Effizient und hochgefährlich

Was hinter der Web-Mafia steckt

22.03.2010
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Google kontra China - wer war's?

Für international mehr Aufsehen sorgten Anfang des Jahres 2010 die Attacken auf IT-Firmen, die doch eigentlich gewappnet sein sollten. Betroffen waren Yahoo, Adobe Systems und eben Google. Insbesondere die Attacken auf die Accounts von Google-Mitarbeitern sorgten für Wirbel und für Verstimmung auf dem internationalen Diplomatenparkett. Die Aktionen waren so gravierend, dass der weltgrößte Suchmaschinenbetreiber noch immer darüber nachdenkt, sich aus China zurückzuziehen.

Denn von dort sollen die Angriffe gestartet worden sein. US-Computerspezialisten haben angeblich die Fährten der Hacker ausfindig gemacht. Diese haben zwar ihre Spuren verwischt und in einem Täuschungsmanöver Richtung Taiwan gelenkt. Tatsächlich, so offizielle Meldungen aus den USA, wurden die Angriffe von zwei chinesischen Elite-Schulen aus lanciert: der Lanxiang-Vocational-School und der Shanghai-Jiatong-Universität. Erstere bildet im Auftrag des chinesischen Militärs Computerspezialisten für die chinesische Volksbefreiungsarmee aus. China stritt alle Vorwürfe ab und verwahrte sich gegen die Anschuldigung, Hacker aus dem Reich der Mitte hätten Geschäftsgeheimnisse von Google, Adobe und Yahoo und weiteren über 30 US-Firmen entwendet und Regimegegner ausspioniert.

Security-Mann Porada hegt ebenfalls leichte Zweifel an der US-amerikanischen Erklärung zum Angriff auf den Suchmaschinenbetreiber: "Es ist durchaus nicht so sicher, dass der Angriff auf Google von Chinesen kam. Die Tatsache, dass die Attacke wohl von einem chinesischen Server ausging, muss noch lange nicht heißen, dass Chinesen sie lanciert haben. Diese Angriffe lassen sich nämlich in aller Regel sehr gut verschleiern." Heute lasse sich technisch nicht mehr zurückverfolgen, woher Angriffe tatsächlich stammten.

Eingedenk der in den Medien kolportierten Professionalität, mit der die Google-Angreifer vorgegangen seien, argumentiert Porada: "Wenn die Angreifer wirklich so professionell gewesen wären, dann wäre die Attacke nie publik geworden. Sie hätte ohne Probleme verschleiert werden können." Der ehemalige Hacker denkt laut weiter: "Vielleicht wollten die Angreifer gefunden werden?" Hier seien auch politische Motive möglich.

Die Beziehungen zwischen den USA und China waren wegen Auseinandersetzungen in Umweltfragen, Waffenlieferungen der Vereinigten Staaten an Taiwan und Streitigkeiten über den chinesischen Wechselkurs ohnehin angespannt. Möglicherweise kam den US-Sicherheitsberatern deshalb die Google-Affäre gerade recht. Porada: "Natürlich kann man solch einen Angriff so gestalten, dass ihn niemand bemerkt." Der wahre Angreifer könne also ein Interesse daran gehabt haben, dass der Hacker-Angriff publik wurde.

Dror-John Roecher, Senior Consultant Security Solutions bei Computacenter
Dror-John Roecher, Senior Consultant Security Solutions bei Computacenter
Foto: Computacenter

Dror-John Roecher, Senior Consultant Security Solutions bei Computacenter, sieht das etwas anders: "Es ist kein Geheimnis, dass viele Angriffe auf westliche Infrastrukturen ihren Ursprung in China haben. Nicht zuletzt der Verfassungsschutz hat erst kürzlich wieder auf dieses Problem hingewiesen."

Die Attacken erfolgten, so Roecher, zudem auf technologisch höchstem Niveau, da liege eine Verbindung zu Regierungsstellen nahe. Direkte Beweise für staatlich gelenkte Aktionen "sind mir jedoch nicht bekannt, China streitet jede Beteiligung ab".