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3D-Kartendienst

Warum Google Street View in Deutschland so umstritten ist

11.08.2010

Selbst zum schlechten Ruf beigetragen

Zum schlechten Ruf hat Google indes auch selbst beigetragen. Zum einen mit seinem Hauruck-Verfahren: Wer nicht will, dass sein Haus im Netz zu sehen ist, muss selbst Einspruch einlegen. Lange sollte das nur über ein Online-Formular möglich sein. Viele Internet-abstinente Bürger waren verunsichert.

Zudem stattete der Internet-Riese seine Street-View-Autos nicht nur mit auffälligen Kamera-Konstruktionen für die Rundum-Bilder aus, sondern auch mit weitaus unauffälligeren Scannern für WLAN-Netzwerke. Sie erfassten unter anderem, wo welche Funkstationen stehen. Solche Netzdaten ermöglichen es, mit Handys oder Navis die Position zu bestimmen, auch ohne GPS-Empfänger. Auch andere erheben diese Informationen, etwa der US-Anbieter Skyhook Wireless oder das deutsche Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen (IIS). Doch die anderen heißen eben auch nicht Google.

Als bekannt wurde, dass das Unternehmen die Funklandschaft vermisst, ließ die Kritik von Politikern und Datenschützern nicht auf sich warten. Mit der demnächst verfügbaren Straßenansicht hat das zwar nichts zu tun, außer dass die Street-View-Autos die Daten gesammelt haben. Dem Ruf des Dienstes schadete es dennoch.

Noch lauter wurde die Kritik, als das Unternehmen kleinlaut zugab, dass es nicht nur die Standorte der Funkstationen, sondern auch persönliche Daten von Nutzern gesammelt hatte. Das ist möglicherweise sogar strafbar. "Das war ein Fehler, den wir zutiefst bedauern und für den wir um Entschuldigung bitten", sagte ein Google-Sprecher. Der Internet-Riese stellte daraufhin weltweit alle Fahrten mit dem Kamera-Autos ein. Erst seit Juli sind sie wieder unterwegs, jedoch nicht in Deutschland.

Was einige Menschen Google zutrauen, machte eine Satiresendung mehr als deutlich: Reporter der "heute-show" im ZDF gaben sich als Mitarbeiter des Unternehmens aus, die für den angeblichen neuen Dienst "Home View" die Schlafzimmer der Deutschen fotografieren wollten. Jeder Dritte habe die Macher hereingelassen, resümierte Chef-Satiriker Martin Sonneborn kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung". "Offenbar hat Google eine Atmosphäre geschaffen, in der so eine Aktion, so ein Film möglich ist."

Darf Google einfach Street-View-Fotos machen?

Darf Google für seine Straßenansicht Street View Fotos machen, ohne Bewohner und Passanten um Erlaubnis zu fragen? Ein Gesetz, das diesen Fall genau regelt, gibt es nicht. Aber Juristen gehen davon aus, dass das Vorgehen zulässig ist, solange Google einige Regeln einhält.

Google macht mit seinen Kameraautos zunächst nichts anderes als Hobbyknipser oder der Fotograf von der Lokalzeitung: Das Unternehmen lichtet Orte ab, die öffentlich einsehbar sind. Das sei kein Problem, solange Personen nur "Beiwerk" im Sinne des Kunsturhebergesetzes seien, sagt der Anwalt Carsten Ulbricht in Stuttgart. "In diesem Rahmen dürfen auch Passanten auf Fotos zu sehen sein, solange sie nicht Hauptbestandteil des Bildes sind."

Eine Einwilligung ist auch für die Veröffentlichung nicht nötig. Bilder von einem Volksfest oder der überfüllten Fußgängerzone in der Adventszeit sind in Zeitungen gang und gäbe. Da Google auch noch die Gesichter unkenntlich macht, sieht Jurist Ulbricht erst recht keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Ähnliches gilt grundsätzlich auch für Fotos von Straßen und Häusern. "Gegen die Abbildung von Gebäuden, Grundstücken und Kfz sowie von anderen Gegenständen im Rahmen des Straßenpanoramas bestehen datenschutzrechtlich keine durchgreifenden Bedenken", schrieb der heutige Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar vor seiner Berufung 2009 in einem Gutachten. Die Aufnahmen enthielten "allgemein zugängliche Daten für jedermann".

Datenschutzrechtliche Bedenken sieht Caspar durch Zusagen von Google ausgeräumt, die in einem 13-Punkte-Katalog zusammengefasst sind. Das Papier sieht unter anderem vor, dass Bürger gegen die Bilder Widerspruch einlegen können.

Einiges bleibt aber weiterhin in einer juristischen Grauzone. Besonders umstritten: Die Kameras sind auf 2,50 Meter Höhe montiert und können somit auch über Zäune fotografieren - ist das nicht ein juristischer Sonderfall? "Besondere Brisanz liegt auch darin, dass Google alles fotografiert - und zwar sehr detalliert", sagt Datenschützer Caspar. Etliche Juristen halten es daher für sinnvoll, dass neu auftretende Fragen gesetzlich geregelt werden.

Doch längst nicht alle Deutschen lehnen den Dienst ab. Nach Angaben von Google greifen viele auf die Straßenansichten im Ausland zu, etwa um den nächsten Urlaub zu planen. Und die altehrwürdige Universitätsstadt Heidelberg gab sich Ende 2008 sogar pikiert, dass sie zunächst nicht dabei sein sollte. Für die Wahrnehmung im Ausland sei es schließlich wichtig, präsent zu sein. (dpa/tc)