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Warum Microsoft neben R/3 eine Reporting-Lösung brauchte

22.09.2000
Niederlassungen in 130 Ländern, 30 000 Mitarbeiter weltweit und eine heterogene Systemarchitektur - mit diesen Voraussetzungen machte sich der Softwaregigant Microsoft daran, ein unternehmensweites Kostenstellen-, Projekt- und Anlagen-Reporting via Internet und Mail aufzubauen. Wie Alexander Praun* berichtet, ließen sich die Anforderungen mit Standard-SAP-Reports nicht erfüllen.

Seit August 1999 setzt Microsoft die betriebswirtschaftliche Standardsoftware SAP R/3, Version 4.5b, ein. Das Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)System liefert Softwareunterstützung für Verkauf und Vertrieb, Materialwirtschaft, Finanzbuchhaltung, Anlagevermögen, Controlling und Personalwesen.

Vor der SAP-Einführung fungierten das Reporting der betriebswirtschaftlichen Abläufe und die Umsatzberichte als voneinander getrennte Bereiche. Die Vorgänge waren wenig automatisiert, deshalb fehleranfällig und arbeitsintensiv - und vielen Prozessen fehlte die durch konsistente IT-Unterstützung erzielbare Stabilität. "Für einen Monatsabschluss brauchten wir damals bis zu fünf Tage", berichtet Uwe Priesett, Senior Group Product Manager Europe, Middle East and Africa, der seinen Schreibtisch in München hat. "Sie können sich vorstellen, wie schwerfällig unsere Systeme und deren Datenabstimmung waren und wie viel Geld das verschlungen hat."

Das änderte sich 1997 mit dem Einsatz von R/3 und der Entwicklung des "digitalen Nervensystems", das Business und Technik miteinander verbinden sollte und als Basis für ein verbessertes Reporting-System vorgesehen war. Die Ziele hießen: Datenverfügbarkeit in Echtzeit, einheitliche Reports für Marketing und Finanzen, Synchronisation der Reporting-Tools, weltweite Verfügbarkeit per Web und Mail.

Für das Reporting in der R/3-Welt standen die SAP-Programmiersprache "Abap" und diverse Standardreports zur Verfügung. Allerdings war es schwierig, damit die Details einzelner Transaktionen auszuwerten: Die Technik war lediglich auf den Offline-Betrieb ausgerichtet, nicht sehr stabil und schwierig in der Anwendung.

Zudem schloss die SAP-Welt keineswegs alle Unternehmensbereiche ein: Produktplanung, Qualitäts-Management, der Office- und Kommunikationsbereich, die Industrielösungen und die temporären Projektsysteme sind derzeit nicht in die SAP-Lösung eingebunden und sollen es auch auf mittlere Sicht nicht werden.

Deshalb arbeitete Microsoft zusätzlich mit Reports aus dem Data Warehouse "Mars", das ein- bis zweimal täglich mit Daten aus der R/3-Datenbank in Redmond und durch direkte Dateneingaben zum Monatsende auf den neuesten Stand gebracht wird. Die Mitarbeiter konnten vorformatierte Excel-Reports für Summendaten abrufen oder mit Olap-Excel-Reports (Olap = Online Analytical Processing) arbeiten.

Aber die Analyse der verschiedenen Reports gestaltet sich schwierig: Zu uneinheitlich waren die Formate, Bezüge ließen sich schwer herstellen, Transaktionsdetails fehlten. Die Finanzmitarbeiter waren grundsätzlich gezwungen, die Daten für ihre Organisation aufzuarbeiten und zur Verfügung zu stellen. Als Grundlage für unternehmensrelevante Entscheidungen eigneten sich diese Berichte nur bedingt.

