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Was gibt es an Software für Mehrplatz-Mikros?

26.07.1985

Wenn die Frage nach Anwendungssoftware für Mehrplatzmikros gestellt wird, wird häufig behauptet, daß im Vergleich zu Einplatzmikros sehr wenig Software verfügbar sein. Die folgenden Überlegungen sollen dazu beitragen, dieses weit verbreitete Vorurteil auszuräumen.

Wenn über verfügbare Anwendungssoftware gesprochen wird, wird diese oft nach CP/M, MS-DOS oder Unix-Software unterschieden. Diese Unterscheidung ist nur bedingt richtig. Die grundsätzliche Unterteilung der verfügbaren Anwendungssoftware im Mikrobereich kann eigentlich nur lauten: Anwendungssoftware für Einplatzsysteme oder Mehrplatzsysteme.

Verfügbare Software im Mikrobereich

Es ist danach zu fragen, welche Compiler oder Interpreter der jeweiligen Programmiersprache unter einem bestimmten Betriebssystem auf

einer bestimmten Hardware implementiert sind. Eine weitere Frage ist, ob diese Anwendungssoftware von vornherein mehrplatzfähig konzipiert wurde.

Steht zum Beispiel ein M-Basic oder ein C-Compiler sowohl auf einem Einplatz- als auch auf einem Unix-Mehrplatzsystem zur Verfügung, kann diese Software sowohl auf dem Einplatz- als auch auf dem Mehrplatzsystem implementiert werden.

Im Vergleich zu sogenannter CP/M-, MS-DOS-Anwendungssoftware mag bei oberflächlicher Betrachtung die Aussage richtig sein, daß es wesentlich mehr Anwendungssoftware gibt als für Mehrplatzsysteme mit dem Betriebssystem Unix. Wird aber verfügbare Anwendungssoftware auf grundsätzliche Anforderungen und bestimmte Qualitätskriterien hin überprüft, so sprechen Fachleute davon, daß von der verfügbaren Anwendungssoftware maximal 20 den Anforderungen gerecht werden.

Anwendungssoftware für Mehrplatzsysteme gibt es mehr als allgemein angenommen wird. Die Begründung dafür liegt darin, daß eine Reihe von Compilern und Interpretern bekannter Hochsprachen auf den Mehrplatzsystemen unter dem Betriebssystem Unix implementiert sind. Dies sind zum Beispiel:

SMC Basic (vergleichbar mit MAI-Basic Business Basic III und IV)

ANS Cobol level II

R/M Cobol

Fortran 77

Pascal in unterschiedlichsten Dialekten

CBasic

Sibol (Dibol von DEC)

"C"

APL

Aufgrund der enormen Leistungsfähigkeit und der erheblichen Ausbaufähigkeit von Supermikros besteht damit die Möglichkeit, sämtliche existierende Anwendungssoftware von Systemen der mittleren Datentechnik, Großsystemen oder Minicomputern auf die Supermikros zu übertragen und zu implementieren. Dabei stellt sich nur die Frage, mit welchem Umstellungsaufwand das zu bewältigen ist. Die wesentlichen Anpassungen betreffen die Dialogprogramme einer Anwendung. Dafür stehen meistens leistungsfähige Maskenprogramm-Generatoren zur Verfügung.

Damit hat ein Interessent oder Kunde die Sicherheit, daß bestimmte Anwendunge nproblemlos laufen, da diese Anwendungssoftware meist seit Jahren auf größeren oder anderen Systemen erfolgreich im Einsatz ist.

Bei genauerer Betrachtung steht damit sehr viel und vor allem professionelle Anwendungssoftware zur Verfügung. Ist eine bestimmte Anwendung auf einem System noch nicht verfügbar, kann sie, abhängig von der verwendeten Programmiersprache' (SMC Basic), mit geringstem Aufwand implementiert werden.

Wenn ein Hersteller - wie unser Haus - mit einem Supermikro auf den Markt geht, muß die Verfügbarkeit von leistungsfähiger Anwendungssoftware sichergestellt sein. Deshalb muß eine Programmiersprache ausgewählt werden, die die Implementation von Anwendungssoftware auf dem neuen Supermehrplatzmikro ohne aufwendige Anpassungen ermöglicht und ausreichend Anwendungssoftware für sämtliche wichtigen Branchen verfügbar macht.

