Warum sich IBM schwertut

15.04.1994

Dieter Eckbauer

Unter amerikanischen DV-Fachjournalisten macht ein Witz die Runde, in dem zwei Typen wetteifern, wer denn wohl der ungluecklichere von beiden sei. Die Pointe liegt im Eingestaendnis des "Siegers": "Ich habe IBM-Aktien gekauft, als der Kurs bei 140 Dollar stand." Schlimm genug, aber wenn unser Mann heute seine IBM-Anteile verkaufen wuerde, so wuesste er wenigstens, um wieviel er sich verspekuliert hat. Was aber, wenn er ueberdies Anwender eines wassergekuehlten IBM-Mainframes der 390-Reihe ist? Dann kommt es darauf an, wie er die Vorstellung neuer IBM-Grossrechner beurteilt (Seiten 1 und 23) - weniger eine Adam-Riese-Aufgabe als Vertrauenssache. Das erspart uns die Bewertung unter technischen Aspekten.

Politischen Zuendstoff enthaelt das Announcement allemal. Der deutsche IBM-Chef Edmund Hug spricht von der wichtigsten Ankuendigung seines Hauses seit 30 Jahren, als das System /360 auf den Markt gebracht wurde. Die wievielte denn noch? Hatte sich Big Blue nicht bei jeder vorangegangenen Mainframe-Premiere wichtig getan? Um eine klare Aussage darueber, wie es bei den 390- Mainframes weitergehen soll, drueckte sich Hug herum. Alle Anzeichen sprechen dafuer, dass es sich bei dem jetzt angekuendigten Zehn-Wege-Modell um einen Endlife-Kicker handelt und die traditionsreichen 390-Grossrechner nach dem Ausverkauf an Altkunden aus der Produktion genommen werden.

Eine Katastrophe bedeutet das fuer die Anwender nicht. Die IBM fuehrt auch bei ihren Grossrechnern Zug um Zug die Mikroprozessortechnik ein. Mit CMOS sind drastische Verbesserungen des Preis-Leistungs-Verhaeltnisses moeglich. Die Hardware stellt ohnehin nicht das Problem dar. "Mainframe" ist keine Technologie, sondern eine Ideologie, die dem Top-down-Prinzip huldigt, wie es Dietmar Lamparter in dem Hamburger Wochenblatt "Die Zeit" so treffend beschreibt: "Schliesslich seien praktisch alle Statussymbole - vom Titel ueber den Dienstwagen bis zur Bueroeinrichtung - auf das vertikale System ausgerichtet, Verguetungssysteme und Karriereplaene bis hin zum EDV-System auf die klassische hierarchische Pyramide ausgelegt" (siehe auch Pressespiegel, Seite 8).

Das erklaert, warum sich Hug mit seinen Parolen vom Einstieg in den Ausstieg schwertut. Von dem Kulturschock, den die PCs ausgeloest haben und der zu dem neuen DV-Paradigma Client-Server gefuehrt hat, sind die IBM und ihre Kunden gemeinsam betroffen. Was fuer Mainframe-Spezialisten PC-Wildwuchs ist, entspricht der Mentalitaet einer neuen Benutzergeneration, die fuer die Altlastenprobleme der Master-Slave-DV kein Verstaendnis aufbringt.

Mit der Einfuehrung modifizierter Mainframes versucht die IBM erneut, ihr Richtungsproblem nach altem Muster zu loesen. Man mag ihr das zutrauen oder nicht, wichtiger sind die notwendigen Veraenderungen auf der Anwenderseite, Konsequenzen, die eine Diebold-Studie andeutet, wenn sie verkrustete Strukturen bei den deutschen Banken feststellt (Seite 2) - gewiss keine Einzelfaelle. Abhaengigkeit darf fuer die DV-Verantwortlichen kein Tabuthema mehr sein.