Anwender erwarten niedrigere Kosten und mehr Funktionalität

Was die Exchange-2003-Migration bringt

10.09.2004

Die Ansprüche an den elektronischen Nachrichtenverkehr sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Ging es Ende der 90er Jahre noch vornehmlich darum, möglichst viele Mitarbeiter und Standorte in die E-Mail-Infrastruktur einzubinden, stehen mittlerweile Anforderungen wie hohe Verfügbarkeit, Sicherheit und die mobile Anbindung an Firmensysteme im Vordergrund. Wie sehr die Ansprüche gewachsen sind, zeigt sich am Beispiel Servicequalität: Begnügten sich in der Vergangenheit viele Firmen mit einer Verfügbarkeit von 94 Prozent, ist derzeit die vertragliche Zusicherung von mindestens 98 Prozent mittels Service-Level-Agreements üblich. Die permanente Aufrüstung der Kommunikations-Infrastruktur schlägt sich dabei spürbar in den IT-Budgets nieder, wie ein Beispiel aus der Beratungspraxis zeigt. So belaufen sich die Kosten bei einem weltweit tätigen Großkonzern für den Betrieb einer Mailbox mit 60 MB Speicherplatz pro Benutzer auf zirka sieben Euro pro Monat - dabei ist lediglich der Server-Betrieb ohne externe Aufwendungen wie etwa für Netzwerke berücksichtigt. Bei Unternehmen mit 100000 und mehr Mitarbeitern bewegen sich damit allein die Server-Kosten für E-Mail pro Jahr im zweistelligen Millionenbereich.

Einerseits ist E-Mail als Basisdienst heute unverzichtbar - und mit ihm die in Notes- und Exchange-Umgebungen üblichen PIM-Funktionen (PIM = Personal Information Manager) wie Terminkalender, Adressen und Aufgabenverwaltung. Andererseits suchen viele Unternehmen angesichts des wachsenden Kostendrucks auch hier intensiv nach Möglichkeiten, um ihre Ausgaben zu senken, ohne dabei jedoch Abstriche an der Anwendungsqualität hinnehmen zu müssen. Fest steht, dass auch bei Konsolidierungsprojekten weiterhin der Faktor Innovation eine wichtige Rolle spielt. Sowohl die IT wie auch die Benutzer sollen spürbare Verbesserungen in Sachen Funktionalität, Zuverlässigkeit und Sicherheit erfahren.

Mehr Benutzer pro Server

Um den Spagat Kostenreduzierung bei gleichzeitiger Funktionserweiterung zu bewältigen, sind strategische Weichen zu stellen. Die entscheidenden Voraussetzungen für einen Strategiewechsel im Messaging-Bereich liefert dabei zunächst einmal die Softwareindustrie. Ein Beispiel ist Microsofts Exchange Server 2003, der aufgrund einer Reihe neuer Funktionen viel Potenzial für Konsolidierungsprojekte bietet. Als besonders effektiv erweisen sich dabei Migrationen, die von der veralteten, aber nach wie vor sehr verbreiteten Exchange-Version 5.5 ausgehen. Im Rahmen solcher Projekte erhöht sich mit Exchange 2003 zum Beispiel allein die Zahl der Benutzer pro Server um ein Vielfaches. Lag das Limit bei großen Exchange-5.5-Servern bei etwa 1500 Mailboxen pro Maschine, so ist dieser Wert mit der neuen Variante in der Praxis auf etwa 7500 gestiegen.

Gleichzeitig reduzieren Verbesserungen beim Übertragungsprotokoll MAPI (Message Application Programming Interface) die Datenmenge, die zwischen den Outlook-2003- Clients und Exchange anfällt, im Schnitt um etwa 20 Prozent. Bei der Zusammenlegung von Servern in ein Rechenzentrum fällt somit die Steigerung der Netzlast moderater aus als unter dem Vorgängersystem.

Ein weiterer, für die Bündelung von Ressourcen wichtiger Aspekt ist der Windows-Verzeichnisdienst Active Directory: Seit Windows 2000 und Exchange 2000 ist es möglich, die Verwaltung von Benutzern auch über verteilte Standorte hinweg innerhalb dieses Dienstes zu zentralisieren und damit das komplexe und dezentrale Domänenkonzept von Windows NT 4.0 und Exchange 5.5 abzulösen. Von einer Vielzahl verteilter Abteilungs- und Standortadministratoren wandert dabei die Kompetenz an eine zentrale Stelle. Die gesamte Administration bietet granulare Möglichkeiten, um Management-Aufgaben in den verschiedenen Systembereichen und Lokalitäten hierarchisch von oben nach unten zu delegieren.

