Projektplanung und Softwarequalität

Was die Unternehmen im Markt hält

27.08.1999
Selbstverständlich wollen Software-Anbieter vor allem eins: ihre Produkte verkaufen. Die erfolgreicheren unter ihnen haben dazu ihren Markt genau analysiert. Dennis Meadows, Vice-President des Projekt-Management-Spezialisten der ABT Corp., sprach mit CW-Redakteurin Karin Quack über die Beziehung zwischen Geschäft und IT-Vorhaben.

CW: Sie sprechen seit einiger Zeit von Results-Management statt Projekt-Management. Was bedeutet dieser Marketing-Begriff?

Meadows: Da muß ich ein bißchen weiter ausholen. Als wir 1981 in diesen Markt einstiegen, konzentrierte sich Projekt-Management hauptsächlich auf die Mitarbeiter - Ressourcen genannt. Sie waren jeweils einem einzigen Projekt zugeordnet. Aber die Welt wurde komplizierter: Ein und dieselbe Ressource mußte bisweilen an mehreren unterschiedlichen Projekten mitarbeiten, und irgend jemand - meist der Leiter der Anwendungsentwicklung - sollte den Überblick über alle laufenden Projekte haben. Zudem gab es Leute, die nur für einen Teil ihrer Arbeitszeit Mitglied einer Projektgruppe waren. Die Konseqenz daraus hieß Zeit-Management.

CW: Aber diesem Zweck dienten auch schon die ersten Projekt-Management-Werkzeuge.

Meadows: Ja, schon, doch sie erfaßten nur die Zeit, die ein Mitarbeiter für eines oder mehrere Projekte aufwendete. Um die Ressourcen vollständig abzubilden, war ein Repository nötig, das die Arbeitszeit aller in Frage kommenden Mitarbeiter enthielt. Und dann entdeckten die Unternehmen die geschäftsrelevante Bedeutung der Projekte. Sie erkannten, daß es von ihren Entwicklungsvorhaben abhing, ob sie im Geschäft blieben oder nicht. Damit war es für die Entscheidungsträger wichtig geworden, zu wissen, was in jedem einzelnen Projekt vor sich geht. Sie benötigten ein unternehmensweites Programm-Management.

CW: Was bedeutet der Begriff Programm in diesem Zusammenhang?

Meadows: Ein Programm ist eine Kombination unterschiedlicher Projekte, die ein bestimmtes Vorhaben unterstützen, beispielsweise die Anpassung aller Systeme an das Jahr 2000. Für die großen Unternehmen sind Programme sozusagen eine Art geworden, ihre Welt zu betrachten.

CW: Und wie definieren Sie ein unternehmensweites Programm-Management?

Meadows: Die Verantwortlichen treffen ihre Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was in den Projekten vor sich geht. Sie brauchen Antworten auf Fragen wie: Wann können wir ein neues Projekt starten? Wo gibt es Ressourcen dafür? Alle sind beschäftigt, aber was machen sie im Augenblick gerade? Wem kann ich sagen: Hören Sie damit auf, fangen Sie etwas anderes an? Die Fähigkeit, diese Fragen zu beantworten, beschreibt das, was wir Results-Management nennen.

CW: Was ist dazu nötig?

Meadows: Zunächst einmal eine Möglichkeit, Informationen sehr schnell an alle Beteiligten zu verteilen. Wir können nicht warten, bis einmal in der Woche ein Papierbericht herauskommt. Ein Intranet stellt die Plattform dafür zu Vefügung.

CW: Dann ist Results-Management also Programm-Management mit Hilfe des Intranet?

Meadows: Ja, so könnte man es ausdrücken. Aber es ist auch Ausdruck des neuen Stellenwerts, den die Projekte im Unternehmen haben. Nehmen Sie den wettbewerbsintensiven Telefonmarkt: All die neuen Tarife und Funktionen, mit denen die Unternehmen dieser Branche einander überbieten, haben ihren Ursprung in Projekten. Und dahinter steht eine unternehmensweite Strategie. Es ist die Unternehmensleitung, die diese Vorhaben in Gang setzt und vorantreibt.

CW: War das nicht immer so?

Meadows: Nein, in der Vergangenheit ging es um einzelne Anwender oder Abteilungen, die eine neue Anwendung wollten. Das ist zum Teil selbstverständlich immer noch der Fall. Aber heute entstehen Projekte immer öfter daraus, daß sich die Unternehmensleitung fragt: Was muß geschehen, damit wir uns im Markt halten? Diese Verbindung von Einzelprojekten zu Programmen, die wiederum in Beziehung zu den Geschäftsinitiativen stehen, existierte früher nicht.

CW: ABT propagiert schon seit Jahren die Idee eines Project Support Office beziehungsweise eines Program Office, also einer unternehmensinternen Institution, die projektübergreifende Standards setzt und die vorhandenen Ressourcen verwaltet. Inwieweit haben die Kunden diese Idee angenommen?

Meadows: Das Jahr-2000-Problem hat sie gezwungen, eine solche Einrichtung zu schaffen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben fast alle Unternehmen eine solche Stelle eingerichtet.

CW: Das gilt vermutlich nur für die USA. Wie sieht das in Deutschland aus?

