Marktpreisanalyse unter Anbietern

Was dürfen ERP-Dienste kosten?

18.05.2001
MÜNCHEN (jha) - ERP-Dienste gibt es nicht in Normgröße, Preisvergleiche sind daher sehr schwer. Dennoch haben einige Anwender, Anbieter und Dienstleister im Rahmen von Arbeitskreisen eine Standardardisierung von SAP-Services erarbeitet und einen Fragebogen entworfen, der für Preistransparenz sorgen soll. Das Ergebnis: Unter den Angeboten existieren enorme Kostendifferenzen.

Es ist schwer vorstellbar, dass ein Liter Milch in einem Supermarkt eine Mark und im Geschäft nebenan fünf Mark kostet. Im ERP-Umfeld sind derartige Preisdifferenzen durchaus möglich, dies ergab die Marktpreis-Analyse von Jochen Michels, selbständiger Unternehmensberater in Neuss: Beim günstigsten Anbieter von SAP-Diensten zahlen die Anwender im Jahr rund 5200 Mark pro aktiven Nutzer, der Teuerste verlangt immerhin 27500 Mark. An der Umfrage hatten sich 16 Anbieter beteiligt, die entweder als externe Dienstleister derartige Services zur Verfügung stellen oder als interne IT-Abteilung ihre Leistungen mit den Fachabteilungen verrechnen. Die Ergebnisse wurden anonymisiert.

Tricks bei der VerrechnungBasis dieser Befragung ist ein fünfseitiger Excel-Fragebogen, der sich unter www.jomi.com downloaden und ausfüllen lässt. Er ist das Ergebnis von fünf Arbeitskreisen, die Michels regelmäßig veranstaltet. In diesen Sitzungen hatten sich die Teilnehmer - zum Gros waren dies IT-Controller und -Verantwortliche - auf den Fragenkatalog geeinigt und eine standardisierte Umgebung bei der Nutzerzahl und den Service-Levels vereinbart. Die Ergebnisse gelten somit für eine SAP-Installation mit 1200 named (also definierte), 1000 im System angemeldeten und 500 aktiv arbeitenden Nutzern. Als Standardvorgaben bei der Antwortzeit einigten sich die Teilnehmer auf maximal eine Sekunde bei 95 Prozent und 1,5 Sekunden bei 99 Prozent der Transaktionen. Die voreingestellte Verfügbarkeit beträgt 99 Prozent innerhalb eines Monats, eine Verrechnung von Ausfallzeit über einen längeren Zeitraum ist nicht zulässig. Letztere Vereinbarung wurde als notwendig erachtet, weil "derartige Tricks bei der Verrechnung durchaus ausgenutzt werden", warnt Michels.

"Natürlich besteht immer eine Preisdifferenz zwischen einer internen IT-Abteilung mit Selbstkostenkalkulation und einem externen Anbieter", erläutert der Unternehmensberater, "doch die extremen Ausschläge bei den Ergebnissen beruhen nicht allein auf den Gewinnmargen, die ein Dienstleister in den Preis einbezieht." Die Ursachen sind Michels Einschätzung zufolge vielfältig, beruhen aber auch auf falscher Kalkulation oder mangelnder Transparenz bei der Preisfindung des Anbieters. Im Klartext: "Das ist schlichte Nachlässigkeit beim Rechnen", meint Michels. Demnach verlangen einige Anbieter von ihren Kunden entweder zu viel oder auch zu wenig.

Wie unterschiedlich die Kalkulationen der einzelnen Teilnehmer ausfallen, verdeutlichen zwei Angaben zu den Lizenzkosten. Für die definierte Nutzerzahl stellt ein Anbieter einen Betrag von 157000 Euro, ein zweiter 3,3 Millionen Euro für den Posten Lizenzen in Rechnung. Erstaunlicherweise ist in der Endabrechnung (der Summe aller Kostenposten) weder der eine der Günstigste noch der andere der Teuerste. Der Verdacht liegt nahe, dass Kosten auf andere Posten umgelegt werden. Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass einige Anbieter für Supportdienste oder die Netzinfrastruktur gar nichts berechnen, in der Endabrechnung dadurch aber auch nicht aus dem Rahmen fallen, denn "zu verschenken haben diese Teilnehmer wohl kaum etwas", so Michels.

ERP-Dienste ab 6000 EuroDie Jahrespreise der einzelnen Anbieter für Posten wie Lizenzen, Supportdienste, Server-, Desktop- und Netzinfrastruktur wurden schließlich addiert und durch die Zahl der definierten, angemeldeten und aktiven Nutzer dividiert. Hier weist die Analyse einen Mittelwert von 9342 Euro für jeden im System arbeitenden Anwender pro Jahr aus, allerdings ergaben sich auch auffällige Ausreißer. Der teuerste Anbieter verlangt mehr als 27 000 Euro, der günstigste bescheidet sich mit knapp 5200 Euro. Michels kommt zum Schluss, "dass Anwender kaum mit weniger als 6000 Euro pro aktiven Nutzer im Jahr rechnen können."

