Was bringen die neuen WLANs?

31.05.2006
Von Thomas Jell 
Drahtlose Netze nach dem Standard 802.11n stoßen in neue Leistungsbereiche vor und sind mit erweiterter Sicherheit für den Einsatz in Unternehmensnetzen interessant.
Bereits im nächsten Jahr sollen die neuen WLANs gemäß IEEE-Standard 802.11n mit dem heute dominierenden 802.11g gleichziehen.
Bereits im nächsten Jahr sollen die neuen WLANs gemäß IEEE-Standard 802.11n mit dem heute dominierenden 802.11g gleichziehen.

Noch ist der endgültige Standard für drahtlose Netze der nächsten Generation, IEEE 802.11n, nicht verabschiedet. Doch schon jetzt steht fest, dass es sich dabei um einen großen Wurf handelt, der sicher die bereits beachtlichen Erfolge von 802.11g wiederholen und sogar übertreffen wird. Dazu trägt nicht nur die extrem gesteigerte Übertragungsgeschwindigkeit bei, die mit bis zu 600 Mbit/s mehr als die zehnfache Bandbreite aktueller drahtloser Netze bietet. So sorgt die in 802.11n verwendete Sicherheitstechnik WPA2 mit der Verschlüsselung nach dem AES-Standard für einen deutlich verbesserten Schutz der Daten vor Lauschern im Funkbereich und macht WLANs nach dem neuen Standard attraktiv für den Unternehmenseinsatz.

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Die WLAN-Standards

Wie die Standards für kabelgebundene Netze werden auch die für drahtlose LANs vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) festgelegt. Dort ist die Arbeitsgruppe 802.11 für WLANs zuständig. Sie hat unter anderem folgende Standards veröffentlicht, die aufeinander aufbauen und sich erweitern:

• 802.11: Die erste Variante des WLAN-Standards. Sie unterstützte Verbindungen mit maximal 2 Mbit/s.

• 802.11b: Überarbeitete Version des ersten Standards mit Übertragungsraten von bis zu 11 Mbit/s.

• 802.11b+: Hierbei handelt es sich nicht um einen echten Standard, sondern um eine Marketing-Bezeichnung, mit der Produkte gekennzeichnet wurden, die dank eines proprietären Verfahrens Transferraten von bis zu 22 Mbit/s ermöglichten.

• 802.11a: Obwohl in der alphabetischen Reihenfolge vor 802.11b angesiedelt, handelt es sich um einen wesentlich später entwickelten Standard, der statt des normalerweise verwendeten 2,4-Gigahertz-Bands im 5-Gigahertz-Bereich arbeitet und Übertragungsraten von bis zu 54 Mbit/s bietet.

• 802.11g: Die aktuell verbreitetste WLAN-Technik adaptierte die von 802.11a eingeführten Verfahren für den Einsatz im 2,4-Gigahertz-Band, wahrt aber dennoch die Kompatibilität zu 802.11b-Produkten und bietet eine maximale Bandbreite von 54 Mbit/s.

• Super-G: Genau wie 802.11b+ ist Super-G kein offizieller Standard, sondern eine durch die Hersteller entwickelte Erweiterung von 802.11g.

• 802.11n: Der momentan in Entwicklung befindliche Standard für WLANs der nächsten Generation soll mit Transferraten von bis zu 600 Mbit/s sogar dem verkabelten LAN Konkurrenz machen.

Die neue WLAN-Technik im Detail

Ermöglicht wird der im Vergleich zu früheren Erweiterungen des WLAN-Standards geradezu erstaunliche Performance-Schub durch den Einsatz mehrerer sich ergänzender Techniken. Da ist zunächst das bereits aus aktuellen 802.11g-Produkten bekannte Mimo-Verfahren (Multiple Input, Multiple Out). Es bezeichnet die Verwendung mehrerer Antennen zur optimalen Ausleuchtung des vom WLAN abgedeckten Bereichs. Mit 802.11n wird Mimo weiter verfeinert. So ist es in der Lage, statt lediglich einer bis zu vier der maximal acht erlaubten Antennen für parallele Sende- oder Empfangsvorgänge zu nutzen. Alleine dadurch lässt sich bereits eine viermal höhere Übertragungsrate erzielen. Zusätzlich wird durch das "Beam Forming" eine weitere Leistungssteigerung ermöglicht. Dabei ermitteln Sender und Empfänger vor dem eigentlichen Datentransfer die optimalen Funkparameter und verwenden anschließend eine entsprechend den dabei gefundenen Werten optimierte Modulation des Datenstroms. Schließlich sorgt eine Erweiterung des zum Datentransfer genutzten Frequenzbands von 20 auf 40 Megahertz für einen weiteren Performance-Schub.

