Was EAM-Tools leisten müssen

21.07.2006
Die Technische Universität München bewertet neun Werkzeuge für Enterprise-Architecture-Management.
Die Tools für Enterprise-Architecture-Management können auf viele im Unternehmen bereits vorhandene Daten zugreifen, müssen diese aber für das EAM-Informationsmodell vereinheitlichen.
Die Tools für Enterprise-Architecture-Management können auf viele im Unternehmen bereits vorhandene Daten zugreifen, müssen diese aber für das EAM-Informationsmodell vereinheitlichen.

Von CW-Redakteur Stefan Ueberhorst

Sieben EAM-Aufgaben

Landscape-Management:

Hierbei ist zu klären, wie die Applikationslandschaft heute aussieht, wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft aussehen soll, wo die Unterschiede liegen, aus welchen Gründen die Veränderungen erforderlich sind und welche Projekte für das angestrebte Ziel aufgesetzt werden müssen.

Projektportfolio-Management:

Dies umfasst die Sammlung der eingereichten Projektanträge, die Zuordnung der Projekte zu den be- troffenen Applikationen, Geschäftsprozessen und Geschäftsbereichen, die Analyse der einzelnen Projektkosten sowie eine Priorisierung der Projekte nach Kosten und Dringlichkeit.

Synchronisations-Management:

Die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Projekten müssen für einen reibungslosen Ablauf unter Kontrolle sein. Es gilt zu klären, ob mehrere Projekte ein und dieselbe Applikation oder Abteilung berühren, welche Abhängigkeiten dann zwischen diesen Projekten bestehen, wann sich Verzögerungen in einem Projektabschnitt auf die anderen Vorhaben auswirken und wie sich diese Probleme lösen lassen.

Traceability und Strategien-Management:

EAM-Aktivitäten müssen sich an den Strategien und Zielen einer Organisation ausrichten. Dazu sollte es anhand der EAM-Tools möglich sein, eine Strategie in möglichst kleine, damit verbundene Aktionseinheiten zu zerlegen und diese den entsprechenden Bereichen der Organisation zuzuordnen. Dann lässt sich zum Beispiel aufspüren, ob bestimmte Geschäftseinheiten ihre Ziele erreicht haben.

Verwaltung von Business-Objekten und Business-Services:

Business-Objekte wie Rechnung, Überweisung oder Reklamation müssen in Beziehung zu Applikationen, Prozessen und Services gesetzt werden. Welche Business-Objekte von welcher Applikation während der Verarbeitung modifiziert werden, sollte hier kontrollierbar sein.

Application-Architecture-Management:

Viele in Unternehmen eingesetzte Business- Applikationen folgen einer eigenen Architektur. Der damit drohenden Komplexität sollte durch ein gezieltes Archi- tektur-Management entgegengewirkt werden. Dazu gehört, dass man eine Bestandsaufnahme der eingesetzten Techniken vornimmt, daraus die wichtigsten Architekturen identifiziert und diese als Standard definiert. Ebenfalls muss geklärt werden, ob Business-Applikationen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, ersetzt werden können, und wenn ja, mit welchen Konsequenzen.

Infrastruktur-Management:

Auch hier ist eine detaillierte Bestandsaufnahme Voraussetzung, in die allerdings nicht nur Infrastrukturkomponenten wie Datenbanken und Middleware-Systeme eingehen, sondern ebenso deren Bezug zu Applikationen, Informationsflüsse und Zuordnung zu Abteilungen. Auf dieser Grundlage lassen sich dann Konsolidierungsprojekte etwa der Datenbanken planen.

Produkte und ihre Bewertung

EAM-Aufgaben/Produkt Adaptive Planning IT ADOit Corporate Aris Mega Process4.biz System Metis EAM Modeler Toolset Architect

Landscape-Management 3 5 3 3 4 3 3 4 3

Projektportfolio-Management 3 4 2 2 2 3 2 3 3

Synchronisations-Management 2 3 1 1 2 2 1 3 2

Traceabilityund Strategien-Management 3 5 2 2 5 4 2 4 3

Verwaltung von Business-Objekten und Business-Services 4 5 4 3 3 4 2 4 4

Application-Architecture-Management 4 5 3 3 3 3 3 5 4

Infrastruktur-Management 3 4 3 3 3 3 2 4 4

0 = Die Ziele der simulierten EAM-Aufgaben werden nicht erreicht; 5 = Sie werden annähernd bis viollständig erreicht.