Das sind immerhin fast zehn Prozent der Gesamtpersonalkosten für einen durchschnittlichen Mitarbeiter. Es muss die Frage erlaubt sein, ob dessen Produktivität durch die Verwendung von ERP-Applikationen um wenigstens diesen Satz gesteigert wird. Liegt der ERP-Nutzung jedoch eine unternehmensstrategische Entscheidung zugrunde, lohnt ein Blick auf die Service-Levels, also auf die Qualität der Dienste. Die wird laut Einschätzung der Arbeitskreise maßgeblich durch die Parameter Antwortzeit und Verfügbarkeit bestimmt.

Kennen Anbieter ihre Service-Levels nicht?Im Fragebogen sind die Standardwerte bereits eingetragen. Auffallend viele Anbieter haben beim Ausfüllen der Tabellen diese Angabe unverändert übernommen. Dies lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder entsprechen die angenommenen Daten sehr genau der Realität und Praxis in den Unternehmen, oder viele Dienstleister kennen ihre eigene Dienstequalität nicht und nutzen daher die Default-Werte. Zur Berechnung des Qualitäts-Ranking wurden die monatlichen Preise pro aktivem Nutzer und Monat so gewichtet, dass die Dienste mit kürzeren Antwortzeiten und höherer Verfügbarkeit in der Endabrechnung günstiger werden. Hier verfälscht sich das Bild ein wenig, denn die Anwender werden nicht weniger für qualitativ gute Dienste zahlen müssen, sie erhalten lediglich einen besseren Service für ihr Geld.

Sämtliche Ergebnisse dieser Marktpreisanalyse können nicht der Weisheit letzter Schluss sein, weil sich trotz aller Standardisierungsbemühungen nicht zu berechnende Ungenauigkeiten einschleichen. So haben die Teilnehmer etwa ihre reale Umgebung auf die vereinbarte Nutzerzahl umgerechnet. Dabei wurden allerdings kein Gewichtungsschlüssel verwendet, sondern die Zahl linear auf die besagten 1200 namentlichen, 1000 definierten und 500 aktiven Nutzer bezogen. Unter den Teilnehmern waren jedoch Anbieter mit knapp 4000, aber auch solche mit wenigen hundert SAP-Arbeitsplätzen. "Das Modell enthält sicher einige Unschärfen, das ist unvermeidbar. Ein Anbieter mit wenigen SAP-Nutzern muss einen gewissen Mindest-Overhead betreiben, womit seine Kosten pro Arbeitsplatz natürlich teurer als die eines großen Anbieters werden", erläutert Michels. Dennoch: "Ich bin mir sicher, dass diese Zahlen einen Anhaltspunkt dafür geben, was ein SAP-Dienst kosten darf", so der Unternehmensberater.

Gesamtpreis pro NutzerTeilnehmer / Definierter Nutzer / Aktiver Nutzer

1 / 3203 / 7687

2 / 2440 / 5.856

3 / 2800 / 6.719

4 / 11 472 / 27 532

5 / 3401 / 8163

6 / 5487 / 13 168

7 / 3161 / 7588

8 / 2162 / 5188

9 / 3461 / 8305

10 / 4395 / 10 548

11 / 2922 / 7013

12 / 5088 / 12 210

13 / 2190 / 5257

14 / 2548 / 6116

15 / 4090 / 9816

16 / 2774 / 6658

Mittelwert / 3893 / 9342

Standard-Abweichung / 2249 / 5397

Angaben in Euro pro Jahr

Quelle: Jochen K. Michels, Unternehmensberatung, Neuss

Jahrespreise der einzelnen Posten für SAP-DiensteTeilnehmer / Lizenzen (SAP, DB, Server-BS) / SAP-Standard-Support / Server- und Desktop-Infrastuktur / Netz-Infrastruktur- (WAN) / Gesamtpreis

1 / 156 945 / 390 199 / 3 104 454 / 191 981 / 3 843 579

2 / 853 005 / 279 779 / 1 676 731 / 118 620 / 2 928 135

3 / 1 502 857 / 368 130 / 1 111 178 / 377 247 / 3 359 412

4 / 1 570 200 / 1 791 667 / 7 015 417 / 3 388 889 / 13 766 172

5 / 763 643 / 0 / 3 317 699 / 0 / 4 081 342

6 / 999 342 / 437 310 / 4 102 035 / 1 045 303 / 6 583 990

7 / 999 361 / 1 271 859 / 1 522 566 / 0 / 3 793 786

8 / 639 316 / 424 761 / 1 403 461 / 126 352 / 2 593 889

9 / 1 032 479 / 1 963 993 / 699 473 / 456 780 / 4 152 726

10 / 683 654 / 1 539 695 / 2 732 832 / 317 650 / 5 273 830

11 / 1 006 667 / 350 000 / 1 300 000 / 850 000 / 3 506 667

12 / 3 312 000 / 0 / 2 741 580 / 51 667 / 6 105 247

13 / 652 897 / 882 672 / 1 092 826 / 0 / 2 628 395

14 / 195 636 / 845 636 / 1 955 650 / 61 138 / 3 058 058

15 / 1 704 077 / 1 375 635 / 1 828 346 / 0 / 4 908 057

16 / 1 585 500 / 0 / 1 613 879 / 129 630 / 3 329 008

Mittelwert / 1 166 709 / 768 742 / 2 274 245 / 461 552 / 4 671 248

Standard-Abweichung / 703 383 / 647 338 / 1 717 702 / 841 007 / 2 698 726

Alle Angaben in Euro / Quelle: Jochen K. Michels, Unternehmensberatung, Neuss