Deshalb startete im Januar 1999 das Projekt "Calypso", an dem ursprünglich 300 Mitarbeiter weltweit beteiligt waren. Es zielte darauf, Topdown-Reporting und Business-Analysen bis auf die Ebene einzelner Transaktionen zu ermöglichen, einfache Ad-hoc-Analysen für Administrations- und Marketing-Manager mit Hilfe vorgefertigter Reports zu erstellen, den Profianalytikern ein Olap-Werkzeug mit "Slice and Dice" (Informationsanordnung in Würfelstruktur) an die Hand zu geben und die Reportentwicklung von der Notwendigkeit spezieller Anwenderschulungen zu befreien.

Auf der Suche nach einem System, das diese Probleme lösen konnte, landete Microsoft beim Integrationsspezialisten Information Builders. Im Sommer vergangenen Jahres wurde das Vorhaben in Angriff genommen, mittlerweile ist das Projekt abgeschlossen. "Wir wollten endlich ein Reporting-System einsetzen, das unseren Mitarbeitern, wo immer sie auch sind, einheitliche Informationen in jedem Format zur Verfügung stellt - egal ob es sich um einen HTML- oder Excel-Report handelt und aus welcher Quelle die Informationen stammen", erläutert Priesett. Niemand sollte sich dafür durch eine unübersichtliche Funktionsauswahl oder einen gewaltigen Menübaum kämpfen.

Calypso basiert auf den von Information Builders stammenden Analysewerkzeugen "Focus Desktop" (für lokale Auswertungen) und "Webfocus" (für Abfagen über das Internet), wobei Letzteres eine Middleware für den Enterprise Data Access (EDA) einschließt. Aus den SAP-Produktionssystemen werden die konsolidierten Daten in das Mars-Warehouse übernommen. Auf dieser Grundlage generieren die Reporting-Werkzeuge Standardberichte.

Will der Anwender auf die Detailebene, so kommen speziell für SAP entwickelte EDA-Daten-Adapter ins Spiel: Die Microsoft-Mitarbeiter können durch die Mars-Daten hindurch direkt auf einzelne Datensätze der SAP-Systeme zugreifen. Für Priesett ist dies "eine der wichtigsten Funktionen der Lösung". Der "Native"-Zugriff über dedizierte Schnittstellen sei wesentlich effizienter als das Konzept der generischen Adapter (beispielsweise Open Database Connectivity = ODBC), das Flaschenhälse für den Systemdurchsatz produziere.

Mit der neuen Reportarchitektur können die Microsoft-Mitarbeiter Berichte entweder auf dem Desktop oder über das Web abrufen. Im zweiten Fall übernimmt der Webfocus-Server die Formatierung der Reports, die Verwaltung der Anfragen und das zeitgesteuerte automatische Versenden. Über das Microsoft-eigene "Fineweb"-Portal lassen sich Reports von Web- oder Excel-Clients aus aller Welt abrufen.

Mit Calyso erfordert das Entwickeln parametrisierter Berichte keine Kenntnisse der SAP-Programmiersprache Abap oder der R/3 Standardreports mehr. "Unsere Mitarbeiter sind nun in der Lage, Reports nach ihren Anforderungen selbst zu entwerfen, ohne vorher auf verschiedenen Systemen intensiv geschult zu werden", freut sich Priesett. Zudem seien alle Systeme und Datenbanken in ein umfassendes Reporting- und Analysesystem eingebunden. "Wir können selbst entwickelte Reports aus den Tiefen unseres ERP in Excel auswerten und mit Zahlen aus anderen Bereichen kombinieren."

*Alexander Praun arbeitet als Journalist in Stuttgart.

SERVER EN MASSEMicrosofts Systemarchitektur basiert auf einem SQL-7.0 /Win dows-2000-(RC2-)Datenbank-Server, verbunden mit 16 Windows-2000-(RC2-)Applikations-Servern. Diese Server-Ebene ist wiederum mit 130 Niederlassungen weltweit vernetzt. Die Produktions-, Test- und Entwicklungsumgebung für R/3 umfasst insgesamt 68 Applikations-Server.