Ein letzter Trick besteht darin, dass nach 802.11n arbeitende Geräte sowohl im bislang von der Mehrheit der drahtlosen Netze genutzten Frequenzband um 2,4 Gigahertz wie auch im aktuell nur von 802.11a-WLANs verwendeten Frequenzbereich zwischen 5 und 6 Gigahertz arbeitet. Gerade das letztgenannte Spektrum bietet mehr als ausreichend Raum für mehrere parallel betriebene Netze und ist zudem nicht von Störquellen besetzt, wie es im 2,4-Gigahertz-Band beispielsweise durch Mikrowellen-Geräte oder Dect-Telefone der Fall ist.

Mehr Nutzen für den Anwender

Trotz all dieser Neuerungen werden WLANs nach 802.11n kompatibel zu bereits vorhandenen Produkten gemäß den IEEE-Standards 802.11b und 802.11g sein. Dafür sorgen ausgeklügelte Mechanismen, die es einem Access Point erlauben, vorhandene Produkte älterer Bauart zu erkennen und in das drahtlose Netz zu integrieren. Der neue Standard bietet somit nicht nur erweiterte Features, sondern schützt auch bereits getätigte Investitionen in eine drahtlose Infrastruktur. Der Mischbetrieb alter und neuer Geräte wirkt sich dank der fortschrittlichen Technik nicht auf die erzielbaren Transferraten aus. Moderne 802.11n-Access-Points sind in der Lage, die einzelnen Netzteilnehmer gesondert und entsprechend ihren Fähigkeiten mit Daten zu versorgen. Das gewährleistet eine sanfte, schrittweise Migration älterer Netze.

Eine weitere, bislang von drahtlosen Netzen nicht berücksichtigte, von Administratoren und Anwendern aber immer stärker nachgefragte Fähigkeit ist die Unterstützung von Quality of Service (QoS). Sie ist nun ein fester Bestandteil der 802.11n-Spezifikation. Damit ist es dann auch im WLAN möglich, Datenströme zu priorisieren und beispielsweise zeitkritischen Anwendungen wie VoIP oder Multimedia-Streams die von diesen benötigte Bandbreite garantiert zur Verfügung zu stellen.

Für zusätzliche Sicherheit sorgt neben dem bereits erwähnten Verschlüsselungsverfahren WPA2 die Zugangsschutztechnik 802.1x. Diese ebenfalls im Standard verankerte Methode erlaubt es, den Zugang zum drahtlosen Netzwerk erst nach erfolgreicher Authentifizierung des Anwenders mit Hilfe eines zentralen Radius-Servers zu gewähren. Die so realisierbare Zugangskontrolle entspricht dem Verfahren, das auch hochwertige LAN-Switchs zum Schutz des lokalen Netzwerks verwenden, und lässt sich genauso zentral administrieren.

Kompatibilität

Dass sowohl die Versprechen hinsichtlich der Leistung wie auch bezüglich der Kompatibilität keine leeren Worte sind beweisen etwa die Produkte von Netgear. Als eines der ersten Unternehmen hat es einen WLAN-Router und WLAN-Adapter auf den Markt gebracht, die nach dem aktuellen Entwurf des 802.11n-Standards arbeiten und mit einer WiFi-Zertifizierung aufwarten, die eine Interoperabilität mit älteren Geräten bescheinigt.

Die aktuell viel diskutierte Kompatibilität der auf dem Standardentwurf basierenden Produkte mit der endgültigen Version des Standards ist eher eine akademische Frage. Schon die Änderungen zwischen den Versionen 0.4 und 1.0 des Entwurfs waren marginal. Ähnlich verhält es sich mit den in der letzten Abstimmungsrunde des IEEE eingereichten Modifikationen. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um kosmetische Korrekturen, nicht aber um gravierende Eingriffe in die grundlegende Arbeitsweise der Übertragungsverfahren. Daher stehen die Chancen gut, dass viele der bereits erhältlichen Draft-N-Geräte mittels Firmware-Upgrade mit dem endgültigen Standard kompatibel sein werden.

Ausblick auf 2007

Mit der Verabschiedung der endgültigen 802.11n-Spezifikation rechnen die Mitglieder des Standardisierungsgremiums nicht vor der ersten Jahreshälfte 2007. Bis dahin können die Anwender schon mit den jetzt erhältlichen Geräten erhebliche Produktivitätsgewinne erzielen. Dank nominaler Übertragungsraten von bis zu 300 Mbit/s bieten diese Geschwindigkeiten, die denen der drahtgebundenen Netze im Idealfall überlegen und im Normalfall ebenbürtig sind. Es besteht also kein Grund, eine geplante Erweiterung oder Neueinrichtung drahtloser Netze weiter hinauszuzögern. Der Zug für 802.11n ist bereits im Rollen und der Einstieg in die neue Technik risikolos möglich. (hi)