ausgefuchster und flexibler, als Außenstehende oft glauben, nicht zuletzt bei Reizthemen wie Arbeitsplatzabbau, wo er am Ende Kompromisse wie Jobgarantien akzeptiert, wenn das beiden Seiten dient", sagt Bernhard Stiedl, Beauftragter der Gewerkschaft IG Metall für den militärischen Teil des Airbus-Konzerns.

Die differenzierte Geschmeidigkeit erlaubte Enders, ohne Rücksicht auf Einsprüche der Regierungen unrentable Produktion wie die Rüstung in Bayern herunterzufahren. In gleicher Manier packte er Teile des Weltraumgeschäfts in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Staatskonzern Safran. Und auch mehr Fertigung in Billiglohnländern setzt er ohne allzu großen Widerstand durch.

Enders hat Erfolg, nicht indem er lieb Kind sein will, sondern sich Respekt verschafft. Statt sich Berlin als Wahrer deutscher Interessen zu empfehlen, feuerte er nicht nur den deutschen Chef des heutigen Airbus-Rüstungsgeschäfts Stefan Zoller. Auf den Stopp der geplanten Fusion mit BAE durch die Bundesregierung im Herbst hin entschied Enders auch, die vor allem in Deutschland ansässige Kriegsgeräteproduktion herunterzufahren. "Das hat uns überzeugt, dass Enders es ehrlich meint", lobt ein führender französischer Gewerkschafter.