Warum fahren Sie nicht nach Hannover?

22.04.1977

"Es gibt kein Datenverarbeitungsproblem, das nicht im Haus zu lösen wäre"; "Das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand nicht"; "Die Groß-EDV-Anbieter sind heutzutage dort fehl am Platze". Dies eine Auswahl aus den Antworten von einigen Anwendern, die dieses Jahr nicht nach Hannover fahren. Trotz wieder zunehmendem Hannover-Optimismus bei den EDV-Herstellern bröckelt der Glanz alter Tage (als es schlichtweg ein Muß war, dabei zu sein) offensichtlich langsam ab. Denn: "....hinfahren sollte man nur, um aus den Wust der Peripherie-Angebote die richtige und preisgünstige Alternative herauszufinden" (Anwenderzitat). Für viele bedeutet das: Mit Scheuklappen durch die CeBIT-Halle laufen.

Ein zweiter Aspekt: Soll die Hannover Messe nicht mehr die Show für EDV-Profis sein, sondern den "Kleinen" gewidmet werden? Schreiben doch die "Messe-Nachrichten-Hannover" über das CeBIT-Präsentations-Konzept '77: "Dabei sollen bevorzugt... Rationalisierungsreserven erschlossen werden, die im Bereich mittlerer und kleinerer Büros noch reichlich vorhanden sind". Insider - so konnten wir bei unserer Blitz-Umfrage heraushören - reservieren deshalb ihre Reisebudgets für eine kleinere Computer-Fachmesse in München. . . hö

Liselotte Marsen, Leiterin der EDV-Entwicklungsarbeit, Datenzentrale Schleswig-Holstein, Kiel

In meiner Funktion als "Entwickler" von Anwendungen für unser Haus fahre ich

höchst ungern zur Hannover Messe. Ich bin hier zuständig für bestimmte zu realisierende Projekte und nicht für allgemeine Methoden und Technologien und finde, daß meine Interessen auf der Messe nicht vertreten sind. Was ich suche, sind Gesprächspartner, die mir helfen können, bestimmte Problemlösungen zu finden. Die Hannover Messe ist für diesen Erfahrungsaustausch nicht geeignet. Obwohl es in letzter Zeit oft heißt, daß sich die Hannover Messe jetzt auch anwendungsbezogener präsentieren soll und nicht nur unbedingt darauf aus ist, neue Produkte zu zeigen, werde ich es nicht riskieren, dort hinzufahren, denn meine Arbeit am Schreibtisch ist wichtiger. Bleibt zu sagen: "Die Botschaft höre ich wohl doch allein mir fehlt der Glaube."

Manfred Kölzer, Leiter der EDV, Bastei-Verlag, Bergisch-Gladbach

Ein Grund, nicht hinzufahren, ist vor allem die Anstrengung: Denn wir müssen alle Besuche an einem Tag erledigen - bei diesem Rummel kann man ja kurzfristig keine Übernachtungsmöglichkeit mehr bekommen und über Jahre hinaus ein Zimmer fest zu buchen und ein Muß aus der Hannover Messe zu machen, halte ich für unnötig. Zudem ist es sinnlos, nach Hannover zu fahren, wenn man nicht ganz konkrete Aufgabenstellungen lösen will. Ich selbst lasse Hannover zum drittenmal aus und habe keinen Schaden daran genommen. Bei echten Hardware-Problemen findet man meist keine Lösung - interessant aber sind zum Beispiel die vielen Terminal-Hersteller, die dort konzentriert vertreten sind. Hier kann man gut vergleichen und vor allem die Systeme in Aktion sehen.

Richtige, überzeugende Verkaufsgespräche bei Groß-EDV- oder Software-Anbietern kommen meines Erachtens nicht zustande. Interessant kann die Messe auch noch sein für EDV-Neulinge, die sich für MDT-Systeme interessieren - nicht aber für "Erwachsene".

Mich interessieren bei einem Hannover Messe-Besuch vor allem die echten Demonstrationen - und auf die sollte die Fachpresse v o r h e r ausreichend hinweisen, damit so sinnvoll entschieden werden kann, ob und wann ein Besuch wirklich rentabel für das Unternehmen ist.

Dipl.-Ing. Wilhelm Breuß, Leiter der EDV-Abteilung, Österreichische Donaukraftwerke AG, Wien

Wir sind diesmal nicht auf der Hannover Messe. Die üblichen Informationen lese ich in der Fachpresse. Meiner Meinung nach ist ein Besuch der Messe nur dann erforderlich und auch sinnvoll, wenn man ganz bestimmte Dinge sucht - letztes Jahr zum Beispiel haben wir uns dort nach einem Plotter-System umgesehen. Trotzdem war für unsere Belange die Münchner Systems noch besser geeignet, denn hier gab es auch Seminare für EDV-Anwendungen im Baubereich Auch muß man nicht immer zur Hannover Messe fahren, um ein anstehendes Problem lösen zu können. Geht es ganz generell um Hardware, die von Mainframern angeboten wird, ist man auf der Hannover Messe fast fehl am Platze.

In so einem Fall ist es doch günstiger und bequemer, sich die Vertriebsbeauftragten dieser Firmen ins Haus zu holen, Anforderungskataloge zu erstellen und sich dann an Ort und Stelle zu entscheiden. Für alle Peripheriegeräte aber bietet die Hannover Messe sicherlich große Entscheidungshilfen, denn so gute Vergleichsmöglichkeiten hat man sonst konzentriert nicht beisammen.

Noch ein kleiner Tip, den ich meist erfolgreich anwende Von den Herstellern ähnlicher Systeme lasse ich mir immer die Nachteile des Konkurrenzgerätes verraten. Das läßt sich im Gespräch gut anstellen, und nur so erfährt man dann tatsächlich, welches System für die eigenen Belange am besten geeignet ist.

Jedes Jahr auf die Messe zu fahren, nur um festzustellen, was es Neues gibt, ist meiner Ansicht nach heutzutage nicht mehr erforderlich, das findet man wie gesagt reichlich bei der Lektüre von Fachzeitschriften.

Ernst Schambil, Leiter der EDV-Abteilung, Ford-Werke, Saarlouis

In diesem Jahr gibt es bei uns kein Problem innerhalb der Datenverarbeitung, das nicht hier im Hause zu lösen wäre. Auch drängt mich meine "Informationslust" nicht nach Hannover. Mit Wissen bin ich für dieses Jahr "ausgebucht".

Meiner Meinung nach sollte man zur Messe fahren, wenn Probleme anstehen, die nicht von Groß-EDV-Anbietern zu lösen sind, also in puncto Peripherie-Auswahl. Die EDV-Riesen informieren den Anwender besser in seinem eigenen Unternehmen, wo an Ort und Stelle Lösungen erarbeitet werden können.

Bei Terminals, Datenerfassungssystemen, Druckern und so weiter wird das schon etwas schwieriger - es gibt zu viele, vor allem auch preislich sehr unterschiedliche Alternativen, die man in der CeBIT-Halle auf kleinstem Raum beisammen hat und vergleichen kann. Die großen Hersteller bräuchten meiner Meinung nach nicht mehr vertreten sein, denn die Informationen, die man eventuell bei einem Hardware-Wechsel benötigt, bekommt man nicht auf der Messe - und sei das Standpersonal dort noch so qualifiziert. Zudem sind diese Leute einfach durch die Dauer der Messe überlastet. Gegen Ende ist es kaum noch möglich, mit den "Spezialisten" detaillierte Gespräche zu führen, die Kondition läßt dann einfach nach.