Was Analysten und Branchenbeobachter Apple raten

24.03.1995

Waehrend der Macworld Expo Anfang des Jahres 1995 in San Franzisko hatten Branchenexperten die Moeglichkeit, Apple-CEO Michael Spindler zu sagen, wo es ihrer Meinung nach mit der Apfel-Firma langgehen sollte.

Die Forderungen lassen sich auf vier wesentliche Positionen reduzieren: Apple sollte seine Haltung Entwicklern gegenueber deutlich veraendern. Zudem sollten die Kalifornier ihre Preise weiter senken. Wichtig ist nach Meinung der Insider ferner, dass sich Apple auf wenige Kerntechnologien und -kompetenzen konzentriert. Last, but not least, muesse Apple seinen Mac-OS- Nachfolger "Copland" baldmoeglichst auf den Markt bringen.

Mehrere Sprecher bei dem Privatissimum fuer Spindler monierten, Apple vernachlaessige Software-Entwickler und zeige sich wenig beweglich, Entwickler-Kits zur Verfuegung zu stellen. Folgerichtig uebertreffe die Menge der Windows- und anderer PC-Applikationen Mac-Anwendungen um Laengen. "1995 muss bei Apple der Entwicklersupport an erster Stelle stehen", meinte etwa Pieter Hartsook, Herausgeber des Newsletters "The Hartsook Letter".

"Geradezu fatal", kritisiert die bekannte US-Branchenkritikerin Amy Wohl, stelle sich das Verhaeltnis von Apple zu der Entwicklergemeinde dar. Ausserdem glaubt Wohl wie viele andere Experten auch, dass es Apple gut bekaeme, sich auf die Kompetenzen zu konzentrieren, in denen das Unternehmen bislang schon reuessierte. Wohl verpasst Spindler noch einen kleinen Seitenhieb, wenn sie meint, Apple habe "eine interessante Historie als das Unternehmen, das gemachte Versprechungen nicht einhaelt".

Ein weiterer Experte hieb in die gleiche Kerbe: Interessant sei nicht, was man ankuendige, sondern was man tatsaechlich an Entwickler ausliefere. Hier biete die Intel-PC-Welt erheblich mehr Auswahl bezueglich der Soft- und Hardware, die von Tausenden Drittanbietern offeriert werde. Ergo habe der Anwender auch mehr Moeglichkeiten fuer Preisvergleiche.

Ganz oben auf der Wunschliste der Experten stand die Forderung, das Copland-Betriebssystem so bald wie irgend moeglich auf den Markt zu bringen. Irgendwann werde Windows 95 auf alle Faelle ausgeliefert. Man koenne davon ausgehen, dass Microsofts naechstem Betriebssystem ein ebensolcher Erfolg beschieden sein werde wie Windows 3.x. Deswegen glaubt die Chefredakteurin des US-Magazins "Macuser", Maggie Canon, auch, spaetestens dann werde jeder fragen: "Und wo ist Apple?"

Dataquest-Analyst Kimball Brown fordert zudem, Copland muesse unbedingt auch auf mobilen Rechnern ausgeliefert werden. Unbedingt sollte Apple die IBM fuer die Power-Mac-Rechner gewinnen. Apples Zukunft, so Brown weiter, haenge davon ab, welche Lizenzierungsstrategie das Unternehmen verfolgen werde.

Michael Spindler erwiderte auf die Anregungen mit der Aussage, Apple habe schon vergangenes Jahr begonnen, den Entwicklersupport aufzumoebeln und etwa die Kosten fuer Entwicklungs-Tools zu senken. Ausserdem arbeite man gerade an einer Preisstrategie, die Apples Hardware noch interessanter machen werde.

Dass schliesslich Copland erst verspaetet auf den Markt kommen werde, liege, so Spindler, allein daran, dass man zusammen mit der IBM noch an einer gemeinsamen Referenzimplementation arbeite. Diese sei von existentieller Bedeutung fuer Apple.

Der eigentliche Grund fuer die Verzoegerung duerfte allerdings ein anderer sein: Apple wird in Copland einen sogenannten Hardware Abstraction Layer (HAL) zwischen Hardware und Betriebssystem einziehen. Der HAL eroeffnet die Moeglichkeit, Copland als "erstes echtes" OEM-Betriebssystem von Apple auf anderen Rechnerplattformen zu nutzen.