Neun Kandidaten

Adaptive Ltd. Adaptive EAM 3.0.306

Alfabet AG Planning IT 1.0

BOC GmbH ADOit 2.0

Casewise Inc. Corporate Modeler Suite 9.1 und IT Architecture Accelerator 3.6

IDS Scheer AG Aris Toolset 6.2.3

Mega International SA Mega 6.1

Process4.biz GmbH Process4.biz 4.07

Telelogic AB System Architect 10.1.11

Troux Technologies Inc. Metis 3.6

Die Studie

Die Studie "Enterprise Architecture Management Tool Survey" ist am Ernst-Denert-Stiftungslehrstuhl Software Engineering for Business Information Systems (Sebis) der Technischen Universität München entstanden. Die Arbeiten dafür wurden 2004 begonnen und im letzten Jahr abgeschlossen. Damit ist klar, dass einige der getesteten Produkte heute in einer neuen Version vorliegen, die eventuell mit der einen oder anderen Schwäche aufräumt. Dennoch liefert das über 300 Seiten umfassende Werk eine wertvolle Hilfe bei der Einführung in das Thema und der Produktorientierung - immerhin gibt es insgesamt 16 Prüfschritte, die für jedes Tool ausführlich beschrieben werden. Die Studie ist für rund 400 Euro direkt am Lehrstuhl für Informatik 19 der TU München erhältlich (Kontakt: andre.wittenburg@in.tum.de).

Mehr über EAM

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Die Rolle der IT für Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Nach ihrer ursprünglich rein unterstützenden Funktion fällt ihr heute die Aufgabe zu, eine schnelle und flexible Umsetzung neuer Strategien in die Praxis zu gewährleisten. Der von Analysten gepredigte Leitsatz lautet deshalb: Geschäft und IT müssen als Ganzes im Sinn einer Enterprise Architecture (EA) gesehen werden. Das ist leichter gesagt als getan: Die hohe Zahl an Unternehmensapplikationen und deren Zusammenspiel mit Geschäftsprozessen haben zu einem derart komplexen Geflecht geführt, dass eine solche Architektur nur noch mit entsprechender Tool-Unterstützung zu managen ist.

Solche Werkzeuge bedingen hohe Investitionen - die sorgfältige Produktauswahl ist deshalb besonders wichtig. Hilfe leistet dabei der Lehrstuhl für Informatik an der Technischen Universität München, der im Rahmen seines Forschungsprojekts "Software Cartography" kürzlich die Studie "Enterprise Architecture Management Tool Survey" veröffentlicht hat. Aus dem EAM-Marktspektrum haben sich die Experten neun Produkte (siehe Kasten "Die Kandidaten") vorgenommen und gemeinsam mit Partnern wie T-Com, TUI, BMW und Deutscher Post auf ihre Einsatztauglichkeit getestet.

Für die Produkte galt es, sich in zwei Prüfkategorien zu bewähren. Zum einen wurden unter der Bezeichnung "Tool-Functionality" neun Softwareaspekte unter die Lupe genommen, so etwa die Usability, die Konfigurationsmöglichkeiten, das Angebot an vordefinierten Metamodellen, Berichtsfunktionen, Visualisierungstechniken sowie Collaboration- und Datenaustausch-Optionen. Unter der zweiten Kategorie wurde untersucht, wie gut die Produkte bestimmte Aufgaben des Enterprise-Architecture-Managements unterstützen (siehe Tabelle und Kasten "Die sieben EAM-Aufgaben").

Da die meisten Produkte einem modellgetriebenen Ansatz folgen, ist es wichtig zu verstehen, was der Terminus EAM-Informationsmodell bedeutet. EAM-Werkzeuge treten quasi als Sammler von möglichst vielen Informationen auf, die zum Beispiel aus Modellierungswerkzeugen wie Aris, System-Management-Tools, Projektplanungs- und Business-Intelligence-Applikationen stammen. Die Herausforderung besteht nun darin, die in völlig unterschiedlicher Ausprägung vorliegenden Daten so zu vereinheitlichen, dass sie sich gemeinsam darstellen und in Beziehung zueinander setzen lassen.

Das Informationsmodell

Dies erfolgt auf einer höheren Abstraktionsebene im Rahmen eines Informationsmodells. Dort sind Informationsobjekte (Entities) definiert, deren Attribute und Zugehörigkeit zu Informationsklassen (Entity Types) sowie die Beziehungen zwischen Klassen (Relationship Types). Ein Informationsobjekt ist dabei die Abstraktion eines realen Objekts (zum Beispiel "BMW 318i = Produkt" oder "Accounting = Business-Prozess" beziehungsweise "Accounting System = Business-Applikation"). Entscheidend ist nun die Frage, inwieweit die seitens der EAM-Produkte angebotenen Metamodelle dem vom Anwender für sein Unternehmen entworfenen Informationsmodell entsprechen und wie flexibel sie sich anpassen lassen.