Maschinen und Sites deutlich abgespeckt

Unternehmen stehen im Rahmen einer Exchange-Migration eine Reihe von Konsolidierungsoptionen offen. So kann beispielsweise ein Konzern, in dem bisher 300 Exchange-5.5-Server über 50 Sites verteilt waren, davon ausgehen, die Zahl seiner Maschinen und Sites auf bis zu ein Zehntel zu reduzieren. Die in dieser Umgebung angenommenen jährlichen Betriebskosten von zwölf Millionen Euro lassen sich dabei auf etwa die Hälfte senken, die Kosten pro Mailbox liegen dann bei zirka 3,50 Euro bei gleichzeitig erhöhtem Speicherplatz. Interessant ist hier auch ein Blick auf die einzelnen Posten, aus denen sich die Gesamtkosten eines Exchange-5.5-Servers in einem realen Szenario zusammensetzen. Den größten Anteil nehmen die Administration mit durchschnittlich etwa 45 und das Server-Leasing mit 40 Prozent ein. Die restlichen 15 Prozent verteilen sich etwa gleichmäßig auf die Blöcke Trainingskosten, Server-Lizenzen und Aufwendungen für Management-Tools von Drittanbietern.

Auch wenn in den meisten Firmen die Reduktion der Kosten das ausschlaggebende Motiv für derartige Exchange-Projekte darstellt, steht an zweiter Stelle ganz klar der Wunsch nach erweiterten Messaging-Funktionen für die Endanwender sowie strukturellen Veränderungen, die die Basis für neuartige Lösungen bilden. Im Beispielprojekt bedeutet das zunächst, dass die Größe des Mailbox-Speichers pro Anwender von 60 auf 125 MB erhöht wird. Ferner bietet das Duo Exchange 2003/Outlook 2003 neue Funktionen, die zukünftig an Bedeutung gewinnen. Dazu zählt etwa der mobile Datenzugriff.

Features für mobile Mitarbeiter

So hilft die Offline-Datenbank von Outlook den Laptop- und Home-Office-Anwendern dank einer lokalen Datenhaltung, dass sie auch bei Netzunterbrechungen ohne Störungen weiterarbeiten können. Die Synchronisation mit Exchange erfolgt unbemerkt im Hintergrund. Auch der direkte Zugriff von beliebigen Standorten über einen externen Browser wird zunehmend wichtiger. Hierzu dient "Outlook Web Access" (OWA) - eine dem lokalen Outlook nachempfundene HTML-Oberfläche -, um jederzeit auf den firmeneigenen Exchange-Server und das persönliche Mail- und PIM-Konto zuzugreifen.

Ebenso gewinnen Kleingeräte wie Blackberry-E-Mail-Pager, PDA-Telefone und Smartphones als Exchange-Clients an Bedeutung. Zukünftig ist davon auszugehen, dass außerdem Telefonie und Unified Messaging auf der Grundlage eines Mail-Systems implementiert werden. Den Anwendern steht somit eine wachsende Vielfalt an Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung, ohne dass dabei vom Prinzip der einheitlichen, zentralen Datenhaltung abgewichen werden muss. Konsolidierung sollte somit auch als Chance begriffen werden, die Kommunikationsinfrastruktur für die künftigen Anwendungsszenarien vorzubereiten.

Neben den strategischen und politischen Problemen bei einer Exchange-Migration sind auch technische Hürden zu berücksichtigen. So ist das von Microsoft vorgesehene Verfahren einer schlagartigen Umstellung von Alt- auf Neusystem (Big Bang) in großen Projekten schlichtweg unrealistisch. Aus Gründen der Betriebssicherheit ist ein befristeter Parallelbetrieb von alten und neuen Exchange-Servern notwendig, um die Migration in mehreren kontrollierten, zeitlich versetzten Schritten zu schaffen.