Meadows: Hier ist der Anteil tatsächlich geringer. Wir schätzen ihn auf 50 Prozent. Hier gibt es noch Unternehmen, die 500 bis 800 Leute in Projekten haben, aber nicht über ein unternehmensweites Projekt-Management verfügen.

CW: Woran liegt es, daß sich diese Idee in deutschen Unternehmen noch nicht so recht durchsetzen konnte?

Meadows: Wir sagen den Verantwortlichen: Sie könnten 25 Prozent mehr Produktivität erzielen. Und sie antworten uns: Das ist nicht so wichtig, wir sind eine Kostenstelle.

CW: Erweist sich also die Kostenstellenstruktur als Hemmschuh?

Meadows: Nein, es ist in Ordnung, die Kosten bis auf einen Verursacher herunterzubrechen. Das geschieht beispielsweise auch in der US-amerikanischen Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie, wo sich das unternehmensweite Programm-Management zuerst durchgesetzt hat. Aber allen Kostenstellen zum Trotz gibt es doch unterschiedliche Projekte und die Notwendigkeit, einen Gesamtüberblick zu haben. Viele Unternehmen in Europa sind einfach noch weit entfernt davon, Projekte unter dem Business-Aspekt zu betrachten. Firmen mit internationalen Beziehungen verstehen sehr viel besser, worauf wir hinauswollen.

CW: Gibt es denn einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Unternehmen hüben und drüben? Beispielsweise den, daß hierzulande in den letzten Jahren so viele umfangreiche Vorhaben, etwa die Einführung einer SAP-Software, gelaufen sind und deshalb keine Notwendigkeit für eine Meta-Sicht auf unterschiedliche Projekte bestand?

Meadows: Ich glaube nicht, daß es einen solchen Unterschied gibt. Hier wie dort gibt es Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Abteilungen. Jemand mußte den horizontalen Überblick über all diese vertikalen Organisationen haben. Auch in einem auf drei Jahre ausgelegten SAP-Projekt weiß keineswegs jeder vom anderen, woran er gerade arbeitet. Da gibt es ebenfalls Unterprojekte, die jemand zusammenführen muß.

CW: Ihren Ausführungen zufolge entwickelt sich Projekt-Management zu einer Aufgabe, die immer höhere Schichten der Unternehmenshierarchie betrifft. Welche Fragen beantwortet ein Programm-Management für die Firmenleitung?

Meadows: Was das Senior-Management vor allem wissen will, ist: Wann kann ich eine Zusage machen, die sich auch einhalten läßt? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich daraus, welche Ressourcen wann zur Verfügung stehen. Und das wiederum hängt davon ab, wer gerade woran arbeitet und möglicherweise von einem Projekt zu einem anderen wechseln kann.

CW: So, wie Sie es beschrieben haben, geht es doch nicht um die Verwaltung von Ergebnissen, sondern um das Management von Ressourcen. Welche Berechtigung hat der Begriff Results-Management?

Meadows: Ja, der Schwerpunkt liegt beim Projekt- und Ressourcen-Management. Aber es geht darum, diese beiden mit Zeit-, Methoden- und Programm-Management - eigentlich mit beinah jeder Form von Management, die Ihnen einfällt - zu verbinden. Alle diese Formen kommen in jedem Unternehmen in unterschiedlicher Ausprägung vor, sie müssen jedoch zusammengebracht werden - mit der Zielsetzung, Business-Probleme zu lösen. Was daraus entsteht, sind Resultate.

CW: Damit haben Sie quasi die Blickrichtung verändert. Sie betrachten Projekte nicht mehr aus der Bottom-up-Perspektive des Projektverantwortlichen, sondern Top-down aus der Sicht der Geschäftsführung.

Meadows: Nein, nicht ausschließlich. Beide Arten, die Welt zu betrachten, haben ihre Berechtigung. Und wenn Sie eine außer acht lassen, führt das zu einer Diskrepanz innerhalb des Unternehmens. Das war übrigens in der Vergangenheit häufig der Fall, wenn der Boß einfach anordnete: Ich will das getan haben - egal, wie.

CW: Wie wirkt sich dieses neue Konzept in der Praxis aus?

Meadows: Zunächst einmal können die Verantwortlichen heute feststellen, was wirklich nötig ist, um eine Aufgabe zu erfüllen, also ein System zu entwickeln, eine Verbesserung darin einzubauen, es zu pflegen. Dazu müssen sie Meßwerte sammeln und Metriken erstellen, die sich analysieren lassen. Aus den historischen Daten entsteht eine Basis für künftige Projekte: Sie verrät den Beteiligten, wie lang ein bestimmtes Projekt dauern wird, weil sie weiß, wieviel Zeit für ähnliche Aufgaben in der Vergangenheit nötig war. Früher teilte ein Manager dem Projektleiter mit: Aus geschäftlichen Gründen muß dieses Vorhaben am 30. Juni beendet sein. Daraufhin drehte sich dieser um und dachte: Keine Ahnung, was der geraucht hat, bis dahin schaffen wir das nie. Heute haben die beiden die Möglichkeit, anhand konkreter Informationen zu diskutieren, unter welchen Bedingungen sich ein termingerechtes Projektende erreichen läßt. Kurz gesagt: Die beiden haben dieselbe Sicht der Welt.