Die Konfigurationsoptionen der Metamodelle sind damit ein wesentlicher Aspekt der Produktbewertung. Um sämtliche Prüfschritte produktübergreifend einheitlich simulieren zu können, haben die Münchner auf Basis eines UML-Klassendiagramms ein vereinfachtes Informationsmodell für die Prozesse eines fiktiven Kaufhauses entworfen und dieses zur Bearbeitung von Testdaten technisch umgesetzt. Bezüglich der Produkte kommen die Wissenschaftler zu folgenden Ergebnissen.

Adaptive EAM

Herzstück der von Adaptive Ltd. angebotenen Lösung "Adaptive EAM" ist ein zum Microsoft Operations Framework kompatibles Repository, das eine Infrastruktur für Planung und Dokumentation von Enterprise-Architekturen bereithält. Die Bedienung erfolgt über ein weitgehend konfigurierbares Web-Interface, für die Diagrammerstellung gibt es den Client von Microsoft Visio. Auch die flexiblen Möglichkeiten für den Datenaustausch werden von den Prüfern hervorgehoben. Unterm Strich sprechen sie von einem "beeindruckenden Instrument" für das Enterprise-Architecture-Management. Betont wird auch die strikte Anlehnung des Produkts an Standards, so etwa bei den vordefinierten Metamodellen, was jedoch nicht verwundert, ist der Hersteller doch Mitglied der OMG.

Im Vergleich zu den anderen Produkten liegt Adaptive EAM sowohl in der Testgruppe Funktionen als auch in der für die EAM-Aufgaben meist im Durchschnitt oder knapp darüber. Bemängelt werden lediglich die Funktion "Usability" und das EAM-Szenario "Synchronisations-Management". Bezüglich der Bedienung kritisieren die Prüfer den überfrachteten Web-Client, in Sachen Synchronisation die komplizierten Visualisierungsfunktionen für IT-Projekte.

Planning IT

Der Alfabet AG bescheinigen die Tester, dass ihr Tool "Planning IT" das einzige der evaluierten Produkte ist, dessen Fokus auf einem integrierten Planungsprozess liegt. Das Tool vereint Management-Module, die von der Anforderungsdefinition bis zur Projektportfolio-Verwaltung reichen. Positiv aufgefallen sind die zahlreichen Out-of-the-Box-Funktionen, die vordefinierten und sofort einsatzbereiten Metamodelle, die ebenfalls vorgefertigten Diagrammtypen und die Bereitstellung einer einheitlichen Vorgehensmethode. Besonders im Bereich der sieben EAM-Szenarien schneidet die Software meist überdurchschnittlich bis hervorragend ab. Die Verzahnung der einzelnen Module eigne sich für die enge Zusammenarbeit großer, an diversen Projekten arbeitender EAM-Teams.

Schwächen zeigte Planning IT dagegen im funktionalen Bereich und dort besonders bei den Konfigurationsmöglichkeiten für Metamodelle. Hier befand sich Alfabet in der Zwickmühle, da der kollaborative und prozessübergreifende Ansatz des Produkts ein Metamodell voraussetzte, das zur Abdeckung möglichst vieler Aspekte zwar mächtig, dafür aber wenig anpassbar war. Inzwischen entschärft ein nachgeliefertes Software Development Kit dieses Problem. Ähnliches gilt für den Bereich Visualisierungstechniken, für den es ein reichhaltiges Angebot an vordefinierten Darstellungsoptionen gibt, deren Flexibilität jedoch zu wünschen übrig lässt.

ADOit

Das Produkt der BOC GmbH rangiert in beiden Beurteilungsgruppen ungefähr im Mittelfeld des Bewertungsspektrums. Ein Grund dafür liegt im modellgetriebenen Ansatz von "ADOit". Das Metamodell definiert die verfügbaren Entitäten-Typen, deren mögliche Verknüpfungen sowie die anwendbaren Attribute. Diese Vorgaben erlauben zwar einerseits einen schnellen Einsatz des Produkts, andererseits sind Änderungen am Metamodell wie die Einführung neuer Objekttypen, Attribute oder Relationen eher Sache der BOC-Consultants. Entsprechend mäßig fällt die Beurteilung der Funktionsprüfung "Konfigurierbarkeit des Metamodells" aus. Auffallend schwach ist die Software in Bezug auf die Verwaltung des Projektportfolios, Synchronisation von Projekten und Strategie-Management.

Corporate Modeler Suite

Dass es trotz modellgetriebenen Ansatzes auch anders gehen kann, zeigt die "Corporate Modeler Suite" und der "IT Architecture Accelerator" (ITAA) von Casewise. Das Metamodell ist leichtgewichtig und erlaubt flexible Konfigurationen beziehungsweise Änderungen, was zu einer guten Note in dieser Funktion führte. Sonst fällt die Beurteilung des Produkts ähnlich der von ADOit aus.

