Warum sich Vertrauen letztlich auszahlt

03.12.2002
Von Bettina Wirth

Der Referent betont, dass er in seinen Vorträgen nur einen Weg anbieten kann, Entscheidungen stärker auf Vertrauen zu stützen, weiß aber, dass in vielen Unternehmen eine andere Kultur herrscht. Ein Teilnehmer schildert die klassische Sandwich-Situation: Er muss nach oben berichten, die Erkundigungen bei seinen Mitarbeitern werden ihm von diesen als Misstrauensvotum ausgelegt. Wer sich in einem solchen System von gegenseitigem Misstrauen aufreibt, dem rät Sprenger, sich daraus zu befreien. In die Stille des Konferenzraums flüstert er: „Warten Sie nicht zu lang.“

Sein eigener Lebenslauf dient dem Seminarleiter als beispielhafter Gegenentwurf zu einer Unternehmenskarriere. Nach Jahren als Vertriebler und Personaler zog er einen Schlussstrich, um sich als Personalentwickler und Management-Coach selbständig zu machen. Und was wird aus denen, die nicht selbständig sein wollen, aber dennoch nach Freiräumen suchen? Denen rät Sprenger, in ein mittelständisches Unternehmen zu gehen. Dort werde wenigstens noch gelacht, herrsche also ein menschliches Klima; und wenn die Firma nicht an der Börse notiert sei, könne das Management sogar autonom Entscheidungen fällen, ohne auf hysterische Aktionäre Rücksicht nehmen zu müssen.

Oftmals sei das Klima in den Unternehmen allerdings zu vergiftet, um ein vertrauensvolles Klima zu schaffen. „Die meisten sind so in ihrer Drogenszene drin“, sagt er später im Gespräch über seine Zuhörer, „dass die gar nicht merken, wie das System aus Kontrolle und Misstrauen sie festhält.“ Auf die Frage, wie er unermüdlich seine Thesen verbreiten kann, wenn er doch weiß, dass sie zum größten Teil ungehört verhallen, lächelt er: „Sie müssen sich Sisyphus als glücklichen Menschen vorstellen.“ Außerdem sei er zufrieden, wenn er wenigstens bei fünf Prozent seiner Leser und Seminarteilnehmer etwas bewirke.

Das richtige Augenmaß

Auch wenn die Mienen der meisten Manager verraten, dass eine Umsetzung der Sprengerschen Lehren in weiter Ferne liegt, begeistert hat er sie alle. Denn Seneca hin, Adorno her, Sprenger appelliert mit allem, was er fordert, an den gesunden Menschenverstand. Egal, ob wir es Instinkt oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel nennen: Immer dort, wo Menschen miteinander umgehen, zu Hause, im Unternehmen oder in der internationalen Politik, verbessert das richtige Augenmaß die Zusammenarbeit. Keine Überregulierung, aber auch nicht zuwenig Kontrolle. Das versteht jeder. Am Ende des Seminartages glaubt selbst der Kontroll-Junkie, dass Sprenger ihm Augen und Ohren für ein gesundes Miteinander geöffnet hat, und bedankt sich artig per Handschlag beim Guru.

Weniger Kontrolle