"Was halten Sie von verteilten Datenbanken?"

13.02.1987

Die Anschaffung eines dezentralen Datenbanksystems bedeutet mehr als -den Erwerb eines x-beliebigen Produkts. Die "Demokratisierung" des Datenbestandes bleibt sicher nicht ohne Einfluß auf das Gesamtgefüge der jeweiligen Unternehmensorganisation, Aber nicht nur aus diesem Grund stehen die Anwender der DB-Neuheit noch abwartend und teilweise sehr skeptisch gegenüber. Die für Konzerne mit mehreren Filialen auf der Hand liegenden Motive für den Einsatz eines solchen Systems gelten keineswegs unbedingt auch für andere Betriebe. Hinzu kommt, daß der Begriff "verteilte Datenbanken" allzuoft mißbräuchlich genutzt wird: Wenn es um die Fähigkeiten ihrer Produkte geht, machen die Hersteller den Kunden bisweilen Versprechen, die sich in der Praxis als übertrieben herausstellen können, zumindest In der Bundesrepublik hält sich die Begeisterung der Anwender für die neue DB-Technik noch in Grenzen. COMPUTERWOCHE fragte nach möglichen Vorteilen und Problemen, die sie mit dem Stichwort "verteilte Datenbank" verbinden.

Peter Brentle, DV -Leiter der Panavia Aircraft GmbH, München: "Eine verteilte Datenbank wurde die gesamte Betriebsstruktur beeinflussen. Positiv betrachtet, kann die Nähe der Daten zum Benutzer dessen Verantwortungsbewußtsein und damit die Datenqualität erhöhen, während diese Verantwortung bei der zentralen Datenhaltung anonym in einer Black Box verschwindet. Indem die Daten - quasi demokratisch. verteilt werden, kann allerdings die Transparenz verlorengehen. Die Entwicklungen in den. Fachabteilungen werden ja ständig den Bedürfnissen angepaßt. Also müßte die Datenorganisation durch einen Datenadministrator oder Informationsmanager kontrolliert werden. Noch wird aber die DV als Werkzeug und nicht als Produktionsfaktor betrachtet. Solange sich daran nichts ändert, sehe ich für eine verteilte Datenorganisation geringe Durchsetzungschancen."

Dr. Klaus Rumpf, Datenbankadministrator, Grünenthal GmbH, Stolberg: "Wenn jede Abteilung ihre eigenen Daten pflegt und alle kreuz und quer darauf zugreifen können, sehe ich Probleme darin, die Datenbestände zu koordinieren und zu aktualisieren. Das ist mit einer zentralen Datenbank schon schwierig genug; bei einem dezentralisierten System wird der Verwaltungsaufwand mit Sicherheit steigen. Einen Bedarf für verteilte Datenbanken sehe ich heute nur bei Bank- und Versicherungskonzernen; für uns sehe ich im Augenblick jedenfalls keinen. Wir sind hier im Positiven Sinn konservativ; wir müssen nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen, wenn es um die Einführung von Neuheiten geht. Fehler kosten schließlich Geld, und wir können uns keine Fehlinvestitionen leisten - zumal ich nicht wüßte, welchen Vorteil uns eine verteilte Datenbank bringen sollte."

Dr. Peter Naumann, Abteilungsdirektor Systementwicklung, Raiffeisen Haupt-Genossenschaft, Hannover: "Die derzeitige Technik unterstützt eine ausgeweitete dezentrale Datenbankführung noch nicht optimal - weder von der Softwareseite noch vom Preis/Leistungs-Verhältnis her. Das heißt, die -dezentralen Systeme bieten momentan die bessere Datenbanksoftware und die preisgünstigere Speichertechnik. Deshalb lautet mein Konzept: verteilte Verarbeitung ja, verteilte Datenbanken im Augenblick grundsätzlich nein. Ich sehe zur Zeit noch kein Produkt, das mir die Datensicherheit und Programmierfähigkeit bietet, die ich heute in der Zentrale auf dem Großrechner habe. Außerdem werden die dezentralen Systeme wahrscheinlich wesentlich teurer hinsichtlich Lizenzgebühren, die üblicherweise pro Rechner entrichtet werden. Bei einer größeren Anzahl von dezentralen Rechnern wird das einfach unwirtschaftlich.