Das Casewise-System besteht im Prinzip aus zwei Hauptkomponenten. Die Modeler Suite stellt den Fat Client für die Modellierung, das Processing der Metamodelle sowie den Datenaustausch. Der Thin Client kommt mit ITAA. Ihm obliegt die Darstellung der Diagramme und HTML-Formulare.

Aris Toolset

Zu den größten Anbietern im Bereich Business-Process-Management zählt die IDS Scheer AG mit ihrer "Aris"-Platform. Die zwei Varianten des Systems sind das "Aris Toolset" mit einem Standard-Fat-Client sowie dem auf Java basierenden "Aris Web Designer". Bezüglich der angebotenen Funktionen unterscheiden sich beide Produkte kaum. Inzwischen offeriert IDS mit dem "Aris Business Architect" ein Werkzeug, das die Toolset-Bedienung im Browser ermöglicht. Die mit dem Business Architect einhergehenden Verbesserungen konnten in der wertenden Produktbeurteilung der Studie nicht mehr berücksichtigt werden, an den entsprechenden Stellen der Produktbeschreibung wird jedoch auf die Neuerungen hingewiesen.

Schwächen zeigt das getestete Aris Toolset lediglich in den Konfigurationsmöglichkeiten des Metamodells sowie beim Projekt-Portfolio- und Synchronisations-Management. Ein Highlight ist dagegen die Unterstützung der EAM-Aufgabe "Traceability und Strategie-Management". Damit gemeint ist die Zerlegung einer Geschäftsstrategie in möglichst kleine Aktionseinheiten, so dass eine sehr granulare Erfolgskontrolle möglich wird. Flexible Visualisierungstechniken, gute Reporting-Funktionen sowie ein bei nahezu allen Produkten positiv bewerteter Collaboration-Support prägen die Aris-Lösung, die in den restlichen Disziplinen eher im Durchschnitt liegt.

Mega

Ein hoch flexibles Metamodell attestieren die Tester dem Produkt "Mega" des gleichnamigen Herstellers. Sowohl das Modell an sich als auch die begleitenden Vorgehensrichtlinien lassen sich komplett an die unternehmensspezifischen Anforderungen für Enterprise-Architecture-Management anpassen. Ähnliches gilt für die grafische Benutzeroberfläche und die vorgefertigten Diagrammtypen. Einziger Wermutstropfen ist auch bei dieser Lösung das Synchronisations-Management.

Process4.biz

In gewisser Hinsicht eine Ausnahme unter den hier getesteten Kandidaten ist das gleichnamige Produkt der Process4.biz GmbH. Es handelt sich um ein äußerst schlankes EAM-Tool, das der Hersteller um Visio herum entwickelt und stark in die Microsoft-Welt eingebunden hat. Das hat zur Folge, dass diverse Funktionen wie Bedienbarkeit, Konfigurationsoptionen oder Visualisierungstechniken zwar recht gut ausgeprägt sind, die in der Studie beurteilten EAM-Aufgaben vielfach jedoch nur rudimentär unterstützt werden.

System Architect

Das genaue Gegenteil kommt mit den "System Architect" von Telelogic. Die Software spielt den Prüfergebnissen zufolge in der oberen Liga und weist lediglich in einigen wenigen Disziplinen eine nur durchschnittliche Bewertung auf. Auf Funktionsseite überzeugen der Datenaustausch mit externen Quellen, die Fülle der angebotenen Visualisierungstechniken und das Reporting. Mittelmaß bei den EAM-Aufgaben sind nur das Projektportfolio- und Synchronisations-Management. Eine besondere Stärke des Produkts sehen die Prüfer in der Folgenabschätzung (Impact-Analyse). Über SQL-ähnliche Abfragen lassen sich je nach Bedarf grafische oder schriftliche Berichte generieren, auf deren Basis dann wichtige Enterprise-Architecture-Aspekte analysiert werden können.

Metis

Interessant ist die Software "Metis" von Troux Technologies. Bemerkenswert ist, dass sie im Gegensatz zu den meist modellgetriebenen Konkurrenten auf Visualisierung getrimmt ist. Der Benutzer erhält eine konsistente grafische Oberfläche, um auf Repository-Daten zuzugreifen oder komplexe Beziehungen zwischen den dort gespeicherten Informationen herzustellen. Nahezu alle EAM-Aufgaben lassen sich über Diagrammdarstellungen bewältigen. Als Schwachpunkte vermerken die Tester die zu geringe Flexibilität der Reporting-Funktionen und auch hier wieder das Synchronisations-Management.