Isoliert, belästigt, ohne Unterstützung

Warum Frauen die IT verlassen

02.10.2008
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Die wenigen Frauen, die in der IT arbeiten, kehren der Branche mit Mitte 30 den Rücken. Schwierige Work-Life-Balance und frauenfeindliches Klima gehören zu den Gründen.

Marktforscher schätzen, dass nur zehn bis 15 Prozent der IT-Arbeitskräfte weltweit weiblich sind. Frauen sind also Mangelware. Und die Frauen, die sich für eine Karriere in der IT entschieden, bleiben meistens nicht bei der Stange. Spätestens, wenn die Familienplanung ins Spiel kommt, können sie das oft weit über 40 Stunden liegende Arbeitspensum in der IT nicht mehr stemmen. So entscheiden sich viele Frauen mit Mitte/Ende 30 für eine Teilzeittätigkeit oder verlassen das Unternehmen. Nur mit der Teilzeittätigkeit sind einem beruflichen Weiterkommen und Aufstieg im Unternehmen oft automatisch Grenzen gesetzt.

Sylvia Ann Hewlett, Mitautorin der Studie "The Athena Factor": "63 Prozent der Frauen in Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht."
Sylvia Ann Hewlett, Mitautorin der Studie "The Athena Factor": "63 Prozent der Frauen in Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht."

Das ist ein weltweites Phänomen. Die US-Studie von Silvia Ann Hewlett, Gründerin des Center for Work-Life Policy in New York, Carolyn Buck Luce und Lisa J. Servon kam zu dem Ergebnis, dass zwar 41 Prozent der 25- bis 30-Jährigen, die im Bereich Wissenschaft und Technik arbeiten, weiblich sind, dass aber 52 Prozent der Frauen im Alter von 35 bis 40 das Unternehmen verlassen oder sogar komplett aus der Branche abwandern. Das liege aber nicht nur an der Unvereinbarkeit von Job und Familie, sondern auch an dem frauenfeindlichen Klima im Bereich Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technologie. "Wir fanden heraus, dass 63 Prozent der Frauen in diesen Branchen Erfahrungen mit sexueller Belästigung hatten", so Hewlett gegenüber der CW-Schwesterpublikation COMPUTERWORLD. Das sei kein reines US-Phänomen, sondern weltweit vertreten, wie die Studie ergab.

Mentoren fehlen

Die Studie "The Athena Factor" untersuchte die Arbeitsbedingungen für Frauen in Wissenschaft und Technologie.
Die Studie "The Athena Factor" untersuchte die Arbeitsbedingungen für Frauen in Wissenschaft und Technologie.

Zudem fühlten sich viele Frauen in den von Männern dominierten Sektoren isoliert. Sie hätten zudem keine Vorbilder, keine Mentoren, die ihnen bei ihrer Karriere unterstützen würden. Ferner werde in diesen Branchen risikoaffines Verhalten belohnt, während Frauen eher risikoadvers veranlagt seien. Die Studie fand zudem heraus, dass nur 60 Prozent der Frauen die wegen der Familienplanung ein bis zwei Jahre aussetzen, wieder in ihren alten Beruf zurückkehren würden. 40 Prozent verlassen die Branche endgültig.

Was CIOs tun können

Was kann beispielsweise die um Fachkräfte bemühte IT-Branche tun, um ein Abwandern der weiblichen Mitarbeiter zu verhindern? Was rät Hewlett Führungskräften wie CIOs? Die Autorin der Studie empfiehlt Mentoren für die jungen Frauen: "Das ist das Allheilmittel, denn es verhindert Isolation und erlaubt es den Frauen, ihre Karriere zu planen. Zudem schützt es sie vor dem schlimmsten Ausprägungen von Machoverhalten." Wenn ein Unternehmen nur wenige erfahrene Frauen als Mentoren zur Verfügung hat, solle man ruhig männliche Mentoren wählen, so Hewlett weiter. Ferner sollten CIOs Technologien nutzen wie Telepräsenz-Tools. In den USA stellt Netzwerkriese Cisco beispielsweise virtuelle Treffen zwischen Mentoren in San Jose und jungen Mitarbeiterinnen in Indien zur Verfügung.