Technische Hürden der Umstellung

Diese Defizite lassen sich nur mit Migrationswerkzeugen von Drittanbietern beheben. Aus einer schrittweisen Umstellung ergibt sich zudem ein weiterer kostenträchtiger Nebeneffekt: Da die neue Datenkompression via MAPI-Protokolloptimierung den kombinierten Einsatz von Exchange 2003 und Outlook 2003 voraussetzt, steht diese Funktion erst nach vollzogener Migration aller Server und Clients zur Verfügung. Für die Übergangsphase ist somit eine deutlich erhöhte Netzbelastung einzukalkulieren. Derartige technische Aspekte können den Migrationsverlauf beeinflussen und sollten daher auf jeden Fall in der frühen Planungsphase berücksichtigt werden. Angesichts des signifikanten Konsolidierungspotenzials von Exchange 2003 halten sich die Auswirkungen jedoch in engen Grenzen - unterm Strich profitieren Unternehmen durch niedrigere Ausgaben sowie mehr Funktionen im Messaging-Bereich. (ue)

Warum migrieren?

- Senkung der Betriebskosten,

- mehr Funktionalität,

- auslaufender Support für Exchange 5.5,

- Restrukturierung der E-Mail-Organisation sowie

- Aufbau eines Shared Service und Zusammenlegung mit anderen IT-Services.

Was bei der Server-Konsolidierung zu beachten ist

+ Zielszenario: Zunächst gilt es auf der Grundlage der bestehenden Infrastruktur ein Zielszenario zu definieren. Geht man für Großunternehmen mit Konzernstrukturen von einer realistischen Ausgangssituation mit 300 Exchange-5.5-Servern und 50 Providern aus, lässt sich zunächst einmal die Größenordnung der Zielumgebung skizzieren: Unter Berücksichtigung aller Konsolidierungspotenziale kann eine solche Server-Infrastruktur problemlos auf einen oder wenige Provider und Sites reduziert werden. Die Messaging-Dienste werden nach der vollzogenen Umstellung allen Standorten und Geschäftsbereichen auf der Basis eines globalen Shared Service bereitgestellt.

+ High-Level-Roadmap: Im Rahmen der Projektplanung setzt sich die High-Level-Roadmap aus den folgenden vier aufeinander aufsetzenden Stufen zusammen, die zu einer "IT-Shared-Services-Infrastruktur und -Organisation" führen:

- Gesamtverantwortlichkeit: Wer ist in der zukünftigen Organisation verantwortlich für den Shared Service?

- Standards: Wie sollen die einzelnen Leistungen der neuen E-Mail-Umgebung aussehen?

- Organisation: Wie wird die Organisation aufgebaut sein?

- Projekte: Welche Einzelprojekte sind für die Umsetzung des Migrationsvorhabens notwendig?

+ Projekte untergliedern:

-Schritt eins konzentriert sich zunächst auf die Zentralisierung. Hierbei sind einige wichtige Vorbedingungen und zu erwartende Hindernisse zu berücksichtigen. Zum einen muss es einen Konsens für eine Top-down-Entscheidung und einen Auftrag aus dem Management geben. Dann müssen ein Netzwerkkonzept sowie ein Preismodell für die Wide-Area-Network-(WAN-)Anbindung vorliegen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Aufwand, der im Rahmen der Auseinandersetzungen mit Widerständen im Unternehmen anfällt. Schließlich bringt eine derartige Migration einschneidende und für manche Beteiligte auch schmerzhafte Veränderungen mit sich. So droht den kleineren externen und internen Providern aufgrund der angepeilten Data-Center-Struktur schlicht der Verlust der Existenzgrundlage, Mitarbeiter werden eventuell überflüssig oder müssen den Standort wechseln.

-Der zweite große Schritt betrifft die endgültige Realisierung des Shared Service. Ein mögliches Hindernis ist hier, dass sich einzelne Gruppen im Unternehmen nicht einer gruppenübergreifenden IT-Lösung unterordnen wollen. Dabei ist es bei derartigen Konsolidierungen unvermeidlich, bisher individuelle Lösungen zu standardisieren. Hinzu kommen auch auf dieser Projektebene Widerstände von größeren Providern.

Abb: Kostenverteilung

Von den Gesamtkosten einer Exchange-5.5-Landschaft in Konzernen entfällt ein Großteil auf Administration und Server-Leasing. Quelle: Esprit Consulting