Diese Voraussetzungen - Implementationen ohne Aufwand, Verfügbarkeit von Branchenanwendungen für 50 bis 100 Branchen - sind am besten durch Anwendungen in SMC Basic gegeben. Die überwiegende Anzahl von Branchensoftware kommt von Softwarehäusern, die in den letzten Jahren überwiegend für MAI-Systeme Software entwickelt haben. In kleinerem Umfang gibt es auch Anwendungen auf der IBM-Serie / 1, die SMC Basic einsetzen.

Leistungsfähige Zusatzsoftware

Um IBM-kompatible PC in einem klassischen Mehrplatzsystem zu integrieren, werden sie als Terminal verwendet. Damit können Anwendungen, die auf dem Mehrplatzsystem ablauffähig sind, auf dem PC durchgeführt und Anwendungen, die bisher auf dem PC ausgeführt wurden, weiterbenutzt werden.

Ein wesentlicher Bestandteil bei Mehrplatzmikros sind Kommunikationsanwendungen. So stehen alle wesentlichen Protokolle, die für Kommunikation mit Großrechnern erforderlich sind, zur Verfügung. Eine der wichtigsten ist 3270 als Protokoll für den Online-Dialog mit dem Großrechner. Mit der 3270-Emulation wird die Steuereinheit des jeweiligen IBM-Systems nachgebildet, so daß sich jedes angeschlossene Terminal an dem Mehrplatz-Supermikro wie ein IBM-Terminal verhält.

Mit dem 2780/3780-Protokoll erfolgt die Datenübertragung im Stapel vom Großrechner zum Supermikro oder umgekehrt. Diese Protokolle stehen für den BSC- und/oder SNA. Betrieb zur Verfügung.

Voraussetzung für Datenfernübertragung mit dem Datex-P-Netz oder Bildschirmtext ist X.25:

In Verbindung mit einem sehr leistungsfähigen Textsoftwareprodukt (Extended Fortune: Word), einer entsprechenden Telex-Software und Telex-Box können von jedem angeschlossenen Terminal Telexe direkt erfaßt, verwaltet und abgeschickt werden. Zunehmende Bedeutung gewinnt Teletex, das in ähnlicher Form eingesetzt wird.

Mit dem Softwareprodukt VT/E 100 kann ein Supermikro an einen DEC-Minicomputer angeschlossen werden. Jedes Terminal arbeitet dann wie ein VT/E-100-Bildschirm an einem DEC-System. Zusätzlich können Daten übertragen werden.

Benutzer von Wang-Systemen mit der Wang-Textsoftware können mehrplatzfähige Supermikros einsetzen, die direkt mit dem Wang-System kommunizieren. Das besondere daran ist, daß Textdokumente, die auf dem Wang-System erstellt wurden, auf das Fortune-System übertragen werden, um dort weiterbearbeitet zu werden. Auf dem Fortune erstellte Textdokumente können ebenso auf das Wang-System übertragen werden und dort so weiterbearbeitet werden, als wären sie auf dem Wang-System erstellt. Das bedeutet, daß die gesamten Steuerzeichen des jeweiligen Systems konvertiert werden. Die Kommunikation zwischen den Systemen erfolgt über die 3780-Prozedur.

Software Neuentwicklungen

Seit sich Unix als "De-facto"-Standard im Mehrplatzbereich etabliert hat, gewinnt der Einsatz von "C" große Bedeutung. Das Betriebssystem Unix ist in der Sprache "C" erstellt.

Es besteht ein hoher Bedarf an Anwendungssoftware, die mit modernen relationalen Datenbanksystemen in der Programmiersprache "C" erstellt sind. Leider haben bis heute führende große Softwarehäuser in Deutschland, die sich Unix auf die Fahne geschrieben haben, es bisher versäumt, leistungsfähige Horizontalsoftware für Standardanwendungen zu entwickeln und anzubieten. Es ist jedoch deutlich festzustellen, daß sehr viele kleine Softwarehäuser aufgrund der Nachfrage und der leistungsstarken Hilfsmittel immer mehr in diesen Bereich vordringen.

Der Vorteil, der sich durch Anwendungssoftware mit leistungsfähigen Datenbanksystemen in "C" ergibt, ist, daß diese Software ohne großen Aufwand auf eine Reihe weiterer Unix-Systeme portiert werden kann. Dies erlaubt einem Softwarehaus, seine Entwicklungskosten schneller zu erwirtschaften. Die Investitionen in Softwarelösungen sind geschützt. Dies ist erstmalig deshalb auf breiter Basis möglich, weil Softwareentwicklungswerkzeuge heute so leistungsfähig sind, daß Individualanpassungen in einem Bruchteil der bisher notwendigen Zeit durchgeführt werden können.

Programmgeneratoren

Neben den relationalen Datenbanksystemen, die für die Softwareentwicklung eingesetzt werden, stehen für einzelne Programmiersprachen sehr leistungsfähige Programmentwicklungsgeneratoren zur Verfügung.

"Maske", ein Programmgenerator der unter SMC-Basic von der Maskenerstellung; Programme mit einfacher Logik, automatischer Integration zur Textverarbeitung bis hin zur Erstellung sämtlicher Listenauswertungen, Bedienungsdokumentation und Programmdokumentation alle Möglichkeiten umfaßt. Außerdem stehen Cobol-Programmgeneratoren und C-Programmgeneratoren zur Verfügung.

Welche Trends sind erkennbar?

Der eindeutige Trend in der Softwareentwicklung geht heute, bezogen auf Mehrplatzsysteme unter Unix, klar zum verstärkten Einsatz von relationalen Datenbanksystemen in Verbindung mit der Programmiersprache "C". Gleichzeitig werden Softwareprodukte geschaffen, die diese Anwendungen in ihrer Basis netzwerkfähig machen. Der nächste entscheidende Schritt in Verbindung mit neuen Softwareprodukten unter dem Betriebssystem Unix führt dazu, daß erstmalig komplette Netzwerkanwendungen entstehen, in denen einzelne Mehrplatz-Supermikros mit Höchstgeschwindigkeitsleistungen verbunden werden.

Damit wird es erstmalig möglich, Lösungen zu realisieren, die bisher Großrechnern oder größeren Systemen vorbehalten waren. Dadurch ist automatisch der Schritt zu komplexer Groß-Lösung realisierbar, die Beschränkungen anschließbarer Terminals an ein Zentralsystem gegenstandslos machen.

Integration von Anwendungen

Ein weiterer Trend, der nun Realität wird, ist die Möglichkeit, daß die Mehrplatzsysteme unter Unix mit intelligenten Terminals ausgerüstet sind, die gleichzeitig die Ausführung von Anwendungen unter Unix und/ oder MS-DOS erlauben, mit dem Zugriff auf das jeweilige Datei-System.

Der heutige Anwender oder der zukünftige Kunde erhält damit eine Flexibilität und Leistung, wie sie bisher nicht möglich war. Gleichzeitig gibt es für einen Benutzer keine Grenzen mehr im Zugriff auf Anwendungssoftware aus dem Bereich der Einplatzsysteme unter MS-DOS oder Anwendungssoftware für Mehrplatzsysteme unter Unix.

Für Mehrplatzsupermikros gibt es für fast jede Branche geeignete Anwendungssoftware. Die überwiegend existierende Anwendungssoftware, die am einfachsten einzusetzen ist, steht auf der Basis des SMC Basic zur Verfügung. Darüber hinaus kann die Anwendungssoftware, die in Hochsprachen wie Cobol, Fortran, Pascal, "C" verfügbar ist, auf einem Supermikro eingesetzt werden.

Es entstehen jeden Tag neue Anwendungssoftwareprodukte für einzelne Branchen mit leistungsfähigen relationalen Datenbanksystemen und in der Programmiersprache "C" die charakteristisch für Unix-Systeme ist. Verfügbare Zusatzsoftware für den PC-Anschluß, neue Softwaretechnologien in Verbindung mit neuen Hardwarekonzepten geben dem zukünftigen Benutzer eine bisher nie gekannte Flexibilität und Unabhängigkeit.

*Friedrich Bauer ist Leiter Marketing Support bei den Fortune Systems GmbH in Frankfurt.