Kolumne

"Warum Fröschl als Siemens-CIO scheiterte"

07.05.2004
Christoph Witte Chefredakteur CW

Wie schnell einer weg sein kann vom Fenster, erkennen wir dieser Tage wieder am Beispiel von Friedrich Fröschl, dem bislang obersten CIO und Prozess-Chef von Siemens. Er hatte viel vor, erstellte einen Masterplan für die IT des weltweit tätigen Elektronikkonzerns, wollte bis Ende nächsten Geschäftsjahres 800 Millionen Euro sparen (siehe CW 18/04, Seite 10), die Zahl der unterschiedlichen SAP-Systeme um mehr als die Hälfte reduzieren und die meisten Rechenzentren langfristig in weltweit wenige, dafür aber riesige IT-Produktionsstätten konsolidieren. Super-ehrgeizig dieses Ziel. Und wer Fröschl kennt, weiß, dass seine Strategien immer auf den maximal erreichbaren Nutzen zielen. Doch ebenso regelmäßig, wie Fröschl hochfliegende und richtige Pläne schmiedet, verpatzt er ihre Realisierung.

Schon zu seiner Zeit als Chef von Siemens Business Services (SBS) ließ sich dieses Phänomen beobachten. Damals verkündete er publikumswirksam, die Umwandlung von SBS in einen führenden Dienstleister im Bereich M-Commerce anzustreben. Solche Services biete noch niemand an, und außerdem ließen sich in diesem Marktsegment die größten Synergien schaffen zwischen den Handy- und Netzsparten von Siemens. Als er 2001 den Chefsessel an Paul Stodden übergeben musste, war von diesen großen Plänen schon keine Rede mehr. Stodden stellte SBS wieder klassisch auf und brachte den IT-Servicekonzern in die schwarzen Zahlen.

Fröschls Initiative war vor allem aus zwei Gründen gescheitert: Das Geschäft mit M-Commerce hob nicht schon 1998 ab, als er die SBS-Strategie verkündete, sondern erst heute beginnen Unternehmen langsam, mit mobilen Anwendungen Geld zu verdienen. Zweitens hatte sich der Stratege zwar vom Siemens-Vorstand die Strategie absegnen lassen, aber offenbar die wichtigen Bereichsleiter der ihn betreffenden Geschäftsfelder nicht zur engagierten Mitarbeit bewegen können.

Dieser Mangel an Kommunikationsfähigkeit war offenbar auch der Grund für seine Demission als IT- und Prozess-Chef. Auch dieses Mal hat er die Rechnung offenbar ohne die mächtigen Bereichsfürsten gemacht. Statt ihre Kooperation zu suchen, versuchte Fröschl, einen zentralistischen Top-down-Ansatz durchzudrücken, den er nur mit massiver Unterstützung des Zentralvorstands hätte realisieren können. Da die offenbar fehlte, ließen sich die für Profit und Loss verantwortlichen Bereichsleiter nicht vorschreiben, wie sie ihr Business mit IT abstützen. Fröschls richtiger Plan war damit trotz der unbestreitbaren Teilerfolge durchgefallen.

Das Scheitern des Siemens-Strategen taugt als Lehrstück für CIOs und IT-Manager: Strebe immer nur nach dem Erreichbaren und mache keine Alleingänge. Wer sich nicht an diese Maxime hält, muss schon selbst Vorstandsvorsitzender sein, um seine IT-Strategien durchzubringen. Übrigens schreibt auch Gartner seiner Klientel ins Handbuch, dass diplomatisches Geschick eine der wichtigsten Anforderungen an